Tod -des Lebens Anfang ...

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Eine Woche im Krankenhaus, unmittelbar vor dem Nationalfeiertag: So viel Stolz und Dankbarkeit über unseren Sozialstaat habe ich selten zuvor gespürt. "Das Österreichische", von dem unser Bundespräsident zuletzt in seiner TV-Rede geschwärmt hat -es hat doch Vieles in unserem Land sehr gut gemacht.

Aber da ist noch eine andere Spitals-Erinnerung, die mich unerwartet stark beschäftigt -auch über meine "Entlassung" hinaus: Eines Abends bin ich noch durch die schon menschenleeren Spitalsgänge gewandert und am Schlaganfall-Zentrum ("Stroke Unit") vorbeigekommen. Da hat sich im selben Moment die "Entsorgung"-Türe geöffnet - und ein Pfleger hat in sichtlicher Eile ein Stationsbett an mir vorbeigeschoben. Unter dem weit ausgebreiteten Leintuch sind die Körperformen eines Toten zu erkennen gewesen. Aber schon hat sich die Lifttüre geöffnet - und Sekunden später die beiden in Richtung Keller verschluckt: Endstation Pathologie.

Die Szene hat sich in mir festgeklebt - und ich rätsle bis heute, warum. War nicht das Natürlichste eben an mir vorbeigezogen: Leben und Tod, die beiden Grundkonstanten unserer Schöpfung?

Seither frage ich mich: War es die Verschleierung, die mich so verschreckt hat? Auch das bewusste Tempo des Pflegers in meiner unmittelbaren Nähe? Oder war ich es selbst, mit all der Unvorbereitetheit meiner Gefühle? Mit meinem inneren Widerstand gegen das Phänomen des Sterbens; mag sein, auch mit der Ehrfurcht vor dem Unbegreifbaren?

Gefragt habe ich mich auch: Wann bin ich zuletzt einem Toten begegnet? Schon lange nicht. Wann zuletzt ist das Weggehen aus dieser Welt für mich zur miterlebbaren Realität geworden?

Und: Liegt die Einübung in die Sterblichkeit ganz jenseits unserer Möglichkeiten? Ist der Schauder vor dem Tod gar nicht abzuschütteln -nicht einmal für Christen, denen die Auferstehung ein Urgrund ihres Glaubens sein sollte?

Wagnis der Hoffnung

"Tod -des Lebens Anfang", sagen "meine" Mönche in den Klöstern auf dem Berg Athos (und auch anderswo). Für sie ist es ganz unvorstellbar, dass wir Menschen -die "Ebenbilder Gottes" - uns mit dem zwischen Geburt und Tod eingezwängten Leben zufriedengeben könnten.

Wenn uns Allerheiligen und Allerseelen jetzt an die Gräber unserer Toten führen, dann werden wir uns dem Gedanken an den Tod nicht verweigern können. Und dabei vielleicht erkennen, wie unsicher unser Dasein in allen "letzten Fragen" geworden ist: in denen nach dem Ursprung des Lebens, auch nach dem Sinn unseres Daseins - und nach dem Weiterleben jenseits des Todes.

Und wir werden besser offenlassen, was jenseits unserer Grenzen liegt - jenseits unserer Erwartungen und Zweifel. Wir werden aber auch das Wagnis der Hoffnung eingehen können. Gewissheiten gibt es nicht - leider, vielleicht auch gottseidank. Denn dann müssten wir wohl ganz anders leben

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