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Weltweit steigt die Jugendarbeitslosigkeit, Experten warnen vor einer verlorenen Generation. Auch in Österreiche stehen Jugendliche unter Druck.

Ohne Ausbildung ist das Leben ein Dreck.“ Zu diesem Befund kommt eine junge Französin, die den "Dreck“ gerade lebt: Sie ist in einem Programm, das Schulabbrechern eine zweite Chance auf dem Arbeitsmarkt geben soll. Viele Spielraum gibt es dort derzeit nicht: Jeder fünfte Franzose unter 25 ist arbeitslos. Damit liegt Frankreich genau im europäischen Durchschnitt.

Die Krise, von manchen schon als überstanden bejubelt, schlägt sich heftig auf dem europäischen Arbeitsmarkt nieder. Besonders schlimm ist die Situation für Jugendliche. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt derzeit global bei 12,7 Prozent - und wird weiter steigen. "Das ist eine Zeitbombe mit einem großen zerstörerischen Potenzial, die zu sozialen Unruhen führen wird“, warnte Guy Ryder, Vizegeneraldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) jüngst in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt: "Wir laufen Gefahr, eine ganze Generation zu verlieren.“

Europas Jugend spürt die Krise

Denn trotz guter Ausbildung oder Uni-Abschlüssen fällt es jungen Menschen immer schwerer, einen Job zu finden. Und das längst nicht nur in den Krisenstaaten Südeuropas: In Großbritannien sucht beinahe jeder Vierte zwischen 15 und 24 einen Job, ähnlich verhält es sich in Schweden. In Finnland ist jeder fünfte Jugendliche arbeitslos, in Irland mehr als dreißig Prozent - um 21 Prozentpunkte mehr als vor Ausbruch der Krise im Jahr 2007.

In europaweiten Rankings und bunten Balkendiagrammen steht Österreich daher geradezu mustergültig da: Nur 8,3 Prozent der Jugendlichen unter 25 sind hierzulande arbeitslos. Als Grund dafür wird gerne die duale Ausbildung, also die Lehre, genannt: Die gibt es in dieser Form nur in Österreich, Deutschland und der Schweiz. "Tatsächlich trägt die Lehre ihren Teil zur vergleichsweise geringen Arbeitslosigkeit bei“, sagt Mikrozensus-Forscher August Gächter vom Zentrum für Soziale Innovation (ZSI): "Allerdings tut sie das auch auf andere Weise als gedacht.“

Duale Ausbildung schönt Statistik

Der Trick besteht darin, die 128.000 Lehrlinge in der Statistik als "Beschäftigte“ zu zählen. Dadurch senken sie die Arbeitslosenrate. Für den innerstaatlichen Gebrauch ist das völlig in Ordnung. Aber in anderen Ländern, in denen es die Lehre nicht gibt, würden diese Jugendlichen wahrscheinlich eine Schule besuchen und keinen Effekt auf die Arbeitslosenrate haben. "Für den Vergleich mit anderen Staaten ist es quasi Rosstäuschung“, sagt Gächter. Die hübschen Balkendiagramme muss man daher mit Vorsicht genießen.

Für die FURCHE hat Gächter berechnet, welche Auswirkungen es hätte, wenn man die Lehrlinge in der Statistik als "Schüler“ und nicht als "Beschäftigte“ behandeln würde. Das Ergebnis: Aktuell läge die Jugendarbeitslosigkeit nicht bei 8,3 Prozent, sondern bei 10,8 Prozent. Das ist zwar immer noch deutlich niedriger als in vielen anderen europäischen Staaten, aber es rückt die Jubelmeldungen, mit denen die Regierung gerne hausieren geht, in ein anderes Licht. Denn auch in Österreich hat einer von zehn jungen Menschen zwischen 15 und 24 keine Arbeit.

Sündenfall Lehrlingsausbildung

Und auch bei den Lehrlingen gibt es große Unterschiede: Knapp 10.000 von ihnen befinden sich in überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Wer auf dem freien Markt keine Lehrstelle findet, hat durch die "Ausbildungsgarantie“ Anspruch auf eine vom AMS finanzierte Stelle. Das Lehrgeld zahlt dann der Steuerzahler - obwohl etliche Lehrlinge in Betrieben ausgebildet werden. "Das war ein Sündenfall, dass die öffentliche Hand Aufgaben übernommen, die davor die Wirtschaft erledigt hat“, meint Doris Landauer, die beim AMS das Projekt "Perspektiven für unentdeckte Talente“ leitet. Trotzdem: Das Risiko von Arbeitslosigkeit für unter 19-Jährige wird gering gehalten - und die Statistik schaut gleich besser aus.

Noch ist es zu früh, um sichere Aussagen darüber zu treffen, ob Absolventen der überbetrieblichen Ausbildung später am Arbeitsmarkt die gleichen Chancen haben, wie junge Menschen, die in einem Unternehmen gelernt haben. "Die Jugendlichen schätzen die Qualität der Ausbildung und den geschützten Rahmen, in dem sie sich bewegen“, erzählt die Soziologin Ruth Kasper. Sie hat für Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) eine Feldstudie in einer Lehrwerkstatt von "Jugend am Werk“ durchgeführt und bemerkt: "Viele spüren, dass sie die zweite Wahl sind und hoffen auf ‚Erlösung‘ in Form einer betrieblichen Lehre.“

Von der Gruppe Jugendlicher, die vom AMS finanziert in Betrieben arbeitet, werden immerhin 60 Prozent nach dem ersten Lehrjahr als reguläre Lehrlinge übernommen. Etliche schaffen den Sprung in die Arbeitswelt aber nicht. Manche bleiben in der überbetrieblichen Ausbildung - als Ausbilder.

Schwierigkeit, Fuß zu fassen

"Die Probleme des dualen Ausbildungssystems werden zunehmend bei den 20- bis 24-Jährigen sichtbar, die an der sogenannten zweiten Schwelle in den Arbeitsmarkt mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert sind, eine dauerhafte Anstellung zu finden“, reüssiert daher ein dreiköpfges Forschungsteam von FORBA im eben erschienenen Sammelband "Neue Prekarität“. Denn selbst wenn der Sprung in die Arbeitswelt geschafft ist - dort Fuß zu fassen ist in Österreich eine Herausforderung für sich. Die Beschäftigungsstabilität für unter 25-Jährige hat sich in den letzten 25 Jahren halbiert. Befristete Verträge, Teilzeitstellen, freie Dienstverträge und Leiharbeit nehmen zu - besonders bei den Jungen.

Die österreichische Arbeitsmarktpolitik müssen daher speziell akzentuiert werden: Es geht um eine Lösung für die zunehmende Prekarisierung und den Umgang mit jungen Leuten, die gar keine Ausbildung haben (siehe unten). Und es geht darum, gleiche Chancen am Arbeitsmarkt zu schaffen.

Ungleiche Chancen in Österreich

Denn das Hauptproblem mit der Jugendarbeitslosigkeit in Österreich ist nicht ihre Höhe, sondern ihre Verteilung. Das Risiko von Arbeitslosigkeit steigt nämlich nicht nur bei geringer Bildung und niedrigem Alter, sondern hängt auch von der Bildung und dem Geburtsort der Eltern ab. August Gächter kann mit Zahlen aufwarten: Elf Prozent der Jugendlichen, deren Eltern nicht eingewandert sind, waren 2009 arbeitslos oder passiv arbeitssuchend. Bei Jugendlichen, die selbst woanders geboren sind, waren es 24 Prozent. Und bei Kindern von Einwanderern, der sogenannten "zweiten Gerneration“, waren sogar 29 Prozent arbeitslos - obwohl sie ihre Bildungsabschlüsse in Österreich gemacht haben. Gächters Resümee: "Die Kinder von Einwandern haben in Österreich unter gleichen elterlichen Voraussetzungen nicht die gleichen Bildungschancen.“

Neue Prekarität. Die Folgen aktivierender Arbeitsmarktpolitik - europäische Länder im Vergleich.

Von K. Scherschel, P. Streckeisen, M. Krenn (Hg.), Campus 2012.

310 Seiten, kartoniert, € 30,80

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