"Unseren Markt für die Ärmsten öffnen"

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Landwirtschaftsminister Josef Pröll verteidigt die EU-Agrarsubventionen gegen die Vorwürfe von Seiten der Entwicklungshilfe.

Die Furche: Herr Minister, wenn Europa und die usa weiterhin ihre Landwirtschaften so stark subventionieren, verpuffen die meisten positiven Auswirkungen der Entwicklungshilfe und die Millenniums-Entwicklungsziele sind nicht zu erreichen.

Josef Pröll: Ich kenne die Vorwürfe, aber die europäische Agrarpolitik reformiert die Landwirtschaft wie keinen anderen Gesellschaftssektor in Europa. Die europäischen Bauern haben enorme Antworten geben müssen - auch durch die Hinorientierung zu stärkerer Umweltleistung. Wir geben ja 60 Prozent unserer Subventionen für umweltbezogene Ausgleichzahlungen und nicht für Direktzahlungen.

Die Furche: Der Bericht über die menschliche Entwicklung 2005 nennt den dramatischen Vergleich, dass die reichen Länder etwas mehr als eine Milliarde us-Dollar im Jahr als Landwirtschaftshilfe an arme Länder geben, aber knapp eine Milliarde Dollar am Tag (!) zur Subventionierung landwirtschaftlicher Überproduktion in den eigenen Ländern.

Pröll: Aber so kann es auch nicht sein, dass wir in Europa die Agrarsubventionen zurückfahren und Ländern wie Brasilien, die ohne soziale und ökologische Kriterien auf Teufel komm raus Agrarprodukte herstellen, dann den Markt überlassen. Damit würden wir bei uns eine Agrarwüste produzieren, die gefüllt wird von Agrarprodukten, wie wir sie nicht haben wollen.

Die Furche: Ein besonders krasses Beispiel, wo die Agrarpolitik der Europäischen Union schwere Schäden anrichtet, ist der Weltmarkt für Zucker.

Pröll: Die eu hat darauf reagiert und ist eine Zuckerreform angegangen. Da haben uns die Vertreter der ärmsten Länder der Welt in Brüssel gesagt: Ihr seid falsch unterwegs, ihr öffnet mit eurer Reform nicht uns, den Ärmsten der Welt die Märkte, sondern dieser Bedarf wird mit Zucker aus Brasilien aufgefüllt, und wir machen wieder kein Geschäft - also bitte anders reformieren.

Die Furche: Wie anders?

Pröll: Mit einer klugen, marktbezogenen Quoten- und Preispolitik Europas. Wieviel darf von welchen ärmsten Ländern auf den europäischen Markt? Denn das, was die wto oder manche Liberalisten wollen, ungehemmt den Markt aufzumachen, nützt allein der Agrarindustrie, weil die auf Hundertausenden Hektaren extrem wettbewerbsfähig ist. Würde Europa die Märkte explosionsartig öffnen, würde die Agrarindustrie mit ihren Produkten hereinströmen, und die Ärmsten wären von einem Tag auf den anderen vom Markt gefegt. Wir müssen eine Philosophie verfolgen, die heißt: In Europa stark auf umweltbezogene, ökologische Maßnahmen setzen - das tun wir: ländliche Entwicklung, weg von der Direktsubvention hin zu ökologischen Programmen. Gleichzeitig müssen wir unseren Markt schrittweise öffnen und zwar so, dass jene, die es brauchen, zum Zug kommen. Der vollkommen liberalisierte Welthandel im Agrarbereich hilft nämlich nur der Agrarindustrie und den klassischen Schwellenländern wie Argentinien, Brasilien, aber nicht den ärmsten Ländern der Welt.

Das Gespräch führten

Wolfgang Machreich und

Rudolf Mitlöhner.

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