Und morgen sind es Menschen

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Nach Fröschen, Mäusen und Schafen stehen nun auch die Menschen auf der Wunschliste der Klontechniker. Was undenkbar schien, bricht sich Bahn.

Hätte jemand vor 20 Jahren in einer Debatte behauptet, zur Jahrtausendwende werde man mit dem Klonen von Menschen beginnen, man hätte ihn der Verleumdung bezichtigt. Der Wissenschaft dürfe man nicht unterstellen, sie würde sich so an der Würde des Menschen vergreifen.

Bei der rasanten Entwicklung der Biowissenschaften sind 20 Jahre jedoch eine halbe Ewigkeit. Und daher haben sich eben auch in dieser Frage die Anschauungen geändert. Wer Medienberichte zum Thema verfolgt, muss zur Kenntnis nehmen, dass man die Klon-Technik nunmehr auch auf den Menschen anzuwenden beginnt.

Was versteht man aber unter Klonen, diesem so oft gebrauchten Wort? Klone sind das Ergebnis einer ungeschlechtlichen Vermehrung von Lebewesen. So entstehen beispielsweise bei der Teilung von Einzellern Klone. In der Pflanzenzucht hat das Klonen durch Ableger, Ausläufer und Pfropfung sogar eine lange Tradition. Bei dieser Technik entstehen Nachkommen eines Individuums, die mit diesem genetisch ident sind. Die Entstehung von Klonen ist ein in der Natur also ganz normaler Vorgang.

Nicht normal hingegen ist seine Übertragung auf Tiere und Menschen, die sich geschlechtlich fortpflanzen. Diese Art der Entstehung von Nachkommenschaft ist übrigens Quelle der Vielfalt von Ausprägungen dieser Lebewesen. Jede neue Zeugung bringt eine neue, einmalige genetische Konstellation hervor, die jedoch gleichzeitig mehrere Nachkommen erben können. Insofern sind eineiige Zwillinge als echte Klone zu bezeichnen.

Wie geht man nun aber vor, um Duplikate von Säugetieren und Menschen zu erzeugen? Ausgangspunkt ist eine Eizelle, aus der man mechanisch mit einer Mikropipette das genetische Material im Zellkern entfernt. An dessen Stelle soll die Erbinformation einer anderen Zelle treten. In einer besonderen Vorrichtung sorgen Gleichstromimpulse für die Fusion beider Elemente - ein vom Konzept her einfacher, in seiner technischen Umsetzung jedoch anspruchsvoller Vorgang. Im Gegensatz zu echten Klonen (wie es Zwillinge sind) werden auf diese Weise genomische Kopien erzeugt. Sie besitzen dieselbe Kern-DNA wie der Spender des eingebrachten Zellkerns. Dass aber die Eizelle anderer Provenienz ist, hinterlässt - wenn auch nur ganz geringe - Spuren im geklonten Wesen.

Bei den ersten Klonversuchen (etwa bei Schafen und Rindern) wurden als Informationsspender Zellen aus frühen Embryonalstadien dieser Tiere verwendet. Mittlerweile ist die Technik schon so weit fortgeschritten, dass man auch das Klonen mit adulten Zellen zustandebringt. Das war auch das Sensationelle an Ian Wilmuts weltberühmtem Klon-Schaf Dolly: Es war die Kopie eines ausgewachsenen Schafes, das Duplikat eines lebenden Tieres.

Dass dieses Experiment gelang, weckte große Hoffnungen in der pharmazeutischen Industrie, öffnet dies doch das Tor für die Vermehrung transgener Tiere. Diese spielen eine wachsende Rolle in der Herstellung bestimmter Pharmazeutika. Mittlerweile gelingt es nämlich durch gezielte genetische Manipulation, Kühe so zu "programmieren", dass sie mit ihrer Milch wichtige Enzyme oder Proteine für die Pharma-Industrie produzieren. Insofern bestand also ein eminent wirtschaftliches Interesse an der Perfektionierung der Klontechnik für Säugetiere. Sie schafft vermehrungsfähige "Bio-Reaktoren".

Bedenken, die René Dubos, Institutsleiter der Rockefeller-Universität, noch 1981 geäußert hatte - "Ich wäre sehr beunruhigt, wenn das Prinzip des Klonens auf komplexere Organismen als die Bakterien angewendet werden würde," - sind längst vergessen.

Ersatzteillager

Man konnte sich ausrechnen, dass jene Technik, die bei Dolly funktioniert hatte, im Handumdrehen auch auf den Menschen angewendet würde. Umso mehr, als schon 1993 Jerry Hall von der George-Washington-Universität von einschlägigen Experimenten berichtete. Aber welchen Sinn sollte es machen, einen Menschen zu klonen?

Zwei Stoßrichtungen werden bei der Anwendung der Technik auf den Menschen verfolgt: das therapeutische und das reproduktive Klonen. Für ersteres hat das englische Parlament im Vorjahr grünes Licht gegeben. An das therapeutische Klonen werden große Hoffnungen geknüpft. Mit diesem Verfahren will man Stammzellen (siehe Seite 16) erzeugen, die mit der Erb-information des vorgesehenen Em-pfängers versehen werden. Zu ihrer Fähigkeit, unterschiedliche Zellen des Körpers auszubilden, besitzen diese geklonten Stammzellen die Eigenschaft, vom Körper des Empfängers nicht abgestoßen zu werden. Ein unerschöpfliches Ersatzteillager für menschliche Organe scheint in Reichweite. Dass die Verwirklichung von alle dem noch in weiter Ferne liegt, übersehen die euphorischen Plädoyers für das Klonen allerdings gerne.

Als man im Vorjahr über die Freigabe des therapeutischen Klonens diskutierte, betonten dessen Befürworter, das reproduktive Klonen, also das Erzeugen von menschlichen "Duplikaten", bleibe selbstverständlich "off limits". Ein frommer Wunsch, wie damals schon all jenen klar war, denen die Ankündigung des US-Physikers und Reproduktionsforschers Richard Seeds noch im Ohr klang: Bei nächster Gelegenheit werde er einen Menschen klonen.

Der italienische Arzt Severino Antinori scheint nun ein solches Projekt tatsächlich umzusetzen. In mehreren Pressekonferenzen und mit großem Medienecho kündigte er heuer an, die ersten geklonten Babys würden im nächsten Jahr das Licht der Welt erblicken. Natürlich stellt auch Antinori hehre Motive in die Auslage. Er wolle "Leben retten und Krankheiten heilen", gab er zu Protokoll, und zudem mache er nur, "was Mutter Natur tut".

Bis zu 50 Leihmütter

Dass mit diesem Verfahren Leben nicht gerettet, sondern verschleudert wird, ist offenkundig. Sogar der Vater des Klon-Schafs, Ian Wilmut, warnt eindringlich vor einem solchen Projekt. 277 Fehlversuche habe es vor Dollys Geburt gegeben - und schreckliche Missbildungen. All das werde bei Antinoris Gewaltakt nicht zu vermeiden sein. Insgesamt 400 Eizellen würde man für ein solches Experiment benötigen. Bis zu 50 Leihmütter müssten bereitstehen, um die Klon-Embryonen auszutragen, rechnen Experten vor.

Derzeit ist solches Tun noch in vielen Staaten verboten. Auch das Europa-Parlament sprach sich dagegen aus. Man kann aber davon ausgehen, dass in diesem Bereich die Front der Ablehnung ebenso wie in anderen Bereichen der Biotechnik zusammen-bricht, sobald sich erste Erfolge einstellen. Schließlich wächst ja auch die Zahl jener laufend, die dem reproduktiven Klonen etwas abgewinnen können (siehe Interview Seite 15). Und in einer von 22 prominenten Wissenschaftern unterschriebenen "Erklärung zur Verteidigung des Klonens" ist zu lesen: "Wir sehen die Gefahr, dass die Forschung mit enormem potenziellem Nutzen nur deshalb unterdrückt wird, weil sie mit den religiösen Vorstellungen mancher Leute in Konflikt steht."

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