Verharmlosung des Ehebruchs?

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In letzter Zeit ist durch die Medien eine verschlüsselte Botschaft gegangen. In Österreich sei daran gedacht, "den Ehebruch abzuschaffen". Man mußte den Eindruck gewinnen, er würde damit seiner "Unanständigkeit" entkleidet. Wie steht es damit?

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In letzter Zeit ist durch die Medien eine verschlüsselte Botschaft gegangen. In Österreich sei daran gedacht, "den Ehebruch abzuschaffen". Man mußte den Eindruck gewinnen, er würde damit seiner "Unanständigkeit" entkleidet. Wie steht es damit?

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Die Strafbarkeit des Ehebruchs war schon vor einiger Zeit aufgehoben worden. Auch damals hatte es heftige Diskussionen gegeben. Hat die Gesellschaft wirklich keinen Anspruch oder kein Interesse daran, den Ehebruch zu pönalisieren? Ist ein solcher Verstoß gegen die eheliche Treue nur im privaten Bereich anzusiedeln und erst bei Scheidung von Bedeutung?

In der Tat weint seither niemand mehr der Strafbarkeit des Ehebruchs nach. Und nun soll ihm auch die Bedeutung als Scheidungsgrund genommen werden?

Im geltenden österreichischen Ehegesetz, nämlich in seinem § 49, gibt es eine allgemeine Verschuldensklausel, nämlich die der "Eheverfehlung". Dieser allgemeine Scheidungsgrund wird noch ergänzt durch zwei spezielle, nämlich Ehebruch und Verweigerung der Fortpflanzung.

Tatsächlich gibt es im Justizministerium Tendenzen, die darauf hinauslaufen, diese beiden "besonderen" Verschuldensgründe aus dem Ehegesetz herauszunehmen. Damit wird aber der Ehebruch als Verschuldensgrund nicht einfach "abgeschafft". Er wird nur als spezieller Ehescheidungsgrund in die Generalklausel des § 49 integriert und verliert damit seine "absolute Wirkung".

Bisher galt eine Ehe, wenn der Ehebruch nachgewiesen war, automatisch und ohne nähere Prüfung als zerrüttet und damit scheidungswürdig. Dem schuldigen Teil gelang es in der Regel nicht nachzuweisen, daß dadurch die Ehe nicht wirklich zerrüttet worden wäre, es sei denn, der "verletzte Teil" hätte ihm ausdrücklich verziehen. Nunmehr soll dieser Scheidungsgrund des Ehebruchs "relativiert" werden. Er soll im Scheidungsrecht nur dann Bedeutung haben, wenn er nachgewiesenermaßen die Ehe zerrüttet hat.

Der neue Gesetzesentwurf beabsichtigt nicht, den Ehebruch zu verharmlosen, ihn sozusagen als angenehme Abwechslung im Ehealltag zu bagatellisieren oder gar als "Starthilfe" für einen Wiederaufbau der ehelichen Gemeinschaft hochzustilisieren. Dem Ehebruch soll nach wie vor dann Gewicht zukommen, wenn er eine echte Zerrüttung bewirkt hat.

Und was ist mit der moralbildenden Kraft der Gesetze? Wird im allgemeinen nicht das als schlecht angesehen, was das Gesetz verbietet, und das als gut oder zumindest neutral, was nicht unter staatlicher Sanktion steht? Wird mit der Abschaffung des Ehebruches als absolutem Scheidungsgrund nicht der sexuellen Freizügigkeit in der Ehe von Staats wegen das Wort geredet? Hat denn der Staat kein Interesse mehr, daß die eheliche Treue hochgehalten wird? Das Gesetz ist doch der Bruder der Moral und damit der Vollstrecker ethischer Grundsätze? Wird die alleingelassene Moral damit nicht zum zahnlosen gesellschaftlichen Stabilisierungstiger?

Nun, was sagt die Moraltheologie dazu?

Pius XII. hat 1954 in diesem Zusammenhang folgenden Satz geprägt: "Es mangelt nicht an solchen, die glauben, daß alles, was die staatlichen Gesetze gestatten oder wenigstens nicht bestrafen, ihnen auch nach dem Sittengesetz erlaubt sei." Dem steht die Tatsache entgegen, daß Gesetz und Moral sich nicht decken müssen. Pater Bernhard Häring (berühmter Professor für Moraltheologie) schreibt in diesem Zusammenhang: Das Gesetz könne im Grunde fast nur den Raum garantieren, in dem die Einzelnen und die Gemeinschaften den Sinn für verantwortungsvollen Gebrauch der Freiheit entfalten können. Nach seiner Meinung wäre es ein Verhängnis zu meinen, dem Allgemeinwohl sei am besten durch den Versuch gedient, Wertbewußtsein durch die Strafgesetzgebung zu erzwingen. Demnach sollte das staatliche Strafrecht nur jene Verstöße ahnden, deren Sozialschädlichkeit von einem entscheidenden Teil der Bevölkerung anerkannt wird. Hier muß man sich bereits die Frage stellen, ob der Ehebruch in unserer Gesellschaft noch einen so zentralen Stellenwert hat, daß in der Meinung der Leute jeder Ehebruch bereits das Ende der Ehe bedeuten muß.

Häring meint weiter: "Der Jünger Christi wird seinen Gatten, der schwer gegen die Treue gesündigt hat, nicht verlassen, sondern nach dem Abbild Gottes alles tun, um ihn für Liebe und Treue zurückzugewinnen." Ist damit nicht auch in der Moral der Ehebruch relativiert? Wird damit die Partnerschaft nicht als heilbar bezeichnet, selbst wenn einer von beiden "gegen die Treue gesündigt hat"? Häring führt weiter aus: "Weigert sich jemand zu vergeben und zu heilen, dann kann der Schmerz über das zerbrochene Treueverhältnis selbstzerstörerisch werden und zur Katastrophe führen." Geht die Moral hier nicht sogar noch weiter, bis hin zur Verpflichtung, dem anderen - wenn er Verzeihung erbittet - diese Verzeihung und damit die Chance einer Neubelebung der Partnerschaft zu gewähren?

Im vorliegenden Entwurf wird der dem Verletzten die Möglichkeit geboten, selbst zu entscheiden, welchen Stellenwert sie/er im konkreten Fall dem Ehebruch für ihr/sein Empfinden und für die Partnerschaft einräumt. Schon im geltenden Recht bestand die Möglichkeit, den Ehebruch im konkreten Fall zu relativieren. Hat doch derjenige "kein Recht auf Scheidung, wenn er dem Ehebruch zugestimmt oder ihn durch sein Verhalten absichtlich ermöglicht oder erleichtert hat".

Nun gibt es darüber hinaus noch zahlreiche andere Gründe, welche dem Ehebruch im konkreten Fall relativierende Wirkung zubilligen. Dies wird von Fall zu Fall verschieden sein. Vor allem aber kommt es darauf an, wie der verletzte Partner den Verstoß für sich und für die Zukunft der Partnerschaft einstuft und darauf reagiert.

Alles in allem will dieser Entwurf ganz offensichtlich den verletzten Partner dazu anhalten, selbst kritisch, verantwortungsbewußt, die Zukunft der Partnerschaft und der Kinder ins Auge fassend, zu entscheiden, welche Bedeutung dem nun einmal passierten Verstoß gegen die Treue zukommt.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen.

Zum Thema: Ehebruch im Ausland In Frankreich, Belgien, Norwegen und Dänemark gibt es nach wie vor die Verschuldensscheidung neben der Scheidung aus objektiven Gründen. Die Verschuldensscheidung kennt man nicht mehr in Schweden, Finnland, Deutschland und England.

In den modernen Scheidungsgesetzen, also in jenen, die erst in letzter Zeit erlassen wurden, kann ein Ehegatte in der Regel nach Ablauf einer kürzeren oder längeren Trennungszeit ohne weiteres und ohne Verschuldensbehauptung die Scheidung verlangen. Allerdings wird die dadurch bewirkte Härte mit Härteklauseln gemildert. Ein Gatte kann sich demnach der Scheidung widersetzen, wenn dies für ihn mit einer außerordentlichen Härte verbunden wäre. Solche Klauseln kennen Frankreich, Deutschland und England ebenso wie Österreich.

Die einvernehmliche Scheidung (also ohne Verschuldensausspruch) ist geltendes Recht im österreichischen, im französischen, belgischen, deutschen, englischen, dänischen, schwedischen, finnischen, italienischen und niederländischen Recht. In gewissen Rechtsbereichen gibt es Auflagen ("Kautelen"), welche eine übereilte oder unüberlegte Scheidung verhindern sollen. Mit Hilfe solcher Kautelen hat das Gericht die Möglichkeit, sich unmittelbar davon zu überzeugen, ob die Ehe wirklich zerrüttet ist.

Das deutsche Recht sieht vor, daß das endgültige Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet wird, wenn beide Ehegatten mit der Scheidung einverstanden und mindestens seit einem Jahr getrennt sind. Widersetzt sich hingegen ein Ehegatte, muß die Trennung mindestens drei Jahre gedauert haben. Ähnliche Bestimmungen gelten in England und in Schweden.

Unübersehbar bei allen Novellierungsversuchen ist die Tendenz, das Verschuldensprinzip zugunsten des Zerrüttungsprinzips zurückzudämmen. Damit wird in all diesen Bereichen der Ehebruch in die private Verantwortung, Rechtfertigung und Würdigung zurück- und aus dem öffentlichen Blickfeld herausgeschoben.

Die vorgesehene Novellierung (ob sie nun Gesetz wird oder nicht) verliert damit ihre Dramatik und entspricht so weitgehend den gesellschaftlichen Vorstellungen: Der Ehebruch bleibt ein unübersehbares Signal, befremdendes Zeichen von Einander-fremd-Werden, aber nicht unbedingt ein hoffnungsloses Untergangssymptom.

Für nachdenkliche und gutwillige Menschen kann er Anlaß sein, mit Hilfe einer Paarberatung Heilung und Neuaufbruch zu finden. P. L.

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