Und ewig lockt der Osten

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Veit Sorger, neuer Präsident der Industriellenvereinigung, denkt laut über eine angeblich notwendige Arbeitszeitverlängerung nach.

Was gut ist für die Industrie, ist gut für Österreich", ließ der neue Präsident der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, dieser Tage verlauten. Und für die Industrie sei es gut, ja notwendig, die kollektivvertraglich geregelten Arbeitszeiten zu verlängern und vielleicht auch einige Feiertage abzuschaffen. Dabei lehnt der oberste Industrielle Lohnkürzungen ausdrücklich ab - die Leute sollen nur für das gleiche Geld länger arbeiten. Ein Schelm, wer hinter sinkenden Stundenlöhnen eine Lohnkürzung sieht...

Ein größeres Arbeitspensum der Mitarbeiter wäre jedenfalls gut für die Industrie, die dann zu denselben Kosten mehr produzieren könnte. Die Lohnstückkosten würden sinken, was wiederum gut für Österreich wäre, weil damit verhindert werden könne, dass Produktionsbetriebe in den billigen Osten, also in die neuen EU-Länder oder gar ins Unternehmerparadies Asien, abwandern. Der Standort ist wieder einmal in Gefahr, die Verlockung von Ländern mit vermeintlich günstigeren Bedingungen für Unternehmer groß.

Aber woran erinnert diese Diskussion nur? Da war doch erst kürzlich etwas... Ach ja, die Körperschaftssteuer! Das Argument für ihre Senkung war dasselbe: Der Standort Österreich müsse gestärkt werden, sonst drohe die Abwanderung von Unternehmen in Niedrigsteuerländer. Das Drohen der Wirtschaft nützte, der Jubel über den geretteten Standort war groß. Aber kaum ist er verhallt, ist der Standort angeblich schon wieder bedroht, kommt schon wieder die nächste Forderung. Und mit dieser steht die Industriellenvereinigung keineswegs allein da. Angelehnt an die massive Diskussion in Deutschland, bliesen erst jüngst Böhler-Uddeholm-Chef und ÖVP-Wirtschaftsberater Claus Raidl sowie der Vizepräsident der Salzburger Wirtschaftskammer, Helmut Haigermoser, in dasselbe Horn.

Dabei betrug der Produktivitätszuwachs zwischen 1992 und 2002 hierzulande laut OECD insgesamt 60,8 Prozent, damit gehört Österreich weltweit zu den führenden Nationen. Außer in Lettland ist in keinem anderen EU-Land die Lohnstückkosten-Steigerung seit 1995 so gering wie in Österreich. Wir bewegen uns also längst in die gewünschte Richtung. Aber natürlich werden wir mit unserem Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystem nie ein Lohnniveau erreichen, das mit Ländern ohne soziale Sicherheit und ohne klar geregelte Arbeitnehmerrechte konkurrieren kann. Das kann aber auch die Industrie nicht ernsthaft wollen. Denn die Qualität eines Standortes lässt sich nicht allein am Steuer- und Lohnniveau messen. Und gerade deswegen ist es um den Wirtschaftsstandort Österreich nicht so schlecht bestellt, wie uns die Vertreter der Wirtschaft glauben machen wollen: In einem Ranking der besten Hightech-Standorte der EU, in Auftrag gegeben vom deutschen Manager Magazin, nimmt Österreich den dritten Platz hinter Irland und Estland ein. Und laut World Competitivness Yearbook 2003 des Schweizer Managementinstitutes MDI belegt Österreich im weltweiten Ranking Platz zwei bei der Qualität des Bildungssystems, Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, Sicherheit des Eigentums, Zugang zum österreichischen Kapitalmarkt für ausländische Unternehmen, Exportkredite, Arbeitsmotivation und Kundenzufriedenheit - bei lauter Faktoren also, die für eine Betriebsansiedlung mitentscheidend sind. Nicht von ungefähr haben sich die Direktinvestitionen ausländischer Firmen in Österreich zwischen 1991 und 2003 vervierfacht.

Natürlich ist noch viel zu tun: Einen raschen Ausbau der Infrastruktur und mehr Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung fordert Veit Sorger zu Recht. Bei den Arbeitnehmern anzusetzen und von ihnen mehr Einsatz für gleiches Gehalt zu fordern, ist dagegen der falsche Weg. Sie haben noch längst nicht verdaut, dass ihre Lebensarbeitszeit durch die Pensionsreform gestiegen ist. Man sollte ihnen dazu Zeit lassen, anstatt schon wieder über eine Erhöhung des Arbeitspensums zu diskutieren. Die Zufriedenheit und Motivation der Arbeitnehmer würde im Falle einer Umsetzung der IV-Forderung sicher nicht steigen. Die Industriellenvereinigung sollte aber nicht vergessen, was sie selbst ständig betont: Die Mitarbeiter tragen essenziell zum Erfolg eines Betriebes bei.

claudia.feiertag@furche.at

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