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Beatrice Achaleke arbeitet für eine Gesellschaft, in der Chancengleichheit herrscht. Ihr Einsatz gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wurde mehrfach ausgezeichnet. Ein Porträt.

Das Erste, was ihr in Wien auffiel, war die Kälte. Durch das Fenster ihres Taxis sah Beatrice Achaleke kahle Bäume an ihr vorüberziehen. 1995 landete die stolze Frau aus Kamerun, Zentralafrika, das zweite Mal in Österreich. Der erste Eindruck über die Alpenrepublik bildete sich Jahre zuvor im sommerlichen Südburgenland, als sie im behüteten "Städtchen“ Schlaining an einem Friedensseminar teilnahm. Das Bild vom idyllischen, warmen Burgenland wich dem Eindruck von Wien: Man muss sich hier warm anziehen.

Heute, mehr als 15 Jahre danach, sitzt sie warm eingepackt im braunfarbenen Sakko und mit orangem Schal in ihrem Büro im fünften Wiener Gemeindebezirk und kann darüber nur lachen. An das kalte Klima hat sich die Afro-Österreicherin schon gewöhnt. Das gesellschaftliche Klima gestaltet die toughe Frau bereits seit einigen Jahren mit.

Achaleke kam nach Wien, um Soziologie zu studieren, zuvor war sie an der Universität von Yaoundé in Kamerun in Rechtswissenschaften inskribiert. Da sie sich dort an den demokratischen Bildungsprotesten beteiligte, konnte sie ihr Studium nicht beenden. Ein Stipendium führte sie schließlich in die burgenländische Stadt Schlaining. Eigentlich war sie felsenfest davon überzeugt, wieder in ihr Geburtsland zurückzukehren, doch Österreich ließ sie nicht los. Denn, das begriff sie nicht: Warum nützt ein Land mit einer solchen kulturellen Vielfalt sein Potenzial nicht? Die Geburt ihrer beiden Kinder besiegelte ihre Rolle als Vorkämpferin: Sie muss etwas ändern in diesem Land, um ihren Nachkommen eine chancenreiche Zukunft zu ermöglichen.

Ganz ohne Milch und Honig

"Eines habe ich bereits sehr schnell nach meiner Ankunft in Österreich bemerkt: Hier fließt nicht Milch und Honig, auch wenn es zu einem der reichsten Länder der Welt zählt. Als Neuankömmling ist hier vieles anders und verwirrend. Schon die Aussage:, Ihr sollt euch integrieren.‘ Diese Differenz, die gemacht wird, zwischen Wir und Ihr, die erzeugt Abstand.“

Sie wollte diesen Abstand nicht akzeptieren. 2003 gründete sie die "Schwarze Frauen Community“, 2006 den Verein AFRA zur "Sichtbarmachung der Anliegen von Migrantinnen und insbesondere schwarzer Frauen“. Als AFRA-Obfrau organisierte sie 2007 - dem europäischen Jahr der Chancengleichheit - den ersten europaweiten Kongress schwarzer Frauen in Wien. Ziel: Schwarze Frauen in Europa zu vernetzen und den Dialog zu pflegen. Und 2008 gründete sie die europaweite Organisation "Black European Women’s Council“ (BEWC) - "mein Beitrag zur Anerkennung der Diversität in Österreich und Europa. Denn Diversität stellt eine Chance dar, kein Hindernis.“ Achaleke sah sich nie wegen ihrer Herkunft oder ihrem Geschlecht benachteiligt, dafür sei ihr Wille zu stark und ihr Gemüt zu fröhlich. 2008 kandidierte sie als erste schwarze Frau für den Nationalrat, zwei Jahre später wurde sie sogar vom preisgekrönten Blog "Black Women in Europe“ zur drittmächtigsten- und einflussreichsten schwarzen Frau in Europa gewählt.

Aber man merkt, dass sie mittlerweile ungeduldig wird, es geht ihr vieles noch zu langsam in diesem Land. "Die Elite ist immer noch weiß, männlich, katholisch und heterosexuell. Veränderungen passieren nicht, weil es der Gesetzgeber so will, sondern allein durch die Kraft einer autarken Zivilgesellschaft. Eine Gruppe, die vom klassischen Bild von Österreichisch-Sein abweicht, will gehört werden. Die homosexuelle Bewegung will teilnehmen und teilhaben, Menschen mit Migrationshintergrund organisieren sich in selbst gegründeten Einrichtungen, Frauen und Menschen mit Behinderung reklamieren immer mehr ihre Rechte“, sagt sie bestimmt, aber mit ruhiger Stimme.

Wann wird es in Österreich den ersten schwarzen Präsidenten geben? "Darum geht es für mich nicht unbedingt. Wir brauchen eine Person, die bereit und fähig ist, Chancengleichheit herzustellen. Da ist es völlig egal, wer das ist. Wichtig dabei sollen Kompetenz und Charakter sein.“ Ihr größtes Vorbild war seit Kindesbeinen an ihre Großmutter - "Oma Atabong“. "Eine Frauenrechtlerin der ersten Stunde“, wie sie in ihrem Buch "Vielfalt statt Einfalt. Wo ich herkomme“ schreibt. Trotzdem oder gerade weil sie erst mit 80 Jahren ihren Namen schreiben lernte, war ihr die Schulbildung ihrer Kinder und Enkelkinder besonders wichtig. Zugang zu Bildung ist ein wichtiger Faktor um das Potenzial von Diversität zu nützen, schreibt auch Achaleke. "Meine Oma musste im Unterbewusstsein geahnt haben, dass das der entscheidende Ausgangspunkt für jedes Leben in Vielfalt ist. Für mich war es der wichtigste Grundstein dafür, dass ich heute die bin, die ich bin und dorthin gekommen bin, wo ich bin.“

Weltweite Anerkennung

Oma Atabong wäre wohl stolz auf die Enkelin, die es zu weltweiter Anerkennung brachte. Unter anderem wurde sie mit dem "Global Diversity Innovation Award“ prämiert und dem Miriam Makeba afrikanische Diva Award. Schritt für Schritt will sie den Menschen die Angst vor Unterschieden nehmen. "Ich weiß, dass es Rassismus immer geben wird und mir ist klar, dass meine Kinder sich doppelt anstrengen müssen, weil sie nicht ins klassische Bild passen.“ Das schwarze Österreich sei vor allem von Rassismus geprägt. "Aber ich möchte nicht über negative Energien sprechen, sondern über Möglichkeiten und Chancen. Dorthin müssen wir dieses Land führen. Ausländerquote an Schulen darf zum Beispiel kein Schreckwort mehr sein.“

Obwohl ihre Großmutter 2002 verstarb, schrieb sie ihr vier Jahre später am Frauentag einen offenen Brief, der im Internet unter "Afrikanet“ publiziert wurde. Darin prangerte sie unter anderem den Tod von Marcus Omofuma und Seibane Wague an. Omofuma war ein Nigerianer, der bei der Abschiebung nach Sofia - die Fremdenpolizei hätte ihn gefesselt und geknebelt - erstickt sei. Wague kam 2003 bei einer gewaltsamen Amtshandlung, an der zehn Einsatzkräfte beteiligt waren, ums Leben. Wien deklarierte sich damals unter dem Werbeslogan "Wien ist anders“ als weltoffene Metropole. Der Brief beginnt mit "Liebe Oma, übrigens, wusstest du, dass in Wien Menschen gegessen werden? Oh ja, Oma! Und sie schreiben das sogar auf die Speisekarten. Stell dir vor: ‚Mohr im Hemd‘. Ob sie auch das Hemd essen? Aber keine Angst, Oma, mich werden sie nicht essen! Ich bin auch anders. Ich bin Schwarze. Ich bin inzwischen Wienerin geworden. Ich lebe in Wien, und ich bleibe in Wien. Und auch das macht Wien so anders, Oma! Ich schreibe dir bald wieder!“

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