"Teure Konsequenzen von verletzen Kinderrechten“

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Jedes Bundesland hat eine Kinder- und Jugendanwaltschaft, die als Ombudsstelle Beschwerden entgegennimmt, berät, und zu vermitteln versucht. Die steirische Kinder- und Jugendanwältin Brigitte Pörsch erklärt im Gespräch mit der FURCHE, wie es um den Kinderschutz in Österreich steht.

Die Furche: Was würde sich beim Kinderschutz ändern, falls die drei fehlenden Bundesländer einlenken, und es in der aktuellen Version in Kraft tritt?

Brigitte Pörsch: Die Frage ist eher, was sich nicht ändern würde. Der Gesetzesentwurf hat viele Lücken. Es gibt keine klaren Linien und keine eindeutigen Begriffsbestimmungen. Sobald "erforderlichenfalls“ im Gesetzestext steht, ist das eine Hintertür. Wir Kinder- und Jugendanwälte fordern außerdem eine externe Vertrauensperson für fremd untergebrachte Kinder- und Jugendliche .

Die Furche: Die ist im letzten Gesetzesentwurf aber nicht erwähnt.

Pörsch: Dabei ist es so wichtig, dass sich Kinder jemandem anvertrauen können, gerade vor dem Hintergrund der Aufdeckungen von Missständen in letzter Zeit. Der seelische Schaden, der dadurch entsteht, weil man auch in einer Fremdunterbringung, wo es einem gut gehen sollte, schlecht behandelt wird, ist unbezahlbar.

Die Furche: Finanzielle Überlegungen scheinen schwerer zu wiegen als das Kindeswohl…

Pörsch: Ja. Bestes Beispiel ist das Vier-Augen-Prinzip bei der Gefährdungsabklärung. Das ist die ad hoc-Einschätzung einer Situation und die Entscheidung über Maßnahmen. Jeder, der schon einmal in dieser Situation war, weiß, wie wichtig hier eine zweite Meinung ist. Nach dem aktuellen Gesetzesentwurf muss man die nur "erforderlichenfalls“ einholen. Die erste Argumentation ist dann: Das können wir uns nicht leisten. Das ist sehr kurzsichtig. Um langfristig zu sparen, müsste man sich anschauen, welche Konsequenzen verletzte Kinderrechte noch Jahrzehnte später haben.

Die Furche: Nämlich?

Pörsch: Man muss sich nur die Biografien anschauen von Menschen, die nicht so gut zurechtkommen in ihrem Leben. Als Bewährungshelferin habe ich das gemacht. Da gibt es einen roten Faden bei Kindern, die nicht die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Das sind Knackpunkte auf dem Weg in die Sucht, Kriminalität oder Perspektivlosigkeit. In Deutschland gibt es Studien, dass jeder Euro, der in Prävention investiert wird, Folgekosten von zehn Euro erspart. Bei uns schaut sich das niemand an.

Die Furche: Wie steht denn Österreich im internationalen Vergleich da?

Pörsch: Wir haben einen guten Standard, aber man darf sich nicht nach unten orientieren. Auch bei uns gibt es viele Fälle. Nicht nur die, die in der Zeitung stehen. Jedes Kind, das Gewalt oder Vernachlässigung erlebt, ist ein Kind zu viel. Kinder bringen kein Geld, für sie zu lobbyieren bringt nichts. Bei uns werden sie gern als Zukunft gesehen, nicht als Gegenwart.

Die Furche: Die Steiermark hat beim Kinderschutz einen guten Ruf, das Jugendwohlfahrtsbudget wurde aber im Zuge der Reformpartnerschaft um 9 Millionen gekürzt. Spüren Sie das?

Pörsch: Ja, es wird schwieriger. Wir haben mehr Elternanfragen. In der Steiermark wurde zum Beispiel die Lernbetreuung ganz gestrichen, auch bei den Fachkräften wirken sich die Einsparungen aus. Kinderrechte sind eine Querschnittsmarterie. Deshalb wird jetzt genau geprüft, wer wofür zuständig ist.

Die Furche: Sie können das aufzeigen, Sie sind weisungsfrei. Trotzdem werden Sie von der Landesregierung ernannt…

Pörsch: Richtig. Es kann auch sein, dass man nach zweieinhalb Jahren abberufen wird, wenn man zu viel aufzeigt. Aber ich bin den Kindern und Jugendlichen und dem Gesetz verpflichtet. Und es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Verbesserungen. (dol)

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