"Väter fühlen sich oft chancenlos!"

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Gerhard Amendt, Direktor des Instituts für Geschlechter- und Generationenforschung an der Uni Bremen und Autor einer Studie über Scheidungsväter, im Interview.

Die Furche: In Ihrer Scheidungsväter-Studie kommen Sie zur Erkenntnis, dass sich Väter bei Obsorgestreitigkeiten oft benachteiligt fühlen. Inwiefern?

Gerhard Amendt: Wir haben insgesamt 3.600 Väter befragt, rund zehn Prozent davon aus Österreich. Das Problem ist, dass von vielen Richtern noch nicht praktiziert wird, was das Gesetz vorschreibt: Nämlich dass für die Obsorge eines Kindes beide Eltern zuständig und unersetzbar sind. Es herrscht oft noch die Vorstellung vor: Mama ist die beste, egal ob sie dem Vater die Kinder vorenthält oder nicht. Viele Richter geben der Mutter zwar Entscheidungen für den Umgang der Kinder mit dem Vater vor, aber wenn sie sich nicht daran hält, sagen sie, da können wir nichts machen. Sie geben sich machtlos, obwohl sie das vom Gesetz her nicht sind. Wir haben auch gemerkt, dass gerade Scheidungsväter aus den unteren sozialen Schichten mit den Jugendämtern große Probleme haben. Sie sagen: "Wir begegnen dort - vor allem bei den Frauen - einer Einstellung, wonach die eh wissen, was für uns gut ist, und dass die Mama eh die beste ist." Die fühlen sich oft chancenlos!

Die Furche: Wird Ihrer Erfahrung nach der Wunsch der Kinder von den Richtern ausreichend berücksichtigt?

Amendt: Das Problem ist, dass in aller Regel angenommen wird, dass die Eltern wissen, was für die Kinder gut ist. Die neue Perspektive im Recht sagt, dass die Kinder beide Eltern brauchen. Es kann nicht sein, dass der eine zum anderen sagt: Lass mich nur machen, zahl du nur! Viele Väter haben nach langen Auseinandersetzungen gesagt: Ich habe die Beziehung zu den Kindern aufgegeben, weil ich dachte, es sei so besser fürs Kind. Das stimmt aber nicht. Die Kinder brauchen beide Eltern. Und wenn die Eltern nicht vernünftig miteinander reden können, dann sollten sie als Geschiedene zur Beratung oder einer Therapie verpflichtet werden, damit sie wieder elterntauglich werden. Wenn wir sehen, welche Probleme Kinder nach Scheidungen haben, dann ist es geradezu eine gesellschaftliche Aufgabe, dieses Beschädigtenpotenzial zu schmälern. Die unsägliche Frage "Zu wem möchtest du denn lieber - zu Mama oder Papa?" ist kinderfeindlich, weil sie voraussetzt, dass das Kind einen Elternteil über die Klinge springen lassen muss. Das schafft kein Kind, ohne sich zu beschädigen.

Die Furche: Was halten Sie davon, Kinderanwälte zu bestellen?

Amendt: Ich meine, dass die gesamten Scheidungsabwicklungen aus den Händen der Rechtsanwälte herausgenommen werden sollten. Nicht weil Rechtsanwälte böse Menschen oder unqualifiziert sind, sondern weil der Beruf grundsätzlich auf eine Gewinn-Verlust-Rechnung abgestellt ist: Beide Anwälte wollen, dass ihr Mandant siegt. Aber wenn der eine siegt, muss der andere verlieren. Das ist nicht die Logik, nach der Kindesbelange in der Scheidung geklärt werden können. Auch Familiengerichte sind der falsche Ort für Klärungen.

Die Furche: Wo sollten Scheidungen dann geklärt werden?

Amendt: Man müsste vorab Verfahren institutionalisieren, wo Eltern, die sich nicht einigen wollen, Auflagen gemacht werden, wie sie ihre Vereinbarung im Interesse ihrer Kinder treffen müssen. Das kann zum Schluss notariell festgehalten werden. In Baden-Württemberg will man Scheidungen grundsätzlich von den Gerichten abziehen und Rechtspflegern übergeben, um Kosten zu sparen. Entscheidend ist aber, dass im Interesse der Kinder nicht Personen beauftragt werden, die es zwar gut meinen, aber auf Grund ihrer Qualifikationen nicht gut können.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Nähere Infos unter

www.vaeterstudie.de

BUCHTIPP:

SCHEIDUNGSVÄTER

Von Gerhard Amendt. Band 6 der Schriftenreihe des Instituts für Geschlechter- und Generationenforschung. Bremen 2004. 238 Seiten, geb., e 21,50

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