Wahr, echt und engagiert

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Sind Österreichs Jugendliche wirklich nur mehr TV-Junkies und "couch-potatoes", die kaum zu mehr imstande sind, als fad vorm Fernseher zu sitzen und Kartoffelchips zu futtern? Hat in unseren Schulen wirklich die "Kuschelecke" die Schulbank ersetzt, wie manche Zeitungskommentatoren behaupten?

Nach fast 20 Jahren Zusammenarbeit mit hunderten Oberstufen-Klassen in ganz Österreich im Rahmen der "Politischen Bildung - Medienerziehung" kann ich solchen Berichten über die "heutige Jugend" einfach nichts abgewinnen. Solche Beurteilungen mögen in Einzelfällen stimmen, es bleibt aber die Frage, was solche griffig-boshafte Aussagen eigentlich bewirken wollen? Wer selbst in vielen Schulen arbeitet, kann dort sehr viel Idealismus und Engagement erleben, das immer wieder aufbaut und tröstet angesichts dieser Dominanz von Kälte und Egoismus in der Erwachsenenwelt.

In Vorträgen, Diskussionen, Projekten in Schulen und in Zusammenarbeit mit dem Unterrrichtsministerium versuche ich, gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern meine Erfahrungen in Lateinamerika, Afrika, Ostasien, die mehrfachen Aufenthalte als Journalist im Golfkrieg (Irak) und im Krieg am Balkan mit der Berichterstattung in den Medien zu vergleichen und ihren Einfluss auf Politik und Politiker aufzuzeigen.

In diesen fast 20 Jahren bin ich - ein ehemaliger Pädagoge - immer wieder überrascht von den vielen positiven Reaktionen, wenn es um den Einsatz für soziale Gerechtigkeit, um Probleme der Globalisierung, um Kriegs- und anderweitige Propaganda, um Menschenrechtsverletzungen, Repressionen, um Demokratie, Macht, Machtpolitik, -missbrauch geht. Dieses Interesse wird besonders geweckt, wenn wir über Menschen im Widerstand oder über Menschen mit Zivilcourage sprechen. Genaues wollen die 15- bis 19-Jährigen dann meist über die Realität der journalistischen Arbeit wissen: Wieviele Journalistinnen und Journalisten riskieren es wirklich, Widerstand zu leisten gegen den Druck von Auflagenhöhe, Blattlinie und Vereinnahmung durch Trends und Mainstreams und Machtinteressen? Wieviele sind wirklich frei und unabhängig in ihrer Berichterstattung, haben genug Zeit und Gelegenheit für genaue Recherchen, ja, sind überhaupt dazu bereit? Was und wem kann und darf man noch glauben?

Es gibt kaum engagiertere Diskussionen als zu diesen Themen. Beispiele für Zivilcourage, Berichte über Menschen, die der bequemen Angepasstheit widerstehen und dafür Nachteile in Kauf nehmen - sie treffen in den Klassen auf große emotionale Zustimmung. Solche Menschen haben bei den Jungen Vorbildwirkung. Ja, natürlich ist auch das Interesse an Hermann Maier sehr groß. Gerade jetzt, nach den schweren Motorradunfall des Ski-Idols. Dieses Interesse gibt es auch an anderen Sportstars wie dem Rennfahrer Michael Schumacher oder den Stars der Musikszene und des Films. Viele - die Jüngeren vor allem - träumen von solchen Karrieren. In Medien psychologisch aufbereitet und bis zum Exzess beworben, finden solche Idole natürlich entsprechend Anklang.

Unsere Schulen und Jugendgruppen haben (hätten?) trotzdem die Chance, das zu hinterfragen. Nehmen wir das Beispiel Arnold Schwarzenegger: Eine steirische Versicherung glaubte vor einigen Jahren, mit dem "Terminator" bei der Jugend groß ins Geschäfte zu kommen. Trotz aufwendiger Werbeaktionen in TV und Zeitungen mit dem Muskelprotz als Gesundheitsvorbild für ihre Kranken-Zusatzversicherungen (was ja irgendwie ein Widerspruch ist) gab es jede Menge witzig-zynische Bemerkungen der jungen Leute an dieser Kampagne. Auch die brutale Gewaltverherrlichung in vielen Schwarzenegger-Filmen stieß auf Kritik. Ein Eduardo Galeano in Lateinamerika hingegen, ein Nelson Mandela in Südafrika, eine Rosa Jochmann oder die Geschwister Scholz im NS-Widerstand, Gruppen wie die "Frauen in Schwarz", die Soldatenmütter in Israel, Russland und am Balkan - sie beeindrucken stark.

So haben junge Autoren in Schülerzeitungen trotz Schwierigkeiten "von oben" kritische Artikel zur NS-Vergangenheit, zum Zeitgeschichteunterricht, zum Thema Demokratie in Schulen und in Schulbehörden gedruckt, und so manchen Krach mit konservativen Eltern und Lehrern und Institutionen ausgestanden. Schüler haben spontan Flugblätter entworfen, wo sie die unmenschlichen Zustände anprangern, die bei der Herstellung vieler Waren in Drittweltländern herrschen, haben sie kopiert und vor dem örtlichen Supermarkt verteilt, mit den Konsumenten diskutiert. Der Filialleiter hat über die mächtige Zentrale bei den Schulbehörden intervenieren lassen und die Aktion war sehr schnell gestoppt (der engagierte Junglehrer hatte außerdem nur einen einjährigen, noch nicht verlängerten Dienstvertrag ...).

Aber solche Erfahrung ersetzen den Betroffenen viele Stunden grauer Theorie in "Staatsbürgerkunde". Ich erlebe Schülerinnen und Schüler, die aufwendige Matura-Fachbereichsarbeiten zum Thema Medien und Golfkrieg schreiben, die Berichte der Fernsehsender ARTE, ARD mit jenen des ORF vergleichen. In ungemein gut durchdachten und recherchierten Arbeiten werden auch die Berichte und Kommentare von sogenannten "Star-Journalisten" kritisch untersucht und harte Fragen gestellt. Schülergruppen schreiben kritische Briefe an ORF und Zeitungen und fragen an, warum verschwiegen, verdreht, einseitig berichtet wird, warum Leserbriefe nicht abgedruckt werden. Die Antworten - sofern es welche gibt - öffnen vielen der Jungen die Augen, was von der Verantwortung und der Ethik in vielen Medien wirklich zu halten ist.

Wie oft habe ich erlebt und erfahren, dass Schulklassen gemeinsam mit Eltern und Lehrern Initiativen setzten bei Hilfsprojekten in Lateinamerika, Asien, Afrika, im Irak, am Balkan und anderen Notstandesgebieten, dass ihr Schwung und Elan im Kampf gegen Rassismus und Vorurteile die Erwachsenen mitriss. "Im Jugendidealismus erblickt der Mensch die Wahrheit" schreibt Albert Schweitzer und er spricht auch von der "resignierenden Vernünftigkeit", die entidealisierte "reife" Erwachsene den Jungen anbieten.

Natürlich gibt es auch gleichgültige junge "coach potatoes" oder solche, die nur "cool" sind. Man ist auch konfrontiert mit Aussagen, dass Idealismus und Engagement ja "doch nichts bringen". Aber die große Mehrheit in den Schulen sieht das Eintreten für Gerechtigkeit und Wahrheit, für innere Echtheit und Engagement als wichtigste Eigenschaften ihrer Lehrerinnen und Lehrer an.

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