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Sie ist für die Aufwertung des Parlaments, für einen Super-Wahlsonntag, für einen Kongress der neuen politischen Bewegungen: Barbara Prammer, Präsidentin des Nationalrates, legt in einem Buch ihr politisches Leben und ihr politisches Konzept offen.

Barbara Prammer ist seit 2006 - als erste Frau - Nationalratspräsidentin. Im FURCHE-Interview plädiert sie für Korrekturen im politischen System und für eine neue Belebung der Demokratie.

Die Furche: Beginnen wir mit dem Naheliegenden: Das Bildungsvolksbegehren kommt in das Parlament, Sie sind für einen eigenen Ausschuss, der dieses beraten soll?

Barbara Prammer: Ja, ich glaube, es wird dazu kommen müssen. Ich kann es mir anders nicht vorstellen. Dieses Volksbegehren enthält zwei Materien, Unterricht und Wissenschaft, es gäbe zwei zuständige Ausschüsse des Nationalrates. Es macht daher Sinn, einen besonderen Ausschuss dafür einzusetzen.

Die Furche: Derartige Ausschüsse können bei Generaldebatten oder umfassenden Erörterungen öffentlich tagen. Soll es vom Start weg Öffentlichkeit geben?

Prammer: Die muss gegeben sein. Dazu gibt es nicht sehr viel an Alternativen. Bei der Behandlung des Volksbegehrens muss eine relevante Öffentlichkeit gewährleistet sein. Ich habe die Klubdirektoren schon ersucht, zeitgerecht über diesen Ausschuss zu sprechen, denn das Volksbegehren wird bald im Haus sein, und dann laufen die Fristen ...

Die Furche: Sollen die für das Bildungsvolksbegehren zuständigen Personen dem Ausschuss angehören, wie es rechtlich ja möglich ist?

Prammer: Ja, der Zustellungsbevollmächtigte und zwei Stellvertreter sollen an den Sitzungen teilnehmen. Das steht für mich außer Streit. Man soll Expertinnen und Experten beiziehen, ein vernünftiges Verfahren entwickeln. Es soll in den laut Geschäftsordnung vorgesehenen vier Monaten wirklich seriös gearbeitet werden, um dem Plenum einen Bericht oder zumindest einen Zwischenbericht geben zu können.

Die Furche: Es gibt dazu aber auch Wünsche der Initiatoren.

Prammer: Hannes Androsch hat seinen Wunsch nach einem Gesetz oder zumindest einer Gesetzesinitiative ausgedrückt. Das wird wohl schwierig, denn ein Initiativantrag wäre zwar möglich, aber dafür bräuchte es mehr als vier Monate Zeit. Das ist unbestritten. Meiner Ansicht nach würde es sehr viel Sinn machen, die Forderungen des Volksbegehrens in kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zu teilen. Daraus ließen sich Anträge ableiten, für die dann Mehrheiten zu suchen wären. Alleine das wird schwierig genug werden. Ich teile jedenfalls mit den Initiatoren und Initiatorinnen des Volksbegehrens den Wunsch, dass das Thema Bildung nicht mehr aus den Schlagzeilen kommt, dass es in der öffentlichen Debatte bleibt.

Die Furche: Es gibt einige Persönlichkeiten, die mehr direkte Demokratie fordern.

Prammer: Es gibt nicht viele, die das wollen. Ich gehöre jedenfalls dazu.

Die Furche: In der Öffentlichkeit wird wiederholt der Wunsch nach mehr Plebisziten, nach mehr Befragungen geäußert.

Prammer: Wir brauchen bessere Instrumente in der Politik, ich sage das ganz offen. Ich habe zu nahezu allen Gruppen, die sich in der jüngsten Zeit konstituiert haben, Kontakt, zudem mit jener, der Heinrich Neisser angehört, schon drei Veranstaltungen abgehalten. Die Vorschläge reichen von einem effizienteren Wahlrecht bis zu neuen Instrumenten der direkten Demokratie. Gerade jetzt habe ich wieder das in den Bundesländern Deutschlands angewandte dreistufige Verfahren für Gesetzesinitiativen in Erinnerung gerufen. Dieses beginnt mit einer Initiative, geht über Volksbegehren zur Volksabstimmung. Ein Gesetzestext ist vorzulegen, das Verfahren wird von Verfassungsrichtern begleitet, Interessenvertreter sind anzuhören. Es ist ein sehr detailreiches basisdemokratisches Verfahren, das macht wirklich Sinn. Es sind Sicherheiten eingebaut, damit nicht etwa, wie manche vermeinen, ein großes Unternehmen sich seine Gesetze selber machen kann.

Die Furche: Welche Gründe sprechen für dieses Modell der Gesetzesinitiative?

Prammer: Es ist zu wenig, alle fünf Jahre im Grunde genommen zwei Entscheidungen zu treffen: Gehe ich zur Wahl? Und wen wähle ich? Das ist zu wenig. Es gibt keine Demokratie ohne Demokratinnen und Demokraten. Unser System ist natürlich breiter aufgesetzt, aber je mehr Interesse man erzeugt, desto gefestigter ist die Demokratie.

Die Furche: Einerseits ist es schwierig für Außenstehende, im politischen System den Fuß in die Türe zu setzen. Andererseits fehlen heute, wie auch Sie schreiben, die großen politischen Bewegungen, die Friedens-, die Frauenbewegung

Prammer: So etwas muss wieder entstehen, das ist meine Schlussfolgerung. Ich gebe zu, mir fällt kaum eine Situation ein, in der nicht die Politik eine lediglich reagierende Kraft gewesen wäre. Es muss immer wieder Umstände, ein Umfeld geben, damit Schritte der Entwicklung gesetzt werden. Ohne den Druck der Frauenbewegung von außen wäre vieles nicht oder viel langsamer zustande gekommen, etwa die Quotenregelung. Darüber brauchen wir nicht zu reden. Wenn dieses Wechselspiel von Innen und Außen nicht funktioniert, geraten wir in eine prekäre Situation.

Die Furche: Die Frage ist, ob sich diese Bewegungen nicht erschöpft haben und heute nur Empörungsrituale inszeniert werden?

Prammer: Die wirkliche Frage ist: Wie entstehen wieder soziale Demokratiebewegungen, die sich um den gesellschaftlichen Zusammenhalt kümmern? Viele Bewegungen heute formulieren Unmut, können aber nicht erklären, wohin welcher Weg führen soll. Nur Diskussionsforen allein sind zu wenig. Wir durchleben momentan jedenfalls eine historische Phase. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Überleben unseres Sozial- und Wirtschaftsmodells.

Die Furche: Die Summe der Partikularinteressen ist nicht das Gemeinwohl.

Prammer: Darum muss ja vieles durch die Politik austariert werden.

Die Furche: Frank Schirrmacher spricht von Verramschung der Demokratie, Jürgen Habermas ruft zur Rettung der Demokratie auf. Sehen Sie das ebenfalls so dramatisch?

Prammer: Eine gewisse Dramatik ist da, aber ich sehe deswegen nicht bereits den Untergang. Die Politik muss jedenfalls agieren, sie darf sich nicht ausliefern, etwa den Finanzmärkten, von denen ich gerne konkret wüsste, wer sie denn sind, diese anonymen Gebilde. Ich glaube, das europäische Wertemodell darf sich nicht unterkriegen lassen. Die in Europa formulierten Menschenrechte sind die Antithese zu Faschismus und zu Krieg, der Sozialstaat steht für Stabilität. Sie haben sich bewährt und dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden. Daher sollte es einen Zusammenschluss vieler Initiativen geben. Sie alle bei einem Kongress zu versammeln, das wäre spannend. Alle zusammenzufassen, die demokratische Strukturen weiterentwickeln wollen. Die Politik dürfte sie jedenfalls weder abblocken noch vereinnahmen.

Die Furche: Bleiben Sie bei ihrem zusammenfassenden Super-Wahlsonntag?

Prammer: Das bleibt ein reizvoller Vorschlag, wenn man darin Elemente des Persönlichkeits-Wahlrechtes einbaut. Vorzeitige Neuwahlen wären dann nicht mehr möglich. Wenn die Regierung scheitert, ist deswegen noch nicht der Nationalrat gescheitert. Das so zu regeln, wäre eine Aufwertung des Amtes des Bundespräsidenten und ein absolute Aufwertung des Parlamentarismus.

Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden

Neue Antworten auf alte Fragen.

Von Barbara Prammer, Styria Premium 2011

239 Seiten, Gebunden, € 24,99

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