Untergriffe und Gemeinheiten

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Jene prekäre Phase des Gemeinwesens, die man gewöhnlich als Wahlkampf bezeichnet, geht ihrem Ende zu. In dieser Zeit werben Parteien und Kandidaten um Wählerstimmen, sie präsentieren Programme, Werte, Kompetenzen und Visionen, sie zeigen sich von ihrer besten Seite, mit ihren besten Argumenten, mit ihren besten Vorschlägen. Natürlich ist das ein Witz. In der Realität ist alles anders. Wahlkampf ist die Zeit verminderter politischer Zurechnungsfähigkeit. Die Wählerschaft weiß vom Ausnahmezustand und nimmt nicht ganz ernst, was gesagt wird. Und gesagt wird viel, gerade in diesem Wahlkampf gab es eine Flut von Auftritten in den elektronischen Medien.

Verschiedenes, was man zu sehen und zu hören bekam, verursacht Magendrücken: diese und jene illusionären Vorschläge, ein paar Dummheiten, der Mangel an den großen Themen. Aber auch der vorherrschende Stil ist schwer zu verdauen. Gemeint ist jene Schienbein-Treterei, die in diesem Land als politischer Diskurs missverstanden wird. Am schlimmsten das Bierzeltgejohle-Niveau, aus dem sich der eine oder andere gar nicht entfernen will. Dann aber auch die miesen Untergriffe. Und die kleinen Gemeinheiten. Was den Eindruck immer mehr bestärkt, dass keiner ein Interesse an einer Problemlösung hat, sondern nur am beifallsheischenden Sager oder an der Anschwärzerei des Gegners.

Freilich, es ist Wahlkampf, und die Politik ist keine Kinderstube - oder doch, natürlich ist sie es. Längst können auch viele Journalisten nicht mehr zwischen Diskurs und Kuschelkurs unterscheiden. Aber wenn man sich die Diskussion zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück angesehen hat, dann weiß man, dass der große Bruder - auch stilistisch - in einer anderen Liga spielt. Es verhält sich ungefähr so wie im deutschen und österreichischen Fußball.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz

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