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Die Salzburger "Hickmans" probierten das ethisch korrekte Fortbewegen mit einer Gehbehinderung aus.

Eigentlich wollte der britische Journalist Leo Hickman nur ein Jahr ethisch korrekt leben. Doch schlussendlich entwickelte sich das Projekt zu einem Dauerbrenner. Eine Salzburger Gruppe eifert Hickman nach. War es in England der Guardian, der über das Projekt berichtete, so ist es hierzulande die FURCHE, die zuletzt in Ausgabe 19/07 einen Zwischenbericht ablegte, wie es der Gruppe in Ernährungsfragen geht. Lesen Sie diesmal ein Gespräch zwischen zwei Salzburger "Hickmännern" über die ethisch korrekte Nutzung von Fortbewegungsmitteln von Menschen mit Gehbehinderung. tom

Christina M. Kreinecker: Daniel, wir haben uns im Rahmen unseres Projektes "Ein ethisch sensibles Leben - Oder "Hickman auf Salzburgerisch" verantwortlich erklärt für das Ausfindigmachen und Ausprobieren von ethischen Fortbewegungsmöglichkeiten. Du bist in deiner Mobilität eingeschränkt, warum hast gerade du dich für den Bereich "ethischer Transport" entschieden?

Daniel Bischur: Für mich ist die Möglichkeit, mein Auto nutzen zu können, enorm wichtig, weil das Autofahren mir eine enorme Bewegungsfreiheit ermöglicht. Da stellt sich mir doch die Frage, kann man damit nicht besser umgehen? Kann ich das Auto verantwortungsbewusster nutzen?

Kreinecker: Kann man ethisch korrekt Auto fahren?

Bischur: Ich weiß nicht, ob das möglich ist, aber ich versuche, mit mehr Rücksicht, mit mehr Reflexion Auto zu fahren. Dabei stellte ich fest, dass man nach einer kurzen Einübungsphase, in der man sich anstrengt, niedertourig zu fahren, an der Kreuzung beim Anfahren nicht übermäßig Gas zu geben und langsamer zu fahren, sich dann eigentlich schnell daran gewöhnt.

Kreinecker: Das heißt also, es ist die Achtsamkeit, die das Autofahren ethisch macht? Ich bin hauptsächlich mit Rad sowie zu Fuß unterwegs und, wenn es sein muss, mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wie geht es dir, wenn du auf Busse angewiesen bist?

Bischur: Das öffentliche Buswesen in Salzburg wirbt damit, dass es zumindest in rund 70 Prozent der Fälle Niederflurbusse gibt, oder eine Rollstuhlrampe vorhanden ist. Genau diese Zahl hat mich stutzig gemacht, weil es äußerst unangenehm wäre, wenn man an der Haltestelle steht und drei Busse abwarten muss, weil gerade die 30 Prozent fahren, die man mit dem Rollstuhl nicht nutzen kann, und man eigentlich einen Termin wahrnehmen will. Als wir uns einen terminfreien Nachmittag gewählt haben, und die Probe aufs Exempel machten, war ich teilweise positiv überrascht. Gleich der erste Bus war für Rollstühle geeignet, und der Busfahrer ist selbst ausgestiegen, um mir in den Bus hineinzuhelfen. Denn obwohl es ein Niederflurbus war, ist die Einstiegsschwelle zwischen Gehsteig und Bus, nicht alleine mit dem Rollstuhl zu bewältigen.

Kreinecker: Auf Grund dieser Schwelle bist du bei jeder Busfahrt darauf angewiesen, dass dir jemand behilflich ist?

Bischur: Ja, wobei es geht, wenn man sich darauf verlassen kann, dass einem jemand hilft. Eine hundertprozentige Garantie dafür gibt es aber nicht. Dass es einigermaßen problemlos möglich ist, mit dem Rollstuhl öffentliche Buslinien zu nützen, weiß ich aus meinen Erlebnissen in den USA.

Kreinecker: Auf unserer Strecke gab es einige unabgeflachte Kanten und schräge Straßenpassagen, die mir nie aufgefallen wären, wenn du sie mir nicht gezeigt hättest. Auch die viel zu steilen Rampen für Rollstuhlfahrer wirkten beschwerlich.

Bischur: Naja, es ist schon um einiges umständlicher, aber die Frage ist - wenn man versucht, ethisch damit umzugehen -, in wie weit man Unbequemlichkeiten in Kauf nimmt. Nur dazu müsste ich wahrscheinlich noch öfters mit dem Bus fahren, um immer abschätzen zu können, wie verlässlich ich damit von A nach B komme. Dazu kommt der Zeitfaktor: Für eine Strecke mit Umsteigen und Baustelle haben wir 45 Minuten gebraucht, während ich mit dem Auto höchstens zwanzig Minuten benötige. Und wir stellten fest, dass, wenn ich nur "rolle", sprich "gehe", ich auch rund zwanzig Minuten brauche.

Kreinecker: Also ist der Rollstuhl für solche Strecken praktikabel?

Bischur: Ja, nur Probleme hat man dann, wenn man etwas transportieren muss. Wenn ich auf die Universität zum Arbeiten gehe und meinen Laptop mitnehmen muss, dann fahre ich nicht gerne mit dem Rollstuhl oder mit dem Handbike, weil ich das Gerät damit nicht transportieren kann.

Kreinecker: Bist Du mit Deinem Handbike öfters unterwegs?

Bischur: Ja, aber es ist eher ein Fahrrad für das Vergnügen. Man kann schlecht Sachen transportieren und ich muss auch bedenken, ob ich es dort, wo ich hinfahren will, abstellen und absperren kann, da es so groß wie ein Liegefahrrad ist.

Kreinecker: Wie sicher ist das Handbike im Alltagsverkehr?

Bischur: Salzburg hat sehr viele Radwege. Unangenehm ist es nur, wenn man auf einer belebten Straße fahren muss. Das ist nicht angenehm, denn man sitzt so tief, dass man wenig Überblick hat, was rund um einen geschieht.

Kreinecker: Was ist dein Resümee über die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Rollstuhl?

Bischur: Es funktioniert, wenn jemand beim Einsteigen hilft, und wenn man genug Zeit hat. Und letzteres ist im Alltag ein Problem. Ich bin auch schon in Wien mit der U-Bahn gefahren, wo man sich bemüht hat, alle Stationen mit Liften auszustatten. Das U-Bahn-Netz in Wien ist sehr rollstuhlfreundlich. Bei Bus oder Straßenbahn ist es schwieriger, da diese oft eine erhöhte Einstiegsschwelle aufweisen.

Kreinecker: Ist künftig der Rollstuhl dein "Hauptverkehrsmittel"?

Bischur: Ich denke, die Möglichkeit längere Gehstrecken zu rollen, werde ich in Zukunft öfter wiederholen. Zumindest wenn es nicht regnet und es die Strecke zulässt. Mit dem Rollstuhl ist man limitiert, wenn es schon ein bisschen bergauf geht, spürt man das sehr stark, und wenn die Steigung zunimmt, kommt man ohne Hilfe nicht mehr voran. Angenehmer wäre es auch, wenn die Rampen bei Gebäuden flach genug wären, dass man ohne kräftige Arme und Am-Geländer-Hochhangeln auskommt.

Kreinecker: Ich habe mich an dem Tag oft gefragt, soll ich jetzt eingreifen oder geht es noch. Wenn ich jetzt einen Rollstuhlfahrer sehe, der sich eine Steigung hinaufplagt, soll ich dann hingehen und schieben?

Bischur: Einfach hingehen und fragen, ob man helfen darf, ob man schieben soll.

Kreinecker: Wir stehen mitten in unserem Hickman-Projekt. Ich bin dabei herauszufinden, welche Möglichkeiten es für ethisches Reisen und Urlaub gibt. Was ist dein nächster Schritt in unserem Projekt?

Bischur: Bei mir wird es hauptsächlich damit weitergehen, mich in meine Recherchen zu vertiefen. Zunächst werde ich mich über den Antrieb von Autos mit Biotreibstoffen informieren.

Weitere Info:

www.unicummensch.org

Die Gruppe ist für jedes Feedback dankbar, per E-Mail unter:

jakob.reichenberger@sbg.ac.at

Die FURCHE wird weiterhin über "Hickman auf Salzburgerisch" berichten.

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