Rauchverbot - © Foto: unsplash/Egor Myznik

Tschechien: Die wahren Schwejks rauchen trotz Rauchverbot weiter

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In Tschechien gilt seit dem Juni Rauchverbot in Lokalen, doch die Raucher finden Wege und Mittel, der Untersagung zu widersagen. Zum einen, indem die Raucher nun die Gastgärten okkupieren, zum anderen, indem sie sich in Raucherklubs organisieren.

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In Tschechien gilt seit dem Juni Rauchverbot in Lokalen, doch die Raucher finden Wege und Mittel, der Untersagung zu widersagen. Zum einen, indem die Raucher nun die Gastgärten okkupieren, zum anderen, indem sie sich in Raucherklubs organisieren.

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Das hatten sich die Gesetzgeber in Prag fein ausgedacht: Sehr symbolisch wählten sie den letzten Maitag, der weltweit den Nichtrauchern gewidmet ist, zum ersten Tag für das generelle Rauchverbot in den böhmischen, mährischen und schlesischen Gasthäusern. In vielen dieser Etablissements wurden denn auch um Mitternacht mehr oder weniger feierlich die letzten Kippen im Aschenbecher ausgedrückt. Manche Raucher steckten sich danach auch gleich die nächste Zigarette - wie es sich gehört - vor der Kneipentür an.

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Doch einigen brachte das gleich neuen Ärger ein: Manche Bewohner der über den Kneipen befindlichen Wohnungen fluchten nämlich laut und vernehmlich über die Raucher, weil der Qualm jetzt durch ihre Fenster wabere. "Haut ab hier, bei dem Gestank kann kein Mensch vernünftig schlafen."

Vielen Kneipern wurde aus einem anderen Grund übel: wenn sie an ihren Umsatz dachten. "Für viele unserer Stammgäste ist ein Besuch, ohne rauchen zu dürfen, undenkbar, wie wir aus Umfragen wissen", sagte ein Kellner im Prager "U Rudolfina". Die Bedienung in Prags angesagtester Enten-Kneipe "U Bansethu" sah es gelassener: "Zu uns kommen die Gäste wegen des Essens. Wir haben deshalb schon länger auf Nichtraucher umgestellt und keine Einbußen zu beklagen."

Nichtraucher-Zonen

60 Prozent der Wirtshäuser in Tschechien waren wie das "U Bansethu" schon vor dem Gesetz Nichtraucherzone. Die Meinungen in der Bevölkerung sind gespalten, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Prager Radios ergab: "Befürworter und Gegner des Verbots halten sich die Waage."

Die 25 Prozent Raucher in Tschechien, die bislang auf einer europäischen Insel der qualmenden Glückseligkeit lebten, trifft es gleich richtig hart. Das Gesetz macht keinen Unterschied zwischen gastronomischen Einrichtungen einerseits und finsteren Spelunken oder teuren Bars andererseits, in denen nur Getränke ausgeschenkt werden. "Als ob Bars jetzt von Eltern mit ihren kleinen Kindern gestürmt würden", tobten die Kritiker.

Wir Tschechen sind ein wenig renitent und lassen uns von der Obrigkeit nur schwer etwas vorschreiben.

Zwar ist nicht sicher, ob das Gesetz Bestand haben wird. Eine Gruppe von Senatoren hat vor dem Verfassungsgericht dagegen geklagt. Aufschiebende Wirkung hatte das jedoch nicht. Doch Vater Staat war sich wohl selbst nicht so sicher, wie die Tschechen die neue Regelung aufnehmen werden. Stunden vor dem Inkrafttreten hieß es deshalb vorsorglich: "Unsere angekündigten Kontrollen beginnen wir erst in drei Monaten." Wer dann als Raucher erwischt wird, muss bis zu 5.000 Kronen zahlen (etwa 200 Euro). Wirte, die nicht gegen Raucher einschreiten, trifft es noch heftiger.

Die Verschiebung der Kontrollen war jedoch ein Fehler. Das jedenfalls ergab hernach so mancher "Lokal"-Augenschein. In den Kneipen hat sich nichts wirklich geändert: Zeitungen und das Fernsehen zeigten Fotos und bewegte Bilder mit lustig rauchenden Gästen und übervollen Aschenbechern. "Wir Tschechen sind ein wenig renitent und lassen uns von der Obrigkeit nur schwer etwas vorschreiben", lautete der allgemeine Tenor in den rauchgeschwängerten Beisln. Und dann wurde besagte Obrigkeit auch noch schallend ausgelacht.

Dass es Ausnahmen vom generellen Rauchverbot gibt, interessiert die Hardcore-Raucher nur mäßig. Sie werden auch nicht einfach so auf E-Zigaretten und schon gar nicht auf Wasserpfeifen umsteigen, um ihre Lungenflügel "gemäßigt" zu malträtieren. Dafür gibt es jetzt schon handfeste Streits um die raren Plätze in den Gärten der Restaurants. Mehrfach wurden Schilder mit solchen und ähnlichen Aufschriften gesichtet: "Liebe Nichtraucher, Ihr habt über Jahre für einen rauchfreien Gastraum gekämpft. Jetzt habt Ihr ihn. Nutzt ihn aber bitte auch. Draußen ist nur noch für Raucher."

Ob das Ziel der Gesetzesmacher in Erfüllung geht und die Zahl der Raucher zurückgehen wird, darf bezweifelt werden. Die Tabakkonzerne sahen dem Verbot gelassen entgegen. Ausschlaggebend für deren Kalkulation war ein Blick auf die europäischen Nachbarn, die sich schon früher vom blauen Dunst in den Kneipen verabschiedet haben. Im Schnitt war im ersten Jahr ein Einbruch der Verkaufszahlen von nur rund vier Prozent zu beobachten gewesen. Spätestens im zweiten Jahr erreichten Verkauf und Konsum von Tabakprodukten jedoch wieder ihren Ursprungswert.

Schon Tage nach Einführung des Rauchverbots schossen „Raucherklubs“ wie Pilze aus dem Boden, wurden Anträge für ‚LIBERTAS Smoke’n’Taste Clubs‘ gestellt.

Die Zeitung "Lidové noviny" veröffentlichte am Wochenende vor dem Verbotsbeginn eine amüsante eineinhalbseitige Abhandlung über die Geschichte des Rauchens in Österreich-Ungarn, der Tschechoslowakei und in Tschechien, die mancher Raucher mit Sicherheit genüsslich mit einer längeren Zigarre gelesen haben dürfte. Über lange Zeit, so hieß es da, habe der Staat das Rauchen gefördert, weil es für ihn die zweit- oder drittwichtigste Steuereinnahmequelle gewesen sei. Heute - und da bekamen die Raucher Husten - beträgt diese Steuereinnahme in Tschechien nur noch vier Prozent des Budgets.

Staatseinnahmen sprudelten

Probleme hat es dem Autor zufolge in alten Zeiten nicht wegen des Rauchens gegeben, sondern vielmehr wegen des Anzündens des Tabaks. Bis zur Einführung von Sicherheitszündhölzern Mitte des 19. Jahrhunderts seien gern mal ganze Häuserzeilen oder Dörfer Opfer der Flammen geworden. Als erstmals deutsche Ärzte 1939 einen Zusammenhang zwischen dem Rauchen und Krebserkrankungen nachwiesen, hätten das die Tschechen bewusst ignoriert - weil man den Deutschen prinzipiell nicht traute. Noch Ende der 1960er-Jahre "erfand" dem Artikel zufolge ein Tscheche eine "Anti-Asthma-Zigarette".

Mehrfach sei zudem das Rauchen untersagt worden -aber stets nur von kurzer Dauer. Ein Hoffnungsschimmer für die heutigen Raucher? Eher nicht. Die Abhandlung in der Zeitung endete mit dem Gedicht eines gewissen Jaroslav Vrchlick´y der den ergreifenden Abgesang auf seine letzte Zigarette schon 1897 verfasste. Der tapfere Dichter hatte bis dahin 50 Zigaretten am Tag inhaliert. Vielleicht nehmen ihn sich jetzt einige Tschechen zum Vorbild.

Die tschechischen Schwejks wären aber keine Schwejks, wenn sie der Behörde nicht ein Schnippchen zu schlagen wüssten. So erfuhr man zwei Tage nach dem Rauchverbot, dass seit Anfang Mai "Raucherklubs" wie Pilze aus dem Boden schössen. In allen Ecken des Landes seien Anträge zur Genehmigung von "LIBERTAS Smoke'n'Taste Clubs" gestellt worden. Die ersten seien in Písek und Prag eröffnet worden. "Rein private Einrichtungen", in denen der Staat abblitze. Betreibern und Mitgliedern wird juristischer Beistand zugesichert. Umsonst ist die Mitgliedschaft allerdings nicht. Monatlich werden da immerhin 1000 Kronen (40 Euro) fällig. So viel kostet in Tschechien derzeit eine ganze Stange Zigaretten. Aber was tut man nicht alles, um seine Gesundheit zu ruinieren. Eine "normale" Lungenentzündung holen sich die bislang wenigen braven Draußen-Raucher derzeit immerhin nicht. Der tschechische Sommer verhindert einen Kälteschock vor der Kneipentür.

Hans Jörg Schmidt

Der Autor ist ein in Prag lebender deutscher Journalist und Buchautor.

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