Unbezahlt und unbezahlbar

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Aus den sozialen Diensten und der Katastrophenhilfe ist der Einsatz Ehrenamtlicher nicht mehr wegzudenken. Non-Profit-Organisationen fordern, dass dieses Engagement endlich den nötigen gesetzlichen Rahmen bekommt. Jeder zweite Österreicher ist ehrenamtlich tätig. Dadurch werden vor allem im Sozialbereich und in der Katastrophenhilfe Leistungen möglich, die sonst unfinanzierbar wären. Hunderte Organisationen profitieren von dem unentgeltlichen Engagement, das letztlich der gesamten Bevölkerung zugute kommt. Redaktionelle Gestaltung: Claudia Feiertag

Dieter Hernegger findet nur einen Ausdruck für den Umgang der österreichischen Politik mit dem Thema Ehrenamt: "Stiefmütterlich", ärgert sich der Geschäftsführer der Interessenvertretung Österreichischer Gemeinnütziger Vereine (IÖGV). Und das, obwohl im Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001 vollmundige Versprechungen gemacht wurden, dass sich die Rahmenbedingungen für die Freiwilligen verbessern werden. Umgesetzt worden ist bisher nicht viel. Aber immerhin: Zwei Jahre nach der Ankündigung, dass es einen Österreichischen Rat für Freiwilligenarbeit geben werde, soll dieser am 28. Oktober erstmals zusammentreten. Seine Aufgabe werde es sein, lässt das Sozialministerium wissen, "die Barrieren und Hürden beiseite zu räumen, die dem freiwilligen Engagement im Wege stehen und Empfehlungen für Maßnahmen zu entwickeln, damit sich Menschen aller Altersgruppen auch zukünftig freiwillig engagieren."

Insgesamt 46 Mitglieder werden auf Vorschlag der Ministerien, des Bundes und der Länder, des Städte- und Gemeindebundes, der Sozialpartner, der Wissenschaft sowie der Freiwilligenorganisationen nominiert. Auch die IÖGV wird vertreten sein. Geschäftsführer Hernegger ist allerdings skeptisch: "Grundsätzlich ist so ein Rat nichts Schlechtes, aber in Österreich gibt es ja für alles einen Rat. Wenn das nur ein Debattierklub wird, haben die Vertreter der Non-Profit-Organisationen sicher etwas Besseres zu tun." Aber vielleicht stecke ja doch der echte Wille der Regierung dahinter, für die Freiwilligen in Österreich etwas zu tun. Nötig wäre das längst, schimpft Hernegger: "Die Ehrenamtlichen werden in sämtlichen Sonntagsreden mit Lob überschüttet. Wir sollten aber endlich dafür sorgen, dass das nicht reine Lippenbekenntnisse bleiben." Vor allem die Verbesserung ihrer Haftungs- und Versicherungssituation fordert die IÖGV, denn Freiwillige sind nach derzeitiger Gesetzelage im Rahmen ihrer unbezahlten Tätigkeit weder unfall- noch haftpflichtversichert. "Momentan ist es so, dass die großen Organisationen ihre Mitarbeiter selbst versichern, aber die kleinen können sich das nicht leisten."

Auch Gerald Czech, Sprecher des Österreichischen Roten Kreuzes, wünscht sich mehr Anerkennung für die freiwilligen Helfer. "Geredet wurde viel im Jahr der Freiwilligen, aber passiert ist außer ein paar Ehrungen, die seither regelmäßig vergeben werden, nicht viel." Vor allem das gesetzlich verankerte Recht für ehrenamtliche Helfer, in Notfällen auch kurzfristig von ihrem Arbeitgeber freigestellt zu werden, ist ihm wichtig: "Bei vielen Firmen ist das ohnehin kein Problem. Aber beim Hochwasser voriges Jahr hat ein freiwilliger Feuerwehrmann seinen Job verloren, weil er im Einsatz war statt an seinem Arbeitsplatz."

Rund 46.300 ehrenamtlichen Mitarbeiter hat das Österreichische Rote Kreuz (und nicht einmal 5.000 Hauptamtliche). "Aus der Katastrophenhilfe, dem Sozialdienst oder dem Krankentransport sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter gar nicht mehr wegzudenken, weil diese Leistungen anders nicht finanzierbar wären." Etwa zwölf Millionen Arbeitsstunden leisten die freiwilligen Helfer jedes Jahr. "Wenn man für jede Stunde auch nur 20 Euro bezahlen müsste", rechnet Czech vor, "würde das jährlich 242 Millionen Euro kosten."

Die wirtschaftliche Bedeutung des gesamten ehrenamtlichen Sektors in Österreich hat der Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien, Christoph Badelt, anlässlich des Internationalen Jahres der Freiwilligen eingehend untersucht, wobei er von der gängigen Definition ausging, dass all jene Arbeitsleistungen in die Kategorie Ehrenamt einzuordnen seien, denen keine Bezahlung gegenüber steht und deren Ergebnisse jemandem außerhalb des eigenen Haushaltes zufließen. Die Untersuchung ergab, dass 51 Prozent aller Österreicher ab 15 Jahren mit oder ohne Einbindung in eine Organisation ehrenamtlich tätig sind. 16.667.000 Stunden unbezahlter Arbeit leisten sie wöchentlich - das entspricht fast einer halben Million ganztägig Beschäftigten.

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