Viele gute Worte für Kinder

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Zum Jahresauftakt 2011 soll die UN-Kinderrechtskonvention in Österreich in den Verfassungsrang gehoben werden. | Österreich hätte dann mehr Recht, auch global für Kinder einzutreten. Und die Pflicht, dafür mehr aufzuwenden.

Dieses Schandmal der Gegenwart sieht in Zahlen so aus: 80 Millionen Menschen sind in der Europäischen Union von Armut bedroht, ein Viertel davon sind Kinder. In weltweit 28 Krisenländern kämpfen Millionen Kinder täglich um das Überleben, so wie der Philippine (oben), der nach dem Brand der Pappendeckelhütten in Manila in der Asche nach Münzen sucht.

Die Kinder, so erhob die UNO, tragen die Hauptlast der Finanzkrise und des Klimawandels: 50.000 Neugeborene starben wegen des Mangels an krisenbedingt verteuerten Nahrungsmitteln. In Bangladesch ertrinken jährlich 17.000 Kinder, weil als Folge des Klimawandels Flutkatastrophen zunehmen. Zudem: Jedes zweite Kind in Südasien ist untergewichtig, täglich sterben weltweit 10.000 Kinder wegen Unterernährung, 24.000 weitere an vermeidbaren und behandelbaren Krankheiten. Dieser Schande, Menschen derart ihrem Schicksal zu überlassen, wollten die Vereinten Nationen bei ihrem Millenniumsgipfel im September etwas entgegensetzen.

Opfer werden billigend in Kauf genommen

Allein, es fehlt an Zuversicht, die von Generalsekretär Ban Ki-moon genannten 40 Milliarden Dollar gegen die Armut und für die Gesundheit von Frauen und Kindern würden beschafft und wirksam eingesetzt: Zu oft schon wurden Spendenzusagen nicht eingehalten - man erinnere sich an den ersten hier bekannt gewordenen Tsunami. Zu häufig verschwinden Katastrophen aus der Wahrnehmung, sobald die massenmediale Vermittlung von Aufmerksamkeit aussetzt. Der Jahrestag des Erdbebens auf Haiti wird uns das zeigen. Und zu häufig, eigentlich zumeist, setzen sich ökonomische und politische Interessen gegen jene der geschundenen Menschen durch. Zentralafrika wird dafür, so ist zu befürchten, in wenigen Monaten neues Anschauungsmaterial liefern.

Diese Erfahrungswerte und Prognosen sind durch die gut 200 abschließenden Reden vor dem UN-Millenniumsgipfel nicht zu widerlegen. Natürlich haben sich Staats- und Regierungschefs in New York für Frieden und Entwicklungshilfe ausgesprochen. Doch es ist, wie es ist: Frauen und Kinder sind die wehrlosen, vergessenen, billigend in Kauf genommenen Opfer von Krisen, Konflikten und Katastrophen.

Aus diesem Umstand heraus fielen die Proteste gegen die Kürzung der Entwicklungshilfe Österreichs für 2011 besonders drastisch aus: Caritas und Dutzende weitere Organisationen stellten im Dezember vor dem Parlament in Wien 3000 Holzkreuze auf - symbolisch für jene Kinder, deren Leben durch die Einsparungen bedroht seien.

In Österreich wie in Deutschland steht die Politik in der Kritik, auch durch kirchliche Organisationen. Diese sammeln private Spenden für globale Hilfe, organisieren die Helfer. Sie bemängeln, Österreich würde nur 0,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) aufwenden (Deutschland: 0,35 Prozent). Das ergibt weitere Zahlen der Schande: EU-Staaten vereinbarten, 2010 exakt 0,51 Prozent aufzuwenden, das UNO-Ziel für 2015 lautet 0,7 Prozent. Man wird sehen, ob der große Unterschied überwunden wird, sprich: die Verdoppelung gelingt.

Kinderrechte werden einklagbar

Dennoch gilt es an der Jahreswende, geht es um Kinder, für Österreich Erfreuliches zu vermelden. In diesen Tagen zeichnet sich die erforderliche Verfassungsmehrheit ab, damit der Nationalrat die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen in den Verfassungsrang heben kann. Um dem Verfassungsgerichtshof die Güterabwägung zu ermöglichen, bleibt es allerdings beim straf- und fremdenrechtlichen Vorbehalt, meint dazu ÖVP-Verfassungssprecher Wilhelm Molterer.

Ist der Beschluss gefällt, sind Kinderrechte hier einklagbar. Österreich wird zudem mit noch mehr Berechtigung in internationalen Organisationen auf Schutz und Förderung aller Kinder drängen können. Vor allem, wenn die Hausaufgaben - etwa zeitgemäße Jugendwohlfahrt und bestmögliche Bildungsförderung - erledigt sind. Denn anders als bei den UN gibt es hier nicht nur viele gute Worte für die Kinder - oder?

claus.reitan@furche.at

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