Karriereleiter - © Foto: iStock/ferrantraite

Vom Niedriglohn auf die Karriereleiter

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Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnahmen spielen im Niedriglohnsektor eine untergeordnete Rolle. Nun werden geringqualifizierte Frauen beim Aufbau ihrer Karriere unterstützt.

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Weiterbildung und Qualifizierungsmaßnahmen spielen im Niedriglohnsektor eine untergeordnete Rolle. Nun werden geringqualifizierte Frauen beim Aufbau ihrer Karriere unterstützt.

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Alexandra Rubel erhielt am Abend vor dem Pressetermin einen Anruf. Nicht ihre Vorgesetzte, sondern sie selbst sollte mit Frauenministerin Susanne Raab und Arbeitsminister Martin Kocher vor die Kameras treten und Auskunft über ihren Werdegang von der Reinigungsmitarbeiterin zur Führungskraft geben. Mit dem Projekt „Fair Plus Service“ ist Rubel der Karriereschritt gelungen.

Im Rahmen des Programms, das noch bis 2023 läuft, wurden österreichweit bisher 30 Betriebe über Möglichkeiten zur Erhöhung der Chancengleichheit beraten. Der Schwerpunkt liegt bei Branchen wie Reinigung, Handel, Tourismus, Gesundheit und Produktion, denn hier arbeiten zu 22,4 Prozent Frauen, die weniger als 1.460 Euro brutto im Monat verdienen — sie gelten damit als Niedriglohnbeschäftigte. 1,5 Millionen Euro hat das Arbeitsministerium (BMA) dafür in die Hand genommen. Vom Europäischen Sozialfonds, der im BMA abgewickelt wird, kommen weitere 1,5 Millionen. „Ein wichtiger Beitrag zur Förderung von Frauen mit geringeren Qualifikationen und niedrigeren Einkommen“, erklärte der Minister. Mehr als 100 Frauen wurden bereits dazu ermutigt, sich weiterzubilden und sich in bestimmten Jobs und Bereichen mehr einzubringen.

Im Kern geht es um ein Bündel von Maßnahmen aus drei Bereichen. Der erste Bereich ist die Unternehmensberatung: Betriebe bekommen Impulse, wie professionelle und zielgruppenorientierte Personalarbeit sowie effizientes Recruiting und Onboarding realisiert werden können. Zweitens gibt es Weiterbildung und Coaching für beschäftigte Frauen: Arbeitnehmerinnen werden für das eigene Potenzial sensibilisiert und durch lebenssituationsadäquate Beratung ermutigt, sich der eigenen Karriere zu widmen. Der dritte Punkt betrifft Förderungen: Im Einzelfall kann auch ein passendes arbeitsmarktpolitisches Instrument durch das AMS eingesetzt werden.

Das Wissen um das eigene Können

Alexandra Rubel ist einen, wie sie sagt, für ihre Generation und den ländlichen Raum typischen Weg gegangen: Hauptschule, Fachschule, Hochzeit, Kinder. Es folgen einige Jahre als Tagesmutter und mit dem Älterwerden der eigenen Kinder schließlich der Wunsch, für ein eigenes, höheres Einkommen zu sorgen. Einen Job in ihrer Gegend zu finden, gestaltet sich schwierig — bis sie schließlich als Reinigungskraft in der Kokon-Rehaklinik für junge Menschen im niederösterreichischen Bad Erlach unterkommt. 134 Mitarbeiter(innen), davon 107 Frauen, arbeiten im Unternehmen, das sich Ende 2021 zur Teilnahme am „Fair Plus Service“ entschlossen hat.

Die Idee, Frauen und ihre Qualifikationen zu fördern, habe das Führungsteam dazu bewogen, beim Projekt mitzumachen, erläutert Pflegedirektorin Karin Baumgartner. Auch dem modulartigen Aufbau der Beratung und der gemeinsamen Erarbeitung von Themen mithilfe von Beraterin Bettina Taranetz (ÖSB Consulting) und Coach Bettina Steinacher (ABZ Austria) konnte sie viel abgewinnen.

Neben gleichstellungsorientierter Unternehmensberatung standen Weiterbildungsstrategie und Empowerment für alle Mitarbeiterinnen im Reinigungsbereich auf der Agenda. „Wir unterstützen dabei, formal niedrig qualifizierte Frauen intern als Führungskräfte aufzubauen und begleiten sie bei ihren ersten verantwortungsvollen Schritten“, erklärt Taranetz. Ab der mittleren Managementebene gibt es in den meisten Unternehmen Bemühungen, aber kaum jemand mache sich Gedanken über eine Weiterbildungsstrategie für die Gruppe der Geringqualifizierten. Oftmals wüssten Vorgesetzte gar nicht um die Kompetenzen oder Karriereambitionen ihrer Mitarbeiterinnen Bescheid

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