Werbung
Werbung
Werbung

Immer mehr Singles, die es nicht mehr sein wollen, nutzen das Internet als Partnerbörse. von ulysses*)

Barfly" hat Lust zu flirten. Er setzt sich mit seinem Drink allerdings nicht an die Theke und spricht eine Dame an, sondern an den Computer. Dort lässt er lächelnd den Blick schweifen und tippt - wenn's passt - seine Liebesbotschaft ein. Möglichst pointiert, denn Sprachgewandte haben gerade hier beste Chancen. Adressatin ist "WitchOfNight", "Kassiopeia" oder "Yoni30", die wie "Barfly" in den Singlebörsen des Internets herumschwirren. Sie alle machen im virtuellen Schaufenster anonym ihre Aufwartung, zeigen nur das, was sie zeigen wollen und suchen ihrerseits nach dem Märchenprinzen oder der Herzkönigin.

Natürlich, Singles könnten auch im Beruf oder in der Freizeit jemanden kennen lernen. Doch das ist nicht so einfach. Oft stört jemand, der nicht unbedingt wissen soll, dass man offen ist für Flirts oder mehr. Und immer dieses Risiko: Will das Gegenüber überhaupt? Wer Liebe sucht, macht sich angreifbar. Also Internet.

Flirts am Fließband

Von den acht Millionen Menschen in Österreich sind etwa 1,1 Millionen Singles. Nur wenige davon leben überzeugt allein, die Mehrheit sucht Begleitung auf dem Lebensweg. Kein Wunder also, dass Beziehungsanbahner aller Art Hochkonjunktur haben. Es gibt Singleclubs, Singleurlaube, Singletreffs. Darunter auch Kuriositäten wie "fastdating": 20 Damen und Herren sprechen je fünf Minuten mit einer nummerierten Person, die sie noch nie vorher gesehen haben - "Blind Date" im Fachjargon. Danach notieren alle, welche "Nummer" er/sie wieder treffen möchte: Bei Übereinstimmung spielen die Organisatoren dieses "Fließbandflirts" Kuppler. Tine, 48-jährige Lehrerin aus Wien, nahm zwei Mal teil und war zufrieden: "Man weiß ohnehin binnen weniger Minuten, ob die Chemie stimmt."

Am meisten aber boomt das Internet als Lonely-Hearts-Club. Schon fast 40 Prozent aller Haushalte in Österreich - um neun Prozent mehr als noch vor zwei Jahren - verfügen über Zugang zum World Wide Web. Viele User hoffen darauf, per Mausklick einen Kuscheltiger, Geistesriesen oder eine Sportskanone zu finden. Manche Strategie dabei mutet nicht sonderlich überlegt an, wie jene des Web-Single "allhappyall", der unter dem Motto "Glücksmann sucht Glücksfrau" eintippte: "Es heißt wohl Glück im Spiel, Pech in der Liebe, nur hoffe ich, dass sich zweiteres hiermit ändert. Ich habe einen größeren Gewinn gemacht und suche deshalb eine fesche Partnerin, welche jedoch auch über sehr viel Humor verfügen soll..." Ob dem Glückmann das Lachen vergeht, wenn sich vor allem an seinem Kontostand interessierte Damen melden?

Doch meistens haben es Frauen schwerer in den Singlebörsen. Auch ohne Bild zum Anklicken müssen sie damit rechnen, Sexangebote zuhauf zu bekommen. Als die Wiener Psychologin "Valeria" vor zwei Jahren auf Fischfang im Netz ging, zielten 40 der 60 eingegangenen Mails unter die Gürtellinie. Sind die Schmuddelmänner erst einmal gelöscht, lasse sich der Rest durchaus sehen: Die sieben Männer, die Valeria seither traf, waren durchwegs geistreich und charmant. Gleich in den ersten verliebte sie sich, war eineinhalb Jahre mit ihm zusammen.

Sie sei im Internet auf viele frisch Getrennte gestoßen, die jetzt "alles anders machen" wollten, berichtete "Anael" aus St. Pölten. Das Medium lege Illusionen nahe. Manchmal stieß sie auf Beschönigungen: Frauen schwindeln beim Alter, Männer bei der Körpergröße, sagt Anael. Auch sie selbst "verjüngt" sich bei ihrer Selbstbeschreibung manchmal: "Einmal schrieb ich ganz ähnliche Inhalte als 43-Jährige und als 39-Jährige. Im ersten Fall bekam ich zwei Reaktionen, im anderen 60." Die Umweltfachfrau steht zu ihrer Lüge. Nur dadurch treffe sie überhaupt interessante Männer ihres Alters, die es dann gar nicht stört, dass ihr attraktives Gegenüber älter ist als gedacht.

Spielerisch statt verkrampft

"Mir ist alles Recht", tippte "dodgy", 38, Salzburger, in sein Websingle-Profil: "besonders Recht sind mir Nobelpreisträgerinnen, Sexgöttinnen, Ausdauersportlerinnen - am besten alles in Personalunion." Wer so gut mit Ironie umgehen kann, hat ein großes Plus. "Man muss spielerisch herangehen", empfiehlt Valeria. "Das heißt ja nicht, dass nicht mehr draus werden kann."

Wie bei "Gulliver": Der Wiener Medienmann stieß im Internet auf "Kairose", Malerin und Bildhauerin in Berlin. Erst nach und nach entwickelte sich mit ihr ein Kontakt per E-Mail, der sich immer mehr intensivierte. "Wenn's das gäbe, würde ich sagen, ich habe mich virtuell in dich verliebt", schrieb Gulliver schließlich - und Kairose ging's ähnlich. Die ausgetauschten Fotos reichten bald nicht mehr, ein echtes Treffen musste sein. "Ich fuhr mit Knieschlottern nach Berlin", erzählte Gulliver. "Mir war klar, dass bei so einer Art von Kennenlernen Phantasien leicht ins Uferlose gehen können." Doch siehe da: Statt Desillusionierung trat Liebe ein, die fast ein Jahr lang hielt, bevor die geografischen und andere Grenzen stärker wurden.

Sucht nach Begegnung

Gaby Raß-Hubinek, Psychotherapeutin und Paarcoach in Breitenfurt, sieht durchaus Vorteile darin, dass die Schwellenangst im Internet geringer ist. Schüchterne hätten hier eine Einstiegshilfe, könnten beim "Trockenschwimmen" Sicherheit gewinnen. "Das Peinliche fällt weg, wenn der erste Kontakt anonym bleibt." Freilich gebe es auch eine Kehrseite: die Suche, ja die Sucht nach dem immer neuen "Kick" einer Begegnung. "Valeria" kennt selbst eine Phase der "Internetbeziehungssucht": "Ich konnte damals nicht heimkommen, ohne meine Mailbox zu kontrollieren oder Dutzende von User-Profilen durchzuklicken." Das ist vorbei. Valeria steht zu ihren Internetkontakten. Sie haben ihr das Selbstbewusstsein gegeben, auch als Frau von 46 noch interessant zu sein. "Traumprinzen" gibt's grad keinen. Aber der kann ja noch kommen. Vielleicht schon im nächsten Mail.

*) "Ulysses" ist freier Journalist und nach einer Trennung selbst auf der Suche nach einer neuen Liebe - im Internet und anderswo.

Singlebörsen

Die Internet-Singlebörsen sind mittlerweile unüberschaubar geworden. Größte Plattform in Österreich ist love.at mit 406.000 registrierten Mitgliedern. Üblich geworden sind auch zielgruppenspezifische Websites wie herzundhof.at für Landwirte, www.handicap-love.de für Behinderte, tanzpartner.at oder urlaubsflirt.at. Eine Bewertung findet man - sehr deutschlandorientiert - unter singleboersen-vergleich.de.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung