Über 50, nicht vermittelbar

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Die Kritik der Gewerkschaften an der Pensionsreform 2000 stützt sich auf folgende Aussagen: * 50.000 Versicherte über 50 seien überproportional arbeitslos, davon ein großer Teil Langzeitarbeitslose.

* Eine Erhöhung des Frühpensionsalters führt daher zu noch mehr Arbeitslosen, vor allem Langzeitarbeitslosen und sei daher abzulehnen.

Die Altersarbeitslosigkeit ist aber zu einem großen Teil demografisch bedingt. In den nächsten Jahren gehen zusätzlich die starken Jahrgänge 1939 bis 43 in Frühpension. Das belastet mit ca. 40 Mrd. die PV, entlastet aber auch den Arbeitsmarkt. Das Problem könnte sich daher von selbst lösen beziehungsweise entschärfen.

Unbestritten bleibt aber, dass Österreich das niedrigste Pensionsalter von allen Industriestaaten hat (Ausnahme Italien). Die Gegenfrage ist daher berechtigt: Wieso schafft dann die Schweiz, mit einem Pensionsalter von 65 (ohne Frühpension) eine Arbeitslosenquote von nur zwei Prozent und hat keine besonderen Probleme mit der Altersarbeitslosigkeit? Auch Holland und vor allem Schweden haben ein Pensionsalter von 65 (Männer und Frauen!).

Dazu kommt noch, dass fast 40 Prozent aller Österreicher wegen Invalidität aus dem Arbeitsleben (mit unter 57 Jahren) ausscheiden? Sind wir - trotz moderner Medizin - ein Volk von Invaliden? Wenig glaubwürdig.

Die Hauptursache der Altersarbeitslosigkeit ist unser Tarifsystem. Durch Biennalsprünge (bei Angestellten) ist eben ein 50-jähriger deutlich teurer als ein 30-jähriger. Der Höhepunkt des Lebensverdienstes müsste deutlich nach vorne verlegt werden, also zu den 35 bis 40-jährigen. Nach 40 Jahren sollte es keinen Biennalsprung mehr geben (außer Karrieresprünge natürlich).

Viele sind arbeitslos, weil sie von ihren Arbeitgebern - immer im Einvernehmen mit ihnen, der Gewerkschaft und des Betriebsrats - entsorgt wurden. Deutlich formuliert: Die Arbeitgeber haben - vollkommen legal - die Lasten der durch Rationalisierung oder sonstige Gründe freigesetzten Mitarbeiter einfach auf die Gemeinschaft abgewälzt. Vorbild war die Verstaatlichte, voran VOEST (und andere), die einen unvermeidlichen Schrumpfungsprozess ihrer Mitarbeiter elegant auf diese Weise durchzog, ansonsten wäre sie konkursreif gewesen.

Oft war das Freisetzen mit einem golden hand-shake verbunden (Beispiel Post). Den freigesetzten Mitarbeitern wurde bis zur Pensionierung die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und 80 Prozent ihres letzten Lohns ersetzt. Was die Firmen damals allerdings nicht voraussehen konnten, war die Pensionsreform 2000. Dieser Ausgleichsbetrag wird nunmehr um 1,5 Jahre verlängert, was Milliardenbelastungen verursacht. So können die Gewerkschaften darauf hinweisen, dass ein großer Teil der Pensionsberechtigten direkt aus der Arbeitslosigkeit in Pension geht.

Arbeitgeber belastet Dagegen wurde ein sogenannter Malus eingeführt, der jetzt mit der Pensionsreform noch verstärkt wurde, das heißt die Arbeitgeber müssen sich an den Kosten der Arbeitslosigkeit beteiligen.

Wird also die Arbeitslosigkeit durch die Pensionsreform 2000 zunehmen?

Dagegen sprechen einige gute Gründe: Die Massenfreisetzungen haben ein Ende gefunden. Österreichs Industrie ist heute wesentlich leistungsfähiger geworden, es gibt keine Personalreserven mehr, die man mobilisieren könnte - zumindest nicht im privaten Bereich. Nur im öffentlichen Bereich, vor allem in der öffentlichen Verwaltung, bei Post und Bundesbahn - hier steht ein Rationalisierungsschub noch bevor, der aber - wegen Pragmatisierung oder sonstigen Erschwerungen im öffentlichen Dienstverhältnis - zu keiner erhöhten Arbeitslosigkeit führen kann und wird.

Kündigung mit 49?

Sicher werden einige nach wie vor mit dem Ersuchen an die Firmenleitung herantreten, vorzeitig gekündigt zu werden, aber eben 1,5 Jahre später.

Der Malus, der ein Freisetzen Älterer verhindern soll, ist aber auch kontraproduktiv. Er kann dazu führen, dass sich Arbeitgeber von schwächeren Mitarbeitern dann eben mit 49 trennen, um Schwierigkeiten später zu vermeiden. Das oft kritisierte hire und fire im US-System führt zwar dazu, dass man leicht gekündigt werden kann, aber andererseits auch sehr leicht wieder einen neuen Arbeitsplatz - und gerade heute sogar einen besser entlohnten - findet.

Entscheidend ist aber - und hier liegt das Problem - dass alle diese Schutzmaßnahmen und Behinderungen dazu führen, daß über 50-jährige keinen oder nur schwer einen neuen Arbeitsplatz finden. Sie gelten in der AMS(Arbeitsmarktservice) als nicht oder schwer vermittelbar. Darunter sind viele mittel- oder sogar hochqualifizierte Angestellte, die sehr schwer, selbst mit Abstrichen, einen neuen Arbeitsplatz finden. Neben diesen qualifizierten Angestellten gibt es die ungelernten Kräfte, die mangels Qualifikation nicht vermittelt werden können Damit sind wir beim eigentlichen Kern der Problematik. Wir brauchen weniger einen Malus, der Kündigungen erschwert, sondern einen entsprechenden Bonus, der die Neuaufnahme von Älteren fördert. Reduzierung der AV-Beiträge reichen dazu nicht aus, es müsste schon ein massiver Anreiz sein.

Man muss auch zugeben, dass es nicht rationale Vorbehalte der (oft jüngeren) Personalchefs gegen Ältere gibt. Liest man die Stellenanzeigen, so heißt es oft: Junges Team sucht ..., Höchstalter 30, 35, maximal 40 und so weiter. Paradox ist aber, dass die öffentlichen Stellen selber Alterslimits vorgeben und keine Älteren einstellen. Dann findet man 30-jährige als Portiere, Aktenträger, Schreibkräfte. Hier müsste sich eine Änderung doch am leichtesten durchsetzen lassen.

Sicher, es gibt ganze Branchen, die grundsätzlich nur 30-jährige einstellen, wie vor allem die neuen Informationstechniken, Werbung etc. Gut, ältere Informationstechniker gibt es kaum, aber trotzdem haben diese Firmen durch ihre Rekrutierungspolitik beachtliche Kostenvorteile. Hier kann man ansetzen: Ein Bonus für Einstellung Älterer, der sämtliche Sozialabgaben (37 Prozent Arbeitgeber allein) ersetzt, kostet Milliarden, wenn es gelänge nur 25.000 dieser älteren Langzeitarbeitslosen wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. Diese Beträge könnten dadurch aufgebracht werden, dass man vom Durchschnittsalter eines Betriebes ausgehend (ohne Lehrlinge natürlich) Zuschläge zu den Sozialabgaben vorschreibt. Je jünger der Durchschnitt, desto höher die Ausgleichszahlungen.

Da es sich aber - wie eingangs erwähnt - um eine vorübergehende Situation handelt, könnten diese Belastungen durchaus mit zirka vier Jahren befristet eingeführt werden. Im Grund handelt es sich um einen Solidaritätsausgleich zwischen Jung und Alt, der aber durchaus zumutbar scheint.

Der Autor ist Mitglied der Pensions-Reformkommission.

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