Warten auf das Kind ...

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Es ist also bald so weit: Der Advent beginnt, das Warten auf die "Ankunft des Herrn". In vier Wochen wird es heißen: "Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt."

Vermutlich war es dieser zeitliche Zusammenhang, der mich dieser Tage so berührt hat, als einer der interdisziplinär aktivsten Geister unseres Landes - ausgebildeter Pharmazeut, Mediziner, Philosoph, Theologe, geweihter Priester und Universitätsprofessor für Ethik - über neue Fragen am Lebensanfang berichtet hat.

Wie nie zuvor ist mir dabei die enorme geistige und "technologische" Kluft deutlich geworden -zwischen den biblischen Texten zur Geburt Jesu und den vielen Möglichkeiten einer "Menschwerdung" heute.

Allein die Passivform beim Propheten Jesaja macht das spürbar: Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn geschenkt. Heute leben wir auch sprachlich in der Aktivform: Wir sind es, die "Kinder machen". Mehr und mehr geschieht das, wie Soziologen sagen, in der rush hour des Lebens; nämlich dann, wenn ein Studium abgeschlossen, ein Beruf gefunden, eine Wohnung eingerichtet und ein(e) Partner(in) dazu bereit ist.

Da aber bleibt meist nur noch wenig Zeit für ein Warten. Also wollen wir die Elternschaft genau berechnen und das neue Leben einer immer besseren "Qualitätskontrolle" unterziehen; wollen es optimieren und, wo notwendig, in der Petrischale produzieren -und uns dabei gleich des Unerwünschten, Fehlerhaften und Überzähligen entledigen. Und wir verlieren dabei die Grenzen zwischen "Person" und "Sache", oft auch zwischen Erfolg und Risiko.

Ethische Hilflosigkeit

Jüngste Meldungen vom Europäischen Kardiologenkongress und aktuelle Schweizer Studien ("Fehlerhafte Programmierung in der Retorte","Ungewöhnliche Gefäßschäden bei künstlich erzeugten Kindern" usw.) unterstreichen unsere ethische Hilflosigkeit - im Dickicht von Kreativität, Humanität und industriellem Druck. Sie verweisen uns auch an den immer dichter werdenden Nebel zwischen Fortschritt und Gefahr.

Kurzum: Nie war unser aller "gleiches Recht" auf Leben, Würde und körperliche Unversehrtheit so strikt verankert. Und doch: Nie war so unklar, was das im Konkreten heißt. - Was also überwiegt: Unsere Bewunderung für den kühnen Forschergeist -oder unsere Ratlosigkeit im Blick auf das Morgen? Wie viel Manipulation ist sinnvoll? Wie viel "gespaltene Elternschaft" (durch Zell-Spenden aller Art) ist Kindern zumutbar? Wie viel an Eingriffen in Keimbahnen -prägend für ungezählte kommende Generationen -ist heute bereits möglich, vielleicht gar nicht mehr aufhaltbar?

Demokratien haben eine Entscheidungspyramide: Wissenschafter erklären, was möglich ist. Medien informieren die Bürger. Ethiker beraten. Das Volk wählt seine Parlamentarier und -indirekt - politische Mehrheiten. Sie entscheiden dann über Gesetze.

Ob ethisch richtig oder nicht - wer will es wissen?

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