Unbeirrter Arbeiter auf der Baustelle Kirche

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A ls sein Handy klingelt und wieder eine dieser Journalistinnen zu ihm durchgedrungen ist, muss Florian Stangl schwer atmen. Doch es ist nicht der mediale Andrang, der ihm zu schaffen macht. Es ist seine Baustelle, die ihn mitten im Osterurlaub fordert. "Wir bauen gerade einen Wintergarten für unser Haus“, erzählt der 26-Jährige. Hier, beim Umbauen und Graben, kann er endlich zur Ruhe kommen und noch einmal reflektieren, was sich in den vergangenen Tagen zugetragen hat.

Es ist eine Woche vor den Pfarrgemeinderatswahlen vom 18. März, als bei Stangl erstmals das Handy läutet. Im Rahmen der Vorwahl der Weinviertler Pfarre Stützenhofen hätten ihn einige Leute vorgeschlagen, erklärt man ihm. Ob er nicht Lust hätte, zu kandidieren? Etwa eine Stunde lang überlegt der junge Mann, der sich seit jeher in der katholischen Kirche engagiert - früher als Ministrant und Jungscharmitglied, heute als Stütze des Kirchenchors und Kuchenbäcker für Pfarrfeste. Schließlich sagt er zu.

Doch am Abend vor der Wahl klingelt abermals das Telefon. Es ist der Stützenhofener Pfarrer Gerhard Swierzek: "Der hat gesagt, dass das nicht geht - und dass diese Weisung aus der Diözese kommt“, erinnert sich Stangl. Das Problem sei seine gelebte Homosexualität: Seit sechs Jahren ist der studierte Sonder- und Heilpädagoge, der in einer Caritas-Tagesstätte mit behinderten Menschen arbeitet, mit seinem Freund Alexander zusammen. Seit 2010 leben die beiden in einer eingetragenen, gleichgeschlechtlichen Partnerschaft.

Florian Stangl ist durch die plötzliche Ablehnung vor den Kopf gestoßen: Jeder habe von seiner alternativen Lebensform gewusst. "Mein Partner und ich gehen auch ab und zu gemeinsam in die Kirche“, erzählt er. "Insofern hat mich diese erste Reaktion, vor allem aber der Hinweis, dass ich auch nicht mehr zur Kommunion gehen soll, sehr getroffen.“ Warum sollte plötzlich etwas zum Problem werden, was bisher keines war?

Das Votum der Gemeinde fällt indes eindeutig aus: Mit etwa 80 Prozent der Stimmen wird Stangl als erfolgreichster Kandidat in den Pfarrgemeinderat gewählt. Doch die Debatten darüber, ob seine gelebte Homosexualität im "Widerspruch zur katholischen Ordnung“ steht, lassen ihn kurz überlegen, ob diese Kirche tatsächlich seine Kirche ist. Das Gespräch mit dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn macht ihn jedoch sicher, dass sich sein kirchliches Engagement lohnt: "Er hat sich ehrlich für meine Lebenssituation interessiert, und da habe ich mir gedacht: Okay, das ist in Ordnung so.“ Wobei die Wertschätzung offenbar auf Gegenseitigkeit beruht: Florian Stangl habe ihn "christlich sehr beeindruckt“, rechtfertigt der Kardinal zwei Tage später in der ORF-Pressestunde seine mutige Entscheidung, die Wahl des homosexuellen Pfarrgemeinderates trotz "Formfehlers“ zuzulassen.

Doch was bedeutet Christsein für diesen Menschen überhaupt? "Sich einbringen in die Gemeinde und denjenigen helfen, die Hilfe brauchen“, sagt der frisch gebackene Pfarrgemeinderat. Die positiven Rückmeldungen, die er seit Publikwerden seines "Falls“ erhalten habe, stimmten ihn für seine Arbeit zuversichtlich.

Auch wenn die Situation von Homosexuellen in der katholischen Kirche insgesamt "eine Baustelle“ sei und er sich darüber freue, wenn sein Fall zum Nachdenken anrege - initiativ werden will er in dieser Frage nicht. Die Arbeit an der Basis reiche ihm. "Und dann hätte ich gern, dass wieder etwas Ruhe einkehrt“, meint Florian Stangl am Telefon. Der Wintergarten wartet. (siehe auch S. 18)

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