Franz-Joseph Huainigg: Vom Glück gegen alle Wahrscheinlichkeit

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Trotz (oder wegen?) einer Behinderung glücklich werden: Franz-Joseph Huainigg, Politiker, Autor und seit einer Impfung im Kindesalter gelähmt, zeigt vor, wie das gehen kann. Im Buch "Mit Mut zum Glück" beschreibt er seinen Lebensweg - über alle Barrieren hinweg.

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Trotz (oder wegen?) einer Behinderung glücklich werden: Franz-Joseph Huainigg, Politiker, Autor und seit einer Impfung im Kindesalter gelähmt, zeigt vor, wie das gehen kann. Im Buch "Mit Mut zum Glück" beschreibt er seinen Lebensweg - über alle Barrieren hinweg.

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Mein Beatmungsgerät ist auch nur ein Mensch": Wer solche Sätze formulieren kann, muss ein begnadeter Zyniker - oder mit sich ziemlich im Reinen sein. Franz-Joseph Huainigg, der kommende Woche seinen 50. Geburtstag feiert, ist beides - und noch viel mehr: Der gebürtige Kärntner ist nicht nur Nationalratsabgeordneter und Sprecher der ÖVP für Menschen mit Behinderung sowie Internationale Zusammenarbeit; er ist auch Autor zahlreicher (Kinder-)Bücher und einer der umtriebigsten Aktivisten für die Rechte und Stimmen von Menschen mit Behinderungen in diesem Land: Das Wiener "Krüppel-Kabarett" wurde ebenso von ihm initiiert wie der "Literaturpreis Ohrenschmaus" für Autoren mit Lernbehinderung oder die Internetplattform www.rechtleicht.at, die einen Zugang zu Politik in leicht verständlicher Sprache ermöglicht.

Mit Witz und Hartnäckigkeit

Eine so üppige Lebens-Zwischenbilanz ist an sich schon bemerkenswert, doch bei Franz-Joseph Huainigg wird sie zum Phänomen. Seit einer Impfung im siebenten Lebensmonat ist er von einer Lähmung betroffen, die in seinem Körper immer weiter nach oben steigt: anfangs waren es nur die Beine, später auch der Oberkörper, die Arme und Hände. Seit dem Jahr 2006, als er ins Koma fiel, muss Huainigg zudem künstlich beatmet werden, dazu kommt eine starke Beeinträchtigung seines Sehvermögens. Wie ist es möglich, angesichts solcher körperlicher Einschränkungen nicht nur den Glauben an das Leben nicht zu verlieren, sondern es im Gegenteil als Politiker, Schreiber und Schrägdenker mit Witz und Hartnäckigkeit zum Besseren wenden zu wollen?

In seinem jüngsten Buch "Mit Mut zum Glück. Das Leben wagen" beschreibt Huainigg, wie es dazu kommen konnte: Er erzählt von seinen Eltern, die dafür kämpften, dass ihr Sohn eine Regelschule besuchen konnte, und denen er sein Urvertrauen ins Leben verdankt; von seiner großen Liebe Judit, die sich nach langem Ringen für ihn und gegen einen körperlich "perfekten" Konkurrenten entschied; von seiner Adoptivtochter und seinem Pflegesohn, durch die sein Traum von einer eigenen Familie wahr wurde; und von seinen zehn Persönlichen Assistentinnen, ohne die ein selbstbestimmtes Leben nicht möglich wäre. Sich helfen lassen, offen sein für andere und das Schicksal nicht bejammern und beklagen, sondern es selbst in die Hand nehmen und sich dabei stets ein Lächeln auf den Lippen bewahren: Mit Hilfe dieser Prinzipien sei fast alles möglich, so Huainigg. Dass ihm seine eigene, schwere Behinderung manchmal auch zum Vorteil gereicht, beschreibt er am Beispiel einer typischen Situation im Parlament: "Wenn ich mich bei einer Sitzung zu Wort melde und mir die Assistentin das Mikrofon zum Mund hält, beginne ich meistens mit - einer langen Pause", schreibt er. "Diese Pause entsteht einerseits durch die Nervosität und der damit verbundenen Verkrampfung meines Körpers und andererseits durch das Beatmungsgerät, das mir ausgerechnet in diesem wichtigen Augenblick keine Luft geben möchte, so ist zumindest mein Gefühl." So unangenehm ihm selbst oft diese Situation sei - danach wirkten seine "langsam und leise gesprochenen Worte umso bedeutungsvoller".

Verstand und Feingefühl statt starrer Regeln

Die Stille, die sich in solchen Momenten über den Sitzungssaal legt, ist freilich wohl auch Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit, die viele im Umgang mit Menschen mit Behinderung empfinden. Wie ein solcher Umgang glücken kann, hat Huainigg dankenswerterweise in zehn Punkten zusammengefasst. Die wichtigsten: "Hinschauen, aber nicht hinstarren"; "Erst fragen, dann helfen"; "Reden auf Augenhöhe", "Nicht Defizite, sondern Fähigkeiten sehen" und die Redewendung "an den Rollstuhl gefesselt" bitte entsorgen. Am allerwichtigsten ist freilich Regel 10: "Vergessen Sie diese Regeln" und "schalten Sie Ihren Verstand und Ihr Feingefühl ein (...). So ergibt sich bestimmt ein persönliches und wertvolles Gespräch."

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