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Der türkische Außenminister Abdullah Gül dreht gerne den Spieß um: Wenn sich die Dinge in der eu nicht in seinem Sinne gestalten, droht er damit, Verhandlungen fern zu bleiben. Tatsächlich muss er freilich froh sein, überhaupt mit am Tisch zu sitzen - weswegen er auch Anfang dieser Woche entgegen anderen Signalen im Vorfeld den Weg zum eu-Außenministerrat nach Luxemburg fand.

Das Verhalten von Gül ist nachvollziehbar: Für die innenpolitische Szene demonstriert man Selbstbewusstsein gegenüber Brüssel; den Vorwurf der "Anbiederung" an die eu will man sich, zumal in einem Wahljahr, nicht leisten. Da befindet sich die Türkei jetzt schon in bester europäischer Gesellschaft. Andererseits weiß Gül, weiß die türkische Regierung mit Premier Erdogan an der Spitze natürlich, dass der angestrebte Weg in die Europäische Union kein Spaziergang wird.

Die Skepsis gegenüber der eu-Erweiterung in den Mitgliedsländern hat sich generell verstärkt - eine Trendwende zeichnet sich nicht ab. Es herrscht eine seltsame, von diffusen Ängsten unterfütterte Missstimmung - die freilich nur zum Teil durch die konkreten Fakten erklärbar ist. Dem entspricht bei etlichen Beitrittskandidaten - auch in der Türkei - eine abnehmende Zustimmung zu einem eu-Beitritt. Je länger es dauert, je mehr man sich mit einer Sache beschäftigt, desto mehr sieht man auch die Schattenseiten. Und wer Ablehnung beim Gegenüber spürt, blockt gerne selbst ab.

Der Fall Türkei ist freilich von ganz anderer Dimension als der der übrigen Beitrittskandidaten. Das Projekt ist unbeholfen und zu früh auf Schienen gesetzt worden - in dieser Form ein riskantes Experiment mit ungewissem Ausgang. Dass nun immerhin Kroatien hier anders bewertet wird als die Türkei, ist die gute Nachricht der letzten Tage.

rudolf.mitloehner@furche.at

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