Was im Gehirn von Mann und Frau anders läuft

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Eines vorweg und zur Klarstellung: Die Größe macht es nicht aus. Zwar wiegt das männliche Hirn im Durchschnitt 400 Gramm mehr als das weibliche, Unterschiede der Intelligenz sind daraus jedoch nicht ableitbar. Im Gegenteil: So erzielen Männer beim Wechsler-IQ-Test im Durchschnitt leicht bessere Ergebnisse. Beim Stanford-Binet-Test hingegen haben Frauen die Nase vorn. Auch die Strukturen der Zentralfurche (Sulcus centralis) und die Dicke der Hirnrinde weisen geschlechtsspezifische Unterschiede auf.

„Es gibt Unterschiede“, bestätigt auch Stefan Lauterbacher, Professor für Physiologische Psychologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. „Aber die sind teilweise so gering, dass man daraus nicht auf eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit schließen darf.“ Sehr häufig erweist sich, dass Frauen und Männer gleiche kognitive Aufgaben auf unterschiedliche Weisen lösen. Die auffälligsten Unterschiede zeigen sich dabei bei der räumlichen Orientierung. Beim „mentalen Rotationstest“ etwa muss man erkennen, ob zwei um ihre Achsen gegeneinander verdrehte Figuren identisch sind. Das können Männer tatsächlich etwa besser. „Trotzdem parken Frauen nicht schlechter ein als Männer“, erteilt Lauterbacher dem klassische Stammtisch-Vorurteil eine klare Absage. Im Gegenzug sind Frauen besser in sprachlichen Belangen. Sie lesen Texte schneller und behalten auch mehr davon im verbalen Gedächtnis. „Diese Unterschiede sind aber bei Weitem nicht so krass wie gemeinhin angenommen“, so Lauterbacher.

Reaktionen der Gehirne fielen unterschiedlich aus

Der polnische Wissenschaftler Andrzej Urbanik von der Universität Krakau stellte Ende November seine aktuellen Forschungsergebnisse vor. In einem Experiment zeigte er 40 Testpersonen positiv und negativ besetzte Bilder. Dabei wurden in weiblichen Gehirnen vorwiegend jene Regionen aktiv, die mit der Verarbeitung von Emotionen in Zusammenhang stehen. Männer reagierten in der linken Inselrinde, die Herzrhythmus und Schweißproduktion regelt.

Daraus leiten die Forscher eine erhöhte Alarmbereitschaft des männlichen Geschlechts angesichts von potenziellen Gefahrensituationen ab. Das könnte sich als nützlich erweisen, wenn man einem hungrigen Säbelzahntiger gegenübersteht. In der modernen Welt ist die Betonung der Emotion sicher kein Nachteil. So fand Olivier Collignon von der Universität Montreal unlängst heraus, dass Frauen Emotionen in Gesichtern schneller erkennen können als Männer. Darin könnte die Ursache zu suchen sein, dass Männer häufiger unter Autismus leiden als Frauen.

Generell kennt die Neuropathologie etliche geschlechtsspezifische Unterschiede. So neigen Frauen im höheren Alter häufiger zu bestimmten Erkrankungen wie beispielsweise Depression oder Demenz. Das dürfte daran liegen, dass Östrogene einen Schutzmechanismus für Nervenzellen bilden, der mit der Menopause entfällt. Umgekehrt neigt das starke Geschlecht eher zu Morbus Parkinson oder dem Tourette-Syndrom. Wie man es auch dreht: Im Geschlechterkampf steht es (zum Glück) unentschieden. (R. L.)

Gehirn und Geschlecht Neurowissenschaft des kleinen Unterschiedes zwischen Mann und Frau

Stefan Lautenbacher, Onur Güntürkün, Markus Hausmann (Hg.), Springer Verlag 2007, 358 S., geb. E 49,95

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