„Hier stehe ich …“
DISKURSVon Popanzen und Zauderern
Wir leben im Zeitalter der Präsentation. Im Berufsleben wird präsentiert und auf Social Media sowieso. Ausgerechnet beim Schulabschluss steht diese Kernkompetenz nun zur Disposition. Ein Einwurf.
Wir leben im Zeitalter der Präsentation. Im Berufsleben wird präsentiert und auf Social Media sowieso. Ausgerechnet beim Schulabschluss steht diese Kernkompetenz nun zur Disposition. Ein Einwurf.
„Eine der wirkungsvollsten Möglichkeiten, eine Präsentation zu beginnen, ist mit einem aussagekräftigen Zitat, das gut zum Thema passt“, heißt es auf einer Webseite, die Besuchern das Erstellen von Präsentationen erleichtern möchte. Das wäre also hiermit erledigt. Es hätte freilich auch ein anderes Zitat den Anfang machen können – denn das Netz quillt geradezu über von Seiten, auf denen Unterstützung aller Art angeboten wird, um Vorträge oder Referate inhaltlich, strukturell und mit technischen Hilfsmitteln möglichst spannend und einprägsam zu gestalten.
Und das ist nur die mit dem Berufsleben verbundene Seite des Phänomens der Präsentation. Auf Facebook, Instagram oder TikTok machen Millionen Menschen in ihrer Freizeit nichts anderes, als etwas zu präsentieren – nur allzu oft sich selbst in ihrer imaginierten Einzigartigkeit. Der Aufwand dafür ist teils enorm, manche verdienen damit sogar ihren Lebensunterhalt. Es ließe sich daher die Hypothese aufstellen: Wir leben im Zeitalter der Präsentation.
Bewegen im Netz wie der Fisch im Wasser
Wenn nun Schülervertreter fordern, die Matura abzuschaffen, so ist dies aus dem Blickwinkel einer Phänomenologie der Präsentation bemerkenswert. Denn der mündliche Teil der Reifeprüfung ist nichts anderes als die Präsentation des eigenen Wissens. Der Standpunkt, dass das abermalige Abprüfen von Kenntnissen, die im Laufe der Oberstufe bereits nachweislich erworben wurden, eigentlich überflüssig sei, hat durchaus etwas für sich. Wenn es jedoch stimmt, dass wir uns im Zeitalter der Präsentation befinden, so wäre es bedenklich, die folglich extrem bedeutsame Fertigkeit des Präsentierens nicht als unverzichtbare Voraussetzung des Schulabschlusses beizubehalten. Nach dem Motto: Schulische Reife bedeutet heutzutage, dass man in der Lage ist, vor ein Plenum zu treten und diesem etwas vorzutragen
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