Verstecktes Körberlgeld

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Preis-Schnüffler der Arbeiterkammer sind unterwegs, um zu verhindern, dass die Konsumenten bei der Umstellung auf Euro draufzahlen.

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Preis-Schnüffler der Arbeiterkammer sind unterwegs, um zu verhindern, dass die Konsumenten bei der Umstellung auf Euro draufzahlen.

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Ich hab nur geschaut", sagt die Frau zur Kassiererin, drängelt sich an den vollen Wagerln vorbei und verlässt den Supermarkt. Das Schaun ist von nun an ihr Job. Bis weit in das nächste Jahr hinein wird sie durch Regalreihen kurven und listenweise Preisetiketten abschreiben. Sie ist Konsumentenschützerin von der Arbeiterkammer. "Wir haben schon 1999 mit den Kontrollen begonnen", sagt ihr Chef, Harald Glatz. Dadurch kann die Preisentwicklung noch genauer zurückverfolgt werden. Im Visier der Preis-Schnüffler sind nicht nur Supermärkte sondern auch Drogerien, Handwerker, Elektrohändler und die öffentliche Verwaltung. Alles was der Haushalt so braucht - von der Waschmaschine bis zum Brot, vom Parkschein bis zum Installateur - steht derzeit unter Beobachtung. Die Konsumenten selbst sind verunsichert. Bei einer von einem deutschen Magazin in Auftrag gegebenen Studie äußerten 70 Prozent der Bevölkerung die Befürchtung, dass die Unternehmer die Gelegenheit für Preiserhöhungen nutzen werden.

Die erste Teuerungswelle wurde in der Tat bereits entdeckt. Im Februar, März und April beobachteten die Kontrolleure eine Anhebung der Preise für Milch, Zucker und Mehl um fünf bis zehn Prozent. Zumindest die Zuckerindustrie rechtfertigte sich mit dem durch die BSE-Krise angespannten Markt, sagt Glatz. Doch auch für Klopapier müssen die Konsumenten tiefer in die Tasche greifen. Schuld sind die angeblich gestiegenen Rohstoffpreise. Ohne nähere Begründung haben einige Gemeinden wie Baden die Parkgebühren angehoben.

Auf Glücksspiel-Freunde kommt eine ähnliche Teuerungswelle zu. Während das kurze Vergnügen am Einarmigen Bandit bisher zumeist zehn Schilling verschlungen hat, muss künftig wohl ein Euro, also 13,76 Schilling, eingeworfen werden. Gleiches blüht den Konsumenten wohl auch im Alles-für-zehn-Schilling-Shop. Der Lokalmatador unter den Automatenbetreibern, Ferry Ebert, hat bereits eine Preisanhebung angekündigt. Künftig will er für Kondome zwei Euro verlangen. Das entspricht einer Erhöhung von 20 auf 27,52 Schilling. Dafür sollen Zuckerln billiger werden, verspricht er.

Staatlich regulieren Sollte die Tendenz anhalten, gibt das Preisanpassungsgesetz Wirtschaftsminister Martin Bartenstein weitreichende Ermächtigungen. Werden Preise ungerechtfertigt nach oben angepasst, kann der Minister für sechs Monate die Preise regulieren. Nationalbank-Chef Klaus Liebscher wiederum geht eher davon aus, dass die Konkurrenz im Handel dazu führen wird, dass die Preise sinken. Die Lebensmittelkette Spar ist mit einer Abrundungsgarantie vorgeprescht - steht damit allerdings weitgehend alleine da. Kein Wunder: 40.000 Artikel sollen billiger werden. Kostenpunkt 100 Millionen Schilling. Im öffentlichen Bereich geben sich Innenminister Ernst Strasser und Karl Skyba von den Wiener Stadtwerken als Vorbild. Die mildeste Organstrafe kostet mit 21 Euro nur mehr 289 statt bisher 300 Schilling. Und eine Fahrt mit der Bim oder der U-Bahn in der Bundeshauptstatt kostet mit 1,30 Euro nur mehr 17,89 statt 19 Schilling.

Das Misstrauen in der Bevölkerung bleibt dennoch. Laut jüngster Internet-Umfrage von Mummert+Partner glauben 70 Prozent der Menschen, dass die Euroumstellung auf ihre Rechnung geht. Eingerechnet wurden sämtliche für den Staat und die Unternehmen anfallenden Kosten. Es eine einmalige Mehrbelastung pro Nase von 3.360 Schilling. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten sieht dafür aber bleibende Vorteile wie die leichtere Vergleichbarkeit von Produkten auch im Ausland und den Wegfall von Wechselspesen.

"Wir werden das genau weiterverfolgen", verspricht Konsumentenschützer Glatz. Auch die Regierungsspitze lässt momentan keine Gelegenheit aus, den Handel zu warnen. "Die Bundesregierung gibt die Garantie ab, dass es keine versteckten Preiserhöhungen geben und kein Kunde über den Tisch gezogen wird", sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Und Finanzminister Karl-Heinz Grasser wiederholt mittlerweile gebetsmühlenartig: "Weder im privaten noch im öffentlichen Sektor dürfen umstellungsbedingt Preise, Tarife, Steuern und Gebühren nach oben verändert werden." Es dürfe kein Körberlgeld geben. Hier sei die Regierung kompromisslos. Bei "Umrechnungsfehlern" drohen empfindliche Verwaltungsstrafen, lässt Justiz- und Konsumentenschutzminister Dieter Böhmdorfer ausrichten, der die Situation selbst mit "Besorgnis und erhöhter Aufmerksamkeit" verfolgen will.

Der Handel steht damit in den verbleibenden Wochen bis zur doppelten Preisauszeichnung ab 1. Oktober und schließlich der tatsächlichen Einführung des Euro-Bargeldes mit 1. Jänner 2001 unter enormem Druck. Es ist nicht nur die technische Umrüstung von Kassen- und Computersystemen, die den Managern Schweißperlen auf die Stirn treibt. Es ist vor allem die Suche nach neuen, verlockenden Schwellenpreisen, die Marketingstrategen und Kostenrechnern den Schlaf raubt. Das Problem: Bei dem komplizierten Umrechnungskurs von 13,7603 Schilling für einen Euro geht es sich so gut wie nie aus, die heute so oft gesehenen Preise von 9,90 Schilling, 14,90 Schilling oder 99 Schilling zu kalkulieren. Statt dessen kommen unrunde 0,72, 1,08 oder 7,2 Euro heraus. Ob die Konsumenten da genauso gerne zugreifen werden?

Listige Methoden Vermutlich nicht. Daher müssen neue, attraktive Preise gefunden werden, die aber entweder etwas unter oder etwas über den heutigen liegen. Für den Handel bedeutet das ein Jonglieren zwischen dem Kürzen von ohnehin knappen Spannen und leichtem Verteuern, was möglicherweise die Preiskommission alarmiert. Leichte Anpassungen wie beim Milch, Zucker, Klopapier finden halt schon jetzt statt. "Wichtig ist, dass es unterm Strich für die Konsumenten keine Mehrbelastung gibt", sagt Konsumentenschützer Glatz. Daher werde es vor allem Vorher-Nachher-Vergleiche eines Warenkorbes geben.

Wie wichtig Schwellenpreise bisher waren geht aus einer Studie von Kreutzer, Fischer & Partner hervor. Demnach ist die Preisstruktur im Lebensmittelhandel von Preisen um die 20 Schilling und weniger geprägt. Der mit Abstand häufigste Preis ist 9,90 Schilling. Jeder elfte Artikel geht damit über den Ladentisch. Mehr als 80 Prozent der Einkaufspreise haben 90 Groschen nach dem Komma. Die Marktforscher haben neue Schwellenpreise angenommen etwa 0,69 Euro statt 0,72 Euro für die jetzt so geläufigen 9,90 Schilling, 0,55 statt 0,57 Euro für die bisherigen 7,90 Schilling oder 0,89 statt 0,94 für bisher 12,90 Schilling. In Summe ergibt die Rundung der häufigsten Preise auf die neuen angenommenen Schwellenpreise eine Preisreduktion von vier Prozent.

Allerdings berücksichtigt die Studie nach eigenen Angaben nicht die listige Methode des Handels - nämlich erst verteuern, dann verbilligen. Diese "Glättung nach oben" findet wenn, dann jetzt im Sommer statt. Denn mit der doppelten Preisauszeichnung am 1. Oktober kann nicht mehr still und leise an der Preisschraube gedreht werden.

Die Autorin ist Wirtschaftsredakteurin der Tageszeitung "Die Presse".

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