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Vatersein ist heute schwieriger, herausfordender als früher, könnte aber auch reicher und vielfältiger sein als je zuvor.Notizen zum Vatertag.

Ich will nicht reden, wie die Dinge liegen, / ich will Dir zeigen, wie die Sache steht, / denn die Vernunft muss ganz von selber siegen, / ich will dein Vater sein und kein Prophet.

Erich Kästner, Brief an meinen Sohn

Die Katholische Männerbewegung hat kürzlich ihre traditionsreiche Zeitschrift rufer in ypsilon umbenannt. An die Stelle der Verkündigung, des Missionarischen (rufer) tritt die Beschäftigung mit sich selbst, mit dem eigenen Geschlecht, symbolisiert durch das männliche Ypsilon-Chromosom. Das entspricht in doppelter Weise dem Zug der Zeit: Zum einen ist man generell, Gott sei Dank, verhaltener geworden, was das Postulieren von absoluten Wahrheiten betrifft; auch Glaubensüberzeugungen lassen sich heute nicht mehr einfach hinausrufen - doch das ist hier nicht unser Thema. Zum anderen aber stellen sich Männern heute vielfach drängende Fragen nach der eigenen, geschlechtsspezifischen Identität.

Problemkind Mann

Männer, Väter gar, womöglich solche, die mit der Mutter ihrer Kinder so etwas wie eine Lebens-Gemeinschaft bilden, haben es schwer heutzutage. Nein, kein Lamento - und schon gar kein Ausspielen und Aufrechnen von Männer- gegen Frauensorgen. Es besteht ja (aus zum Teil verständlichen Gründen) bei Elfriede Hammerl & Co. die Befürchtung, kaum hätten wir einigermaßen ein Gespür für die Gleichberechtigung der Geschlechter entwickelt, sollten schon wieder die Männer durch die Hintertür hereingeschleust werden - als die eigentlichen Opfer und Problemkinder unserer Zeit. Darum kann es freilich nicht gehen. Wohl aber darum, festzuhalten, dass eine gedeihliche gesellschaftliche Entwicklung nur möglich ist, wenn auch die Anliegen der Männer adäquat zur Sprache kommen können.

Nocheinmal: Bei den Betroffenen dürfte jenen Anliegen, die mit der Rolle als Vater zu tun haben, besonderes Gewicht zukommen. Was treibt Väter heute um? Möglicherweise ist ja Vatersein in unseren Tagen in einer bestimmten Hinsicht noch schwieriger als Muttersein: weil nämlich die "väterlichen Anteile" an der Erziehung der Kinder, verbunden mit Begriffen wie "Strenge", "Autorität", "Führung", am stärksten in Misskredit geraten sind.

Hinter diese Zäsur im Gefolge der sechziger Jahre, die ja ihre guten Gründe hatte, kann und soll niemand zurück. Wie aber wäre verantwortetes Begleiten und Weiter-Führen der eigenen Kinder unter gegenwärtigen Verhältnissen vorstellbar?

Klaus Maria Brandauer hat unlängst in einem Interview für die Wochenendbeilage der Süddeutschen auf die Frage nach seinem Selbstverständnis als Vater eine sehr kluge Antwort gegeben: "Es ist eine schwere Aufgabe, miteinander erwachsen zu werden, besonders für den, der schon meint, erwachsen zu sein, und gewisse Dinge vermitteln will"; und zur Verdeutlichung dieses Gedankens zitierte KMB dann die an den Anfang dieses Textes gestellte Kästner-Strophe: "Kein Prophet", gewiss - aber eben doch auch der Vater, nicht etwa bloß der Spielgefährte, Wochenendunterhalter etc.

Kinder brauchen Väter als Reibebäume, fassbar, angreifbar (im doppelten Sinne) in ihrer Identität, in dem,.wofür sie stehen; nicht als Verkünder von unverrückbaren Gewiss- und Weisheiten, aber als Menschen, die sie lehren, Fragen zu stellen und die versuchen, auf diese Fragen Antworten zu geben; als Männer, die ihre Töchter und Söhne zum Widerspruch reizen, sich aber ihrerseits auch nicht scheuen, diesen zu widersprechen: "Ich will nicht reden, / wie die Dinge liegen, / ich will dir zeigen, wie die Sache steht". Den Horizont markiert dabei das Ziel, die Entwicklung von selbständigem Denken, Fühlen und Handeln zu befördern: "denn die Vernunft muss ganz von selber siegen".

Männerlose Erziehung

Gilt das denn nur für Väter? Nein - aber es ist wichtig, dass Väter all dies auch und auf je ihre Weise tun, dass Erziehung nicht Müttersache bleibt (vom "feministischen" Aspekt abgesehen). Kurt Scholz, früherer Wiener Stadtschulratspräsident, hat vor einiger Zeit zu Recht beklagt, dass zuviele Kinder heute männerlos aufwüchsen: alleinerziehende Mutter (oder kaum anwesende Vater), Kindergärtnerin, Volksschullehrerin... Mädchen wie Buben entgeht dadurch - in unterschiedlicher Ausprägung - die Auseinandersetzung, wie spannungsreich auch immer, mit erwachsener Männlichkeit.

Wie vieles andere ist auch Vatersein schwieriger, herausfordender geworden. Weder Vater- noch Mutterrolle sind mehr eindeutig festgelegt, ja, auch nicht festlegbar. Dadurch könnte Vatersein gleichzeitig schöner, reicher sein als je zuvor. Dem stehen die Mühen der (Berufs-)Ebene vielfach entgegen - einschlägige Untersuchungen zum Thema Familie, die Scheidungsziffern sprechen Bände. Doch ein Umdenken - Stichwort: "Neue Väter" - ist nicht zu übersehen. Es ist wohl noch nicht aller Vatertage Abend.

rudolf.mitloehner@furche.at

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