„Uns steht die Welt offen“

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Journalistin und Co-Autorin Cosima Schmitt erklärt im Interview, warum es ein Buch über die Generation der 20- bis 35-Jährigen braucht: Sie leben viel besser, als ihnen unterstellt wird.

Wir 20- bis 35-Jährigen sind anders und wir können die Welt verändern. Dieser „Schlachtruf“ war Ausgangspunkt für das Buch der beiden Generationen-Mitglieder und Zeit-Redakteure Cosima Schmitt und Manuel J. Hartung „Die netten Jahre sind vorbei – Schöner leben in der Dauerkrise“ (siehe unten).

Furche: Frau Schmitt, braucht Ihre krisengeschüttelte Generation eine Art Aufmunterung?

Cosima Schmitt: Nein, diese Generation braucht keine Aufmunterung, denn sie ist zwar krisengeschüttelt, aber nicht resigniert. Im Gegenteil: Sie ist eine sehr zupackende, optimistische Generation, der die Krise so selbstverständlich geworden ist, dass sie darüber gar nicht mehr jammert. Das Lamentieren haben wir längst hinter uns gelassen. Wir wissen, dass es immer irgendwie weitergeht.

Furche: In der Öffentlichkeit wurde bis dato ein ganz anderes Bild gezeichnet …

Schmitt: Es ist uns wichtig, das Bild, das in der Öffentlichkeit, in den Medien oder manchmal auch von Vertretern dieser Generation gezeichnet wird, zu entkräften. Da gelten wir oft als eine traurige, pessimistische Generation, die nur am Lebenslauf bastelt und in Zukunftsangst erstarrt.

Furche: Was charakterisiert diese Generation und was unterscheidet sie etwa von den im Buch angesprochenen Babyboomern, den Anfang 1960 Geborenen?

Schmitt: Die Babyboomer haben eine ganz andere Prägung, sie haben in der Masse gelebt. Von uns gibt es weniger. Wir sind die oft sehr geschätzten und gehegten Einzel– oder Zweierkinder. Wir haben also ein starkes Bewusstsein für unseren eigenen Wert. Prägend ist aber auch das Wissen, dass wir unseren Weg in einer Situation ständiger Unsicherheit finden müssen. Es gab lange das Gefühl, das auch durch empirische Studien unterfüttert wurde, dass sich die Jungen von Politik und politischem Engagement eher absetzen. Es gibt aber in letzter Zeit eine Repolitisierung der Jungen. NGOs sagen, dass sie massiven Zulauf haben. Im vergangenen Herbst protestierten Hunderttausende gegen das Bachelorstudium. Das sind Zeichen, dass sich die Leute nicht mehr alles gefallen lassen, sie gehen auf die Straße und packen ihr Leben an.

Furche: Es gibt viele Etiketten für diese Generation: Generation Praktikum, Generation Prekär. In Ihrem Buch wehren Sie sich dagegen. Würde Ihnen also eher der Label „Generation Yes we can“ zusagen?

Schmitt: Ja, das wäre ein Vorschlag, weil er etwas von Aufbruch beinhaltet. Andere Labels haben oft mit Kommunikationsmedien zu tun (Generation Facebook, MTV usw.). Sie werden meist von Älteren gesetzt, die versuchen, eine ihnen fremd gewordene Jugend zu begreifen. Sie verkennen, wie vielfältig wir sind.

Furche: Im Buch lautet der Schlusssatz: Unsere Generation hat alle Freiheit der Welt, neue Wege zu erproben. In einer Gesellschaft, in der alle Gewissheiten nicht mehr gelten, ist Raum für uns, unsere Ideen, unsere Wünsche. Wir sind vom Glück begünstigt. Wir müssen nur zugreifen.

Schmitt: Wir kennen die Debatte um eine Generation Praktikum, wir wissen, dass wir in einem Betrieb nicht mehr die Goldene Dienstnadel bekommen und kein unendliches Vermögen anhäufen werden. Daher setzen wir andere Werte. Beruf ist schon wichtig, aber es gibt noch andere: Freundschaft, Hobbys, gesellschaftliches Engagement. Wir haben die Möglichkeit, die Welt zu verändern, und sollten es daher auch tun. Unser Appell lautet: Leute, uns steht die Welt offen, packt an.

Furche: Viele fragen sich, was hilft es, sich bei einer NGO zu engagieren, wenn man es nicht schafft, seine Miete zu bezahlen.

Schmitt: Das eine schließt das andere nicht aus. Natürlich ist es wichtig, materiell abgesichert zu sein und nicht sein Leben lang in befristeten Verträgen festzuhängen und sich keine eigene Existenz aufbauen zu können. Aber es ist auch wichtig für uns, dass wir uns Werte erhalten und pflegen, die außerhalb der Berufswelt stattfinden. Gerade weil wir die soziale Anerkennung, die mit dem Beruf verbunden ist, nicht mehr unbedingt erhalten, ist es wichtig, dass wir das, was einen im Leben glücklich macht, nicht nur mehr im Beruf suchen, sondern mehrere Quellen haben.

Furche: Man hat aber den Eindruck, dass viele froh sind, überhaupt einen Job zu haben. Oder würden Sie sagen: Schluss mit dem Hinnehmen, wir müssen was verändern!

Schmitt: Natürlich sollen wir etwas verändern, wie das etwa der Verein Fairwork versucht, der im Buch vorgestellt wird. Wir sagen: Geht zu NGOs, schließt euch zusammen, nehmt die Dinge nicht so hin, wie sie sind. Gerade weil wir bei allem, was uns eingeredet wird, nie vergessen sollten: Wir sind wahnsinnig wichtig für den Arbeitsmarkt. Firmen brauchen unser Wissen, unser Können, ohne unsere Beiträge bricht das Sozialsystem zusammen.

Furche: Noch sitzen die Babyboomer an den Schalthebeln der Macht. Man gewinnt im Buch den Eindruck, dass die Babyboomer die Buhmänner und -frauen sind. Stimmt das?

Schmitt: Sie sind nicht durch ihr Verhalten die Buhmänner; es sind meistens nette Menschen, die einem beim Praktikum gleich das Du-Wort anbieten. Sie sind eine Gefahr durch ihre bloße Masse. Sie können, wenn sie älter sind, das Rentensystem zum Kollaps bringen.

Furche: Das klingt nach einem Generationenkonflikt.

Schmitt: Ja, eindeutig. Es ist ein Generationenkonflikt um Ressourcen und ums Geld. Daher appellieren wir an unsere Generation, aufzuschreien und aktiv zu werden.

Furche: Wie schätzen Sie die Lage für die nachfolgende Generation ein?

Schmitt Es gibt erste sachte Anzeichen, dass sich die Stimmung wandelt, dass sich das Symptom der Dauerkrise etwas abschwächen könnte. Es ist so normal geworden ist, dass es Krisen gibt, dass man gar nicht mehr darüber redet. Und die demografische Entwicklung arbeitet für uns. Irgendwann gibt es nicht mehr genügend von den Älteren, dann haben wir Jüngeren wieder mehr Chancen.

* Das Gespräch führte Regine Bogensberger

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