Verzweiflung, die in gewalt umschlägt

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Riesige Gold- und Kupfervorkommen auf den Südseeinseln Neuguinea und Bougainville ziehen seit Jahrzehnten Bergbaumultis an – Bürgerkriege und Umweltzerstörung als Folge.

Ein Fluch liegt über einigen Inseln im Südpazifik – der Ressourcenfluch. Der Begriff bezeichnet die negativen Folgen, die der Reichtum an natürlichen Rohstoffen für ein Land und seine Bevölkerung haben kann. Lange wurde angenommen, dass Edelmetalle oder Erdöl und andere Bodenschätzen ein Segen für ein Land seien, Entwicklung und Wohlstand von selbst garantieren. Die Vorstellung, dass es sich hierbei auch um einen Fluch handeln könnte, tauchte erst in den 1980er-Jahren auf, als man das Paradoxon untersuchte, warum das Wirtschaftswachstum in Ländern mit reichen Vorkommen an mineralischen und fossilen Rohstoffen in der Regel geringer ist als in rohstoffarmen Ländern.

In die 1980er-Jahre reichen auch die Wurzeln des Bürgerkriegs in Bougainville zurück. Benannt nach einem französischen Weltumsegler ist die Pazifikinsel von der Größe des Bundeslands Salzburg seit 2001 eine autonome Provinz von Papua-Neuguinea. Bis es zu dieser Autonomie gekommen ist, tobte jedoch unbeachtet von der Weltöffentlichkeit ein zehnjähriger Dschungelkrieg. Laut Expertenmeinungen der längste und blutigste Gewaltkonflikt im Südpazifik nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ursache des Konflikts war der Kupferreichtum der Insel. „Der Minenbetrieb hat den Bürgerkrieg ausgelöst. Die Bougainviller hatten das Gefühl, nicht mehr Herren im eigenen Land zu sein“, fasst Andreas Siedersleben die Motivation für den gewalttätigen Widerstand auf der Südseeinsel zusammen. Entsandt von der österreichischen Organisation für Entwicklungszusammenarbeit „Horizont 3000“ arbeitet der Deutsche seit über 15 Jahren als Entwicklungshelfer in der Region. Seit dem Waffenstillstand 1998 und dem Friedensabkommen mit Papua-Neuguinea sowie der Autonomiegewährung für Bougainville 2001 engagiert sich der Oberfranke am Aufbau des Berufsschulwesens auf der Insel. Dazu gehören neben einer adäquaten Infrastruktur und ausreichenden finanziellen Mitteln die Optimierung der organisatorischen Abläufe für eine effektive Arbeit der Schulbehörde.

Bergbau hat der Insel keine Profit gebracht

Siedersleben sieht seine „internationale Vernetzung, besonders in die EU“ als weiteren Vorteil, den er auf der Insel einbringen kann. Und der Tischlermeister und Betriebswirt nennt sich auch ein Korrektiv für die in der Region vorherrschenden Clanwirtschaften: „Das Clandenken ist nicht immer schlecht, aber es hat auch Nachteile. Denn geht es nach den Interessen der Clans, dann wird eine Schule dort gebaut, wo sie der jeweiligen Gruppe nützt – ich denke aber an den Nutzen für Bougainville insgesamt.“

Mit seiner und anderer Entwicklungsarbeit ist Siedersleben überzeugt, einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau von nachhaltiger und zukunftsträchtiger Wirtschaft auf der Insel zu leisten. Im Unterschied zum Bergbau der vergangenen Zeit, der den Inselbewohnern nur Nachteile gebracht hat, während die riesigen Gewinne aus dem Kupferbergbau woandershin gegangen sind.

Die Panguna-Mine auf Bougainville war einmal die größte Kupfermine der Welt, betrieben von einem australisch-britischen Bergbaumulti. Die Regierung von Papua-Neuguinea, zu dem Bougainville früher staatsrechtlich gehörte, befürwortete das Minenprojekt enthusiastisch. Verständlicherweise, ging doch ein Teil der Profite an die politische Klasse in der Hauptstadt von Papua-Neuguinea, Port Moresby.

Die Menschen im Minengebiet hingegen waren mit einer ökologischen und sozialen Katastrophe konfrontiert. Es kam zu großen Zerstörungen des Regenwalds, Flüsse und Seen wurden vergiftet. Damit verlor die lokale Bevölkerung, die von der Subsistenzlandwirtschaft und dem Anbau von Kakao und Kopra lebte, ihre Existenzgrundlage. Mehr noch: Ihre gesamte traditionelle Lebensweise geriet unter Druck, schreibt der auf den südpazifischen Raum spezialisierte Hamburger Sozialwissenschafter Volker Böge. Land ist in den traditionellen melanesischen Gemeinschaften keine Ware wie in der westlichen Vorstellung, so Böge. Das Land „gehört“ vielmehr der gesamten Familie. Dazu gehören auch die Ahnen und die noch nicht geborenen Generationen. Der Bergbaumulti, klagt Böge, „ist im wahrsten Sinne des Wortes bulldozermäßig über diese Vorstellungen von Land und das Land selbst hinweggegangen“.

Im Laufe des Krieges erzwangen die Rebellen von Bougainville die Stilllegung der Mine. Bemühungen seit dem Friedensschluss, sie wieder in Betrieb zu nehmen, scheitern immer wieder. Daneben sind Prozesse über milliardenschwere Entschädigungsforderungen an die Inselbewohner anhängig – mit wenig Aussicht auf Erfolg.

Der Ressourcenfluch zieht weiter

Doch während der über Bougainville hereingebrochene Ressourcenfluch seine Macht (vorläufig) verloren hat, ist er nur wenige hundert Seemeilen entfernt stark wie eh und je. Die Grasberg-Mine ist die größte Goldmine und die Kupfermine mit den niedrigsten Förderkosten der Welt, heißt es in der Wikipedia-Enzyklopädie. Sie liegt in dem zu Indonesien gehörenden West-Papua und wird vom US-Bergbauunternehmen Freeport-McMoRan betrieben. „Sie ist Quelle des größten Reichtums und zugleich der größten Langzeitumweltzerstörung in West-Papua und Indonesien“, schreibt Wikipedia. Siedersleben bestätigt: „Mit dieser Mine wurde die Region mit einem Schlag von der Steinzeit ins 21. Jahrhundert katapultiert – inklusive verheerender Auswirkungen für Umwelt wie Menschen zugleich.“

Neben dem ökologischen wie sozialen Desaster, das Grasberg verursacht, ist der Bergbau Anlass für Attacken der Befreiungsbewegung Freies Papua. Am Montag dieser Woche forderte die Nationale Freiheitskoalition West-Papuas Gespräche mit der indonesischen Zentralregierung, um friedliche Lösungen für separatistische Angelegenheiten und Menschenrechtsverletzungen zu finden. „Wir warten nur darauf, dass die Regierung uns einen Gesprächstermin nennt“, heißt es. Ob es dazu kommt, wird davon abhängen, wie sehr Jakarta auf dem Gold- und Kupferabbau beharrt – und damit den Ressourcenfluch ständig erneuert.

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