Was ist fü jung und alt gerecht?

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Für unsere Pensionen und die unserer Kinder muß jetzt vorgesorgt werden. Zuwanderer oder ein allfälliger "Baby-Boom" helfen dabei wenig.

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Für unsere Pensionen und die unserer Kinder muß jetzt vorgesorgt werden. Zuwanderer oder ein allfälliger "Baby-Boom" helfen dabei wenig.

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Alle, die sich damit ein wenig befaßt haben, wissen: Auf mittel- bis langfristige Prognosen der Demographie ist weitaus mehr Verlaß als auf kurzfristige der Ökonomie. Darum ist es kein "Horrorszenario" (siehe Interview mit Wolfgang Lutz, Seite 14), daß wir in Österreich in wenigen Jahrzehnten mit einem stark erhöhten Anteil der Senioren an der Bevölkerung rechnen müssen, sondern ein Faktum.

So ist für das Jahr 2030 zu erwarten, daß etwa 32,3 Prozent der Österreicher (1996: 19,7) über 60 Jahre alt sein werden, aber nur 13,4 Prozent (1996: 17,4) unter 15 Jahre. Was das für die dann erwerbstätige Bevölkerung bedeutet, läßt sich ausmalen. Denn diese muß ja im Umlageverfahren direkt für die Pensionisten aufkommen.

Zumindest eine moralische Verpflichtung der Jungen, für die nicht mehr erwerbsfähigen Alten zu sorgen, hat es seit biblischen Zeiten gegeben (siehe Seite 16). Relativ jung ist freilich die sozialrechtliche Absicherung von Senioren, wie wir sie heute kennen. Mit der Einführung der Rentenversicherung in Deutschland, noch unter Bismarck 1891, setzt man den Start für den modernen "Generationenvertrag" an, ein Stichwort, zu dem die Internet-Suchmaschine Altavista, ein gewisser Indikator für die Bedeutung von Begriffen, Ende Mai 1998 bereits 1.072 Eintragungen lieferte. Übrigens: Im Jahr 1900 gab es in Deutschland folgende Altersverteilung: 35 Prozent unter 15 Jahre, 60 Prozent zwischen 15 und 65, nur 5 Prozent über 65 Jahre. Das waren natürlich ganz andere Voraussetzungen als heute oder gar morgen.

Der Generationenvertrag, der kein echter Vertrag ist (siehe Seite 15), hat eine oft zu wenig beachtete emotionelle Seite (siehe Gespräch mit Liselotte Wilk, Seite 14), vor allem aber eine heiß diskutierte ökonomische Seite. Im Grunde gehören zum Thema Generationenvertrag dutzende Probleme, vom Arbeitsmarkt bis zur Familienbesteuerung, von der Geburtenrate über die Instabilität von Beziehungen bis zur richtigen Kapitalveranlagung, über jedes davon könnte man Bücher schreiben und wurden Bücher geschrieben.

Die Kernfrage lautet: Hält der gegenwärtige Generationenvertrag? Können, wollen und werden die Erwerbstätigen in 20, 30 Jahren das Geld für die dann anfallenden Pensionen aufbringen? Daß die Belastungen für die Aktiven steigen werden, ist unvermeidlich. Aber auch die künftigen Pensionisten werden gegenüber ihren Vorgängern Einbußen hinnehmen müssen. Vergleichsweise noch auf die Butterseite gefallen sind jene, die gerade den Ruhestand angetreten haben oder in Kürze antreten werden. Die Schonung, die ihnen - aus verständlichen Gründen, schließlich haben sie sich jahrzehntelang auf dieses System eingestellt - zuteil wird, fällt der nächsten Generation umso mehr auf den Kopf. Daß heute Großeltern ihren Kindern und Enkeln freiwillig viel zustecken, wobei diese oft schon darauf angewiesen sind, ist Tatsache.

Daß Zuwanderer uns im Alter die Pensionen zahlen werden, ist ebenso eine Illusion wie ein plötzlicher steiler Anstieg der Kinderzahlen, der sich außerdem erst langfristig auswirken würde. Trotzdem wäre es sinnvoll, den Rollbalken für Ausländer nicht ganz unten zu lassen und Familien besser als Kinderlose zu behandeln, denn wo sollen denn die Steuerzahler und Pensionskassenfinanzierer von morgen herkommen? Warum hat übrigens Nordeuropa heute gegenüber Südeuropa vergleichsweise hohe Kinderzahlen? Im Süden, heißt es, werden Frauen öfter hart vor die Alternative gestellt: Kinder oder Beruf? Dann fällt häufig die Entscheidung gegen die Kinder, während etwa in Schweden Gesetze herrschen, die es Frauen erlauben, Beruf und Kinder leichter zu kombinieren.

Aus Gründen der Gerechtigkeit gehört sicher so rasch wie möglich eine Lebensdurchrechnung her, die nachhaltig verhindert, daß mit relativ geringen Einzahlungen in die Pensionsversicherung eine Super-Pension erwirtschaftet werden kann. Das System für Beamte und jenes für andere Erwerbstätige müßten mittelfristig total angeglichen werden.

Daß das Vertrauen in das jetzige System erschüttert ist, geht auch aus einer Fessel-Studie hervor: Demnach nimmt die Bereitschaft zur Eigenvorsorge zu: 1991 planten im Alter zwischen 20 und 54 Jahren 50 Prozent der Österreicher Eigenvorsorge-Maßnahmen, 1997 waren es schon 62 Prozent dieser Altersstufe, etwa 2,2 Millionen Österreicher.

Doch gerade jenen, die noch mit dem Aufziehen von Kindern belastet sind, die aber gerade deswegen für das Gemeinwesen besonders wichtig sind, werden Eigenvorsorge-Maßnahmen schwer fallen. Abgesehen davon, daß auch die Eigenvorsorge immer ein gewisses Risiko birgt, wird sie neben dem Umlageverfahren und der auszubauenden betrieblichen Pensionsvorsorge stets nur eine dritte Säule bleiben. Der Staat hat die Pflicht, rasch die erste Säule des "Generationenvertrages" nachhaltig zu restaurieren. Ein gerechter Generationenvertrag gehört zur Basis einer menschenwürdigen Gesellschaft.

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