Vom Hass auf die Ähnlichen

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Gibt es außenpolitische Entwicklungen, die Sie nach allem Erlebten noch überraschen können?", bin ich kürzlich in einer Diskus sion gefragt worden. "Natürlich", habe ich geantwortet, und auf die Dramen in Nahost verwiesen. Seit Jahrzehnten bestürzt mich dort, mit welch tragischem Einfallsreichtum etwa Israelis und Palästinenser immer neue Fallstricke über jeden Versuch zum Frieden legen.

Die aktuellen Ereignisse sind ein weiterer Beleg dafür. Nachdem Krieg und Terror, Besetzung und Zerstörung, Mauern und Zäune nichts an der Unausweichlichkeit des gemeinsamen Schicksals ändern konnten, sind beide Seiten jetzt entschlossen, ihren Zweikampf zur Abwechslung auf andere Schlachtfelder zu verlegen:

In der UNO hat Israel -mit Hilfe Amerikas und Australiens -den Palästinensern soeben den diplomatischen Weg zur Staatswerdung versperrt.

Vor dem Internationalen Strafgerichtshof wollen beide Seiten die politische und militärische Führung des Gegners wegen Kriegsverbrechen anklagen.

Zudem blockiert Israel jetzt auch die Weitergabe von über 100 Mill. Euro an Steuern und Zöllen, die den Palästinensern zustehen.

Das Wahnsinnige daran: Beide wissen, dass letztlich zwei Staaten nebeneinander leben müssen. Beide aber haben den Glauben an einen Verhandlungsfrieden verloren. Und beide fürchten offenkundig das Wagnis des Friedens mehr als die Fortsetzung der Konfrontation.

Also vergeuden beide Konfliktparteien wertvollste Zeit und Menschenleben mit immer neuen, listenreichen Sinnlosigkeiten aus der immer gleichen Requisitenkiste: Demütigen, Drohen, Kämpfen, Töten.

Geschlagene "Kinder Abrahams"

Wer könnte weiterhelfen? Der innere Widerstand ist beiderseits zu schwach. Amerika ist Partei. Die arabische Welt ebenfalls. Und Europa ist ohne Kraft und Mut; zerrissen zwischen schlechtem Gewissen für vergangene Untaten - und wachsender Angst vor der Radikalisierung eigener muslimischer Minderheiten.

Aber gerade Europa muss lernen, dass es in den Tragödien des Orients keine Logenplätze mehr gibt. Es ist heute politisch, wirtschaftlich und humanitär längst Teil der Nahost-Gleichung. Israels Außenminister hat es eben beinhart auf den Punkt gebracht: Israels größte Herausforderung sei 2015 nicht der Iran, nicht die PLO oder Hisbollah, sondern Westeuropa.

Wir Europäer neigen dazu, beim Wort "Nahostkonflikt" in einen Sekundenschlaf zu fallen. Aber: So falsch es auch wäre, die Hauptverantwortung für alle Verwüstungen im Orient dem Ringen um Palästina zuzuschreiben -handfeste Zusammenhänge sind nicht zu leugnen.

Würden sich Israelis und Palästinenser, diese beiden geschlagenen "Kinder Abrahams", endlich ihrer geschichtlichen und geographischen Nähe besinnen, einander auf gleicher Augenhöhe und im Blick des jeweils anderen erkennen -was wäre das für ein Segen für den Mittleren Osten, für Europa und für die Welt!

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