"Weg vom Gleichschritt"

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Begabungsforscher Friedrich Oswald im Interview.

Die Furche: Herr Professor Oswald, haben es besonders begabte Kinder in Österreichs Schulen schwer?

Friedrich Oswald: Ja. Oft werden solche Schülerinnen und Schüler als Streber ausgegrenzt - und schrauben dann eigene Leistungen zurück. Eine Klasse ist ja immer auf ein fiktives Mittelmaß ausgerichtet, obwohl sie eine Gemeinschaft von unterschiedlichen Begabungen ist. Um zur vielfach geforderten inneren Differenzierung zu kommen, bräuchte es aber mehr Personal und mehr Räume. Auch die Ausbildung der Lehrer punkto Methodengewandtheit müsste verbessert werden.

Die Furche: Welche Methoden sind besonders begabungsfördernd?

Oswald: Man muss sicher vom Gleichschritt der Unterrichtsführung wegkommen, und sei es nur phasenweise. Der Atelierbetrieb ist eine solche Unternehmung, wo man vom Stundenplan aussetzen und einem eigenen Lernangebot nachkommen kann. Auch der Projektunterricht gehört dazu. Ich habe die Lehrenden auch immer dazu angehalten, beim offenen Lernen eine Lernverhaltensbeobachtung durchzuführen: Wie organisiert einer sein Lernen? Wie stellt er sich an bei einem Irrtum? Man sollte ja nicht immer gleich eingreifen.

Die Furche: Inwiefern ist das derzeitige differenzierte Schulsystem begabungsfördernd oder -hemmend?

Oswald: Es ist ein Märchen zu behaupten, unser Schulsystem mit Hauptschule und AHS-Unterstufe sei differenziert. Wir bewegen uns vielmehr auf zwei Arten von undifferenzierten Gesamtschulen zu. In den Ballungsräumen treten oft bis zu 80 Prozent in die AHS ein. Andererseits haben Hauptschulen in ländlichen Gebieten gleiches oder gar höheres Niveau. Ich würde daher zu einer inneren, zum Teil organisatorischen Differenzierung in beiden Schularten raten - mit anschließender Evaluation.

Die Furche: Sie denken an so etwas wie Leistungsgruppen?

Oswald: Nein, die waren zu starr, deshalb waren Übertritte auch nicht leicht möglich. Ich denke eher an flexible, teilweise schultypenübergreifende Gruppen. Das würde vorerst darüber hinweghelfen, dass man an einem überalteten System festhält, nämlich einer Parallelorganisation mit Lehrplanidentität. Es gibt dazu ein schönes Wort: "Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steig ab."

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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