Teilzeitliche Zwistigkeiten

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Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sind sich einig: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehört gefördert. Allzu viel Eintracht kommt aber nicht auf: Beim Thema Eltern-Teilzeit scheiden sich die Geister.

Begonnen hat die Streiterei mit einer Einigung. Es herrschte politischer Konsens darüber, dass etwas für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie getan werden müsse. Bei der Wahl des richtigen Weges schieden sich dann aber die Geister: Das Regierungsprogramm sieht eine Regelung vor, die Eltern noch nicht schulpflichtiger Kinder das Recht auf Teilzeitarbeit einräumen soll. Was den Vertretern der Wirtschaft erwartungsgemäß nicht sehr gelegen kam. Nach langem Hin und Her wurde doch von allen Seiten Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Und schließlich gelang im Ministerrat auch die Einigung auf eine Punktation, die die Eckpunkte der künftigen Eltern-Teilzeitregelung festhält. In der ersten Hälfte des kommenden Jahres soll das Gesetz in Kraft treten.

Einigung und Streiterei

Kaum sind sich aber die Minister einig, geht die Streiterei erst richtig los. Denn der Teufel steckt, wie so oft, im Detail. Einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit bis zum Schuleintritt der Kinder soll nämlich nur haben, wer in einem Betrieb mit mehr als zwanzig Mitarbeitern seit mindestens drei Jahren beschäftigt ist. Während der ersten vier Jahre besteht ein besonderer Kündigungsschutz, eine Kündigung des Mitarbeiters ist nur aus bestimmten schwerwiegenden Gründen möglich. Weitere drei Jahre ist ein Motivkündigungsschutz vorgesehen, der die Kündigung wegen der Eltern-Teilzeit verhindern soll. Passt dem Arbeitgeber nicht, dass ihm der Mitarbeiter nicht die volle Zeit zur Verfügung steht, muss er den Klagsweg beschreiten.

Für Arbeitnehmer, die noch nicht lang genug oder in einem zu kleinen Unternehmen beschäftigt sind, bleibt dagegen das meiste beim Alten: Ihnen steht der Weg der Teilzeit-Karenz offen, von der die Eltern bis zum vierten Lebensjahr des Kindes Gebrauch machen können. Einzige Verbesserung für sie: War der Mitarbeiter vor der Teilzeit-Lösung in Voll-Karenz, schmälert diese nicht mehr, wie bisher, den Anspruch auf anschließende Teilzeit-Karenz. Allerdings müssen die Beschäftigten, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen, sich wie bisher mit dem Arbeitgeber einigen. Gelingt das nicht, müssen sie ihrerseits den Chef klagen. Das Gericht stellt dann fest, ob eine Teilzeitregelung für das Unternehmen zumutbar ist. Aber wer verklagt schon seinen Arbeitgeber, wenn er den Job nicht verlieren möchte? Daher gibt es bisher auch erst zwei Fälle, in denen Mitarbeiter ihr Recht gerichtlich geltend machten. (Beide Fällen wurden übrigens zu Gunsten der Arbeitnehmer entschieden.)

Zufrieden ist mit der Einigung des Ministerrates im Moment jedenfalls fast niemand. Zwar lobt ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer das Modell Eltern-Teilzeit als "vernünftige Grundlage, mit der in Begutachtung gegangen wird".

Der Rest der ÖVP liegt sich jedoch in den Haaren. Denn was den Arbeitnehmervertretern zu wenig weit geht, ist der Wirtschaft schon viel zu viel. Während der Österreichische Arbeiter- und Angestelltenbund ÖAAB in einem Leitantrag Anfang Oktober forderte, Betriebe ab fünf Mitarbeitern sollten in die Pflicht genommen werden, geht die Wirtschaft von ihrer Bereitschaft, das Teilzeit-Gesetz für Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern zu akzeptieren, wieder ab. Mittlerweile ist nur noch von einer "freiwilligen Selbstverpflichtung der Unternehmen" die Rede, zu der sich die Wirtschaftskammer durchringen könne.

Warum, erklärt Reinhold Mitterlehner, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich, im Gespräch mit der Furche: "Bisherige Erfahrungen mit derartigen Gesetzen in Deutschland und den Niederlanden sind negativ. Die betroffenen Betriebe sehen das als Bestrafung und Einschränkung ihrer Dispositionsfähigkeit, und die begünstigten Arbeitnehmer sehen es als Nachteil, weil die Betriebe sehr restriktiv bei der Einstellung neuer Mitarbeiterinnen reagiert haben."

Zudem "machen die Unternehmer ohnehin alles möglich, was möglich ist. Und wenn etwas nicht möglich, aber gesetzlich vorgeschrieben ist, haben sie sicher keine Freude damit." Die Selbstverpflichtung sieht der Wirtschaftskammer-Generalsekretär daher als "politische Absichtserklärung, die darauf fußt, dass man das mit freiwilligen Anreizen besser in den Griff bekommen kann als mit Verpflichtungen." Vor allem eine Förderung durch das Arbeitsmarktservice (AMS) wäre ein solcher Anreiz, der sinnvoll sei, wenn wegen der Teilzeitarbeit ein weiterer Mitarbeiter eingestellt werde, betont Mitterlehner.

Frage der Gerechtigkeit

Eine solche Förderung ist auch tatsächlich vorgesehen, allerdings nur für Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern, die Eltern-Teilzeit freiwillig ermöglichen. Genau diese Freiwilligkeit will Mitterlehner für alle Firmen: "Wo ist die Sachgerechtigkeit, wenn Betriebe mit 21 Mitarbeitern zur Teilzeit gezwungen werden und mit 20 Mitarbeitern nicht?"

In diesem Punkt stimmt ihm Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie der Arbeiterkammer Wien, zu: Auch sie erkennt die Gerechtigkeit nicht - und fordert als Konsequenz genau das Gegenteil von Mitterlehner: "Alle Arbeitnehmer sollen die gesetzliche Möglichkeit der Eltern-Teilzeit haben."

Das Argument, dass die Betriebe deshalb weniger Frauen einstellen würden, bezeichnet sie als "Killerargument, mit dem man ja gleich alles deregulieren könnte, zum Beispiel die Karenz überhaupt abschaffen, damit die Frauen bessere Chancen haben." Außerdem gehe es ja nicht darum, nur den Müttern, sondern genauso den Vätern den Weg zur Teilzeitarbeit zu ebnen, fügt sie hinzu, wenngleich sie sich darüber im Klaren sei, dass mehr Frauen von der Möglichkeit Gebrauch machen würden.

Dass für die Unternehmen zu hohe Kosten entstehen würden, glaubt sie nicht: "Eine Studie des Wirtschaftsministeriums zu qualifizierter Teilzeitarbeit hat ergeben, dass nicht finanzielle, sondern organisatorische Probleme bewältigt werden müssen." Nicht die Bereitstellung von AMS-Geldern sei daher sinnvoll, sondern die Beratung der Firmen im Vorfeld der Umstellung.

Für eine freiwillige Selbstverpflichtung hat Moritz nur ein müdes Lächeln übrig: "Das ist längst Status quo." Schon jetzt hindere niemand die Unternehmen daran, ihren Mitarbeitern Eltern-Teilzeit zu ermöglichen. In Richtung Wirtschaftskammer meint Moritz daher: "Sie soll endlich das Anliegen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ernst nehmen."

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