Vor den Vorhang! Was Betriebe tun

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Noch immer negieren viele Betriebe die Notwendigkeit, sich speziell um ältere Mitarbeiter zu kümmern. Ein paar Unternehmen haben aber die Notwendigkeit erkannt. Im Folgenden vier Beispiele für Projekte von Firmen, die das Alter der Belegschaft thematisieren.

Wiener Krankenanstaltenverbund

Pflegeberufe gehören zu jenen Bereichen, in denen langjährige Arbeitnehmer große körperliche Probleme bekommen und oft auch mental "ausgebrannt" sind. Aufgrund der physisch wie psychisch hohen Anforderungen erreicht nur ein kleiner Prozentsatz im Pflegeberuf das reguläre Pensionsalter. Gleichzeitig rückt immer weniger junges Pflegepersonal nach. Um den Pflegebedarf in Österreich zu decken, wird daher künftig für Pflegekräfte ein längeres Verbleiben im Berufsleben unumgänglich sein. Daher gilt es, altersgerechte Karrieremodelle zu entwickeln. Dieser Herausforderung hat sich der Wiener Krankenanstaltenverbund angenommen, der mit mehr als 30.000 Mitarbeitern eine der größten Gesundheitseinrichtungen Europas ist. Rund 13.000 Mitarbeiter sind in der Pflege tätig.

Gerade in der Pflege ist viel Wissen und Erfahrung nötig, um in Krisensituationen schnell und richtig reagieren zu können. Für eine qualitativ hochwertige Patientenbetreuung ist daher eine Kombination aus Fach-und Erfahrungswissen von großem Wert. Diese Notwendigkeit spiegelte sich jedoch in den Karrierewegen nicht wider: Der berufliche Aufstieg brachte meist ein Ausscheiden aus dem Pflegebereich mit sich, die mit der Berufserfahrung gewonnene Kompetenz konnte nicht mehr für den Pflegebedürftigen eingesetzt werden.

Der Wiener Krankenanstaltenverbund hat daher im Jahr 2001 das Pilotprojekt "Meisterhafte Pflegekunst" ins Leben gerufen. Dabei wurden die Lebensarbeitsphasen der Mitarbeiter in fünf Kompetenzstufen unterteilt: Anfänger, Fortgeschrittener, Kompetenter, Erfahrener, Experte. Die ersten vier Stufen wurden durch den Experten und ein duales Fortbildungsprinzip begleitet, in das Erfahrungswissen sowie Forschungs-und Theoriewissen einfließen.

Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Begleitung und Unterstützung von Berufseinsteigern durch Pflegeexperten. Diese waren erfahrene Pfleger, die jeweils in einem Spezialgebiet der Pflege hohe Fachkompetenz, praktisches Wissen und ethische Kompetenz besitzen.

Das Pilotprojekt ist inzwischen beendet, allerdings beginnt nach diversen Umstrukturierungen im Wiener Krankenanstaltenverbund im Herbst dieses Jahres die Initiative "Gesundes Älterwerden", in die sämtliche Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt einfließen werden. Zudem wird das Thema künftig nicht mehr nur auf den Pflegebereich beschränkt sein, sondern auch auf ärztliches Personal ausgeweitet werden.

Erste Bank

Auch die Erste Bank bleibt von der demografischen Entwicklung nicht verschont. Bei der Bank werden österreichweit in zehn Jahren 74 Prozent der Mitarbeiter älter als 40 sein. Als Konsequenz wurde das Projekt Lifetime entwickelt, mit dem vor allem Gesundheitsvorsorge, Weiterbildung und Unternehmenskultur an die künftigen Gegebenheiten angepasst werden sollen. In das Programm werden alle Generationen und Unternehmensebenen eingebunden:

Führungskräfte lernen die Stärken-und Schwächenprofile der unterschiedlichen Generationen kennen, damit sie diese bei der Verteilung von Aufgaben berücksichtigen können. Dazu gibt es verpflichtende Workshops für Führungskräfte, in die Ausbildung von Nachwuchs-Führungskräften wird das Thema von vornherein integriert.

Altersgrenzen in Inserattexten, Infobroschüren und Anmeldefoldern sind weggefallen. Bei Neuaufnahmen und beruflichen Veränderungen innerhalb der Firma wird darauf geachtet, dass in jedem Team alle Altersgruppen vertreten sind. Auch ältere Mitarbeiter werden neu eingestellt.

Zur Steigerung von Flexibilität und Motivation gibt es Job-Rotation für Mitarbeiter, die seit fünf bis zehn Jahren dieselbe Tätigkeit ausüben.

Auf Weiterbildung für alle Generationen wird großen Wert gelegt. Lernaufenthalte werden vor allem älteren Mitarbeitern als Alternativen zu den herkömmlichen Weiterbildungsmaßnahmen angeboten. Mitarbeitern, die aufgrund der Pensionsreform nicht wie geplant in Pension gehen können, werden spezielle Kurse angeboten zu Themen wie Motivation steigern, Umgang mit Stress und ähnliche.

Führungskräfte, die in drei bis fünf Jahren in Pension gehen werden und sich aus ihrer Position zurückziehen wollen, bekommen die Möglichkeit, hauptberuflich die Funktion eines Mentors zu übernehmen. Sie begleiten somit junge Führungskräfte und unterstützen die Führungskräfteausbildung.

Die alternsgerechten Arbeitszeit-Modelle sind flexible und individuell mit dem jeweiligen Vorgesetzten verhandelbar. Auch beispielsweise Telearbeit ist möglich.

Auf die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze wird geachtet, zusätzlich sollen ambulante Vorsorgeuntersuchungen, Angebote für den Bewegungs-und Stützapparat sowie Betreuung durch Physiotherapeuten die Gesundheit der Mitarbeiter erhalten. Es werden Schnupperkurse in Tai Chi, Nordic Walking und Ähnlichem angeboten.

voestalpine

Mit dem Programm Life hat die voestalpine das größte strategische Human Ressources Programm in der Geschichte der österreichischen Industrie begründet. Gerade in der Stahlindustrie war in den vergangenen Jahrzehnten eine massive Reduktion der Mitarbeiter zu verzeichnen. Wenige Neueinstellungen führten dazu, dass das Durchschnittsalter der Belegschaft stieg und ein großer Teil der Mitarbeiter älter als 45 Jahre war - und das in einer Branche, die durch hohe körperliche und mentale Anforderungen und durch Schichtarbeit gekennzeichnet ist. Dazu kommen bald demografie-bedingte Engpässe bei jungen, qualifizierten Arbeitskräften. Bereits im Jahr 2005 gab es mehr Über-50-Jährige als Unter-30-Jährige bei der voestalpine.

Das Programm Life soll eine Generationenbalance sicherstellen. "Ältere Mitarbeiter, die ,Routiniers', also nicht aus dem Arbeitsprozess zu drängen, sondern ihre Arbeitssituation auf ihre speziellen Anforderungen und Kenntnisse anzupassen - das ist eines der zentralen Themen von Life", heißt es seitens der Firmenleitung. Neben der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind dabei unter anderem auch generationengerechte Arbeitsplätze ein zentraler Aspekt. Kernstück der Life-Programms ist die Formel 33: Jedem Mitarbeiter, egal welchen Alters, stehen jährlich mindestens zwei Prozent (oder eben 33 Stunden) Weiterbildung zu, egal ob persönlichkeits-oder fachbezogen. Aber die Formel 33 steht auch für "drei Säulen für drei Generationen", es werden also alle Mitarbeiter einbezogen, um die gemeinschaftliche Teamarbeit zu fördern.

Andere Teile des Programmes beschäftigen sich mit innovativen Arbeitszeitmodellen, etwa um älteren Mitarbeitern die Nachtschichtarbeit zu erleichtern und jene Tätigkeiten, die nicht in der Nachtschicht erledigt werden müssen, auf den Tag zu verlegen. Gerade die Verringerung der Nachtarbeitszeiten ist für einen längeren Verbleib der Mitarbeiter im Unternehmen ausschlaggebend.

Zudem wurden die Altersgrenzen für die interne Karriereplanung abgeschafft, die Gesundheit der Mitarbeiter wird durch verschiedene Maßnahmen gefördert.

Weiters setzt die voestalpine auf gemischte Teams: Etwa bei Programmier-und Technologieprojekten arbeiten Ältere und Jüngere zusammen, da beide ihre Erfahrungen einbringen. Gegenseitiges Lernen und Akzeptanz der jeweils anderen Generation und ihrer Fähigkeiten sind die positiven Auswirkungen dieser Art der Teamarbeit.

Verbund

Das Durchschnittsalter im Verbundkonzern beträgt derzeit 44,6 Jahre, Grund für das hohe Durchschnittsalter der Belegschaft ist die geringe Anzahl an Neuaufnahmen in den vergangenen Jahren. Folge ist, dass in den kommenden Jahren durch eine relativ hohe Anzahl an Pensionierungen die Gefahr besteht, wertvolles Wissen zu verlieren. Die Personalentwicklung steht daher vor der Herausforderung, Wissen und Prozessqualität zu sichern und die Zusammenarbeit zwischen den Generationen zu fördern. Dazu ist es nötig, den produktiven Verbleib der Mitarbeiter und die Integration junger Nachwuchskräfte zu fördern. Mit einer Qualifikationsoffensive unter dem Titel "GenerationenVerbund" soll dieses Ziel erreicht werden. Die Vision dahinter: Erhalt, Förderung, Integration und Management von allen und für alle Generationen, um die bestmögliche Leistung vom Eintritt in den Verbund bis zum Austritt zu verwirklichen.

So erstellten etwa Arbeitnehmer im Betriebsbereich an der Donau mithilfe von als Moderatoren eingesetzten Kollegen ihre Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile. Daraus wurde der Qualifizierungsbedarf jedes Einzelnen aus seiner eigenen Sicht abgeleitet. Auch die höheren Hierarchieebenen erarbeiteten in Workshops ihre allfälligen Qualifizierungsmaßnahmen. In anderen Teilen des Verbundes erstellten die jeweiligen Führungskräfte die Anforderungs-und Qualifizierungsprofile ihrer Mitarbeiter. In allen Fällen wurde auf fachliche und soziale Qualifizierung in ausgewogenem Maße Wert gelegt. Beteiligt waren an diesem Teil des Projektes etwa fünfhundert Mitarbeiter. Vor allem bei der Qualifizierung älterer Mitarbeiter ging es auch darum, ehemals bewährte, inzwischen aber veraltete Strategien und Hierarchiedenken zu "entlernen".

Auch Training on the Job ist ein bedeutender Faktor im "GenerationenVerbund"-Programm. Das Lernen in der Praxis bringt neben den geringeren Reisekosten und weniger Ausfallzeiten mehr Praxisrelevanz als theoretische Schulungen.

Durch den notwendigen Stellenabbau der vergangenen Jahre war es im Verbund auch zu einem wesentlichen Abfluss von Wissen und Erfahrung gekommen, der allein durch neue Instrumente und EDV-basiertes Wissensmanagement nicht auszugleichen war. Um möglichst viel dieses Wissens für das Unternehmen dennoch wieder oder weiterhin zugänglich zu machen, konnten zahlreiche ausgeschiedenen Mitarbeiter zu einer losen Mitarbeit bewegt werden.

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