Weg von Verhandlung, hin zu Mobilisierung asdasdasd

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Die Urabstimmung ist die überfällige Reaktion auf eine Politik, die auf eine totale Entmachtung der Gewerkschaft hinausläuft.

Die Entscheidung des ÖGB, eine Urabstimmung unter seinen Mitgliedern durchzuführen ist ein Beschluss, der in der Geschichte des ÖGB, aber wohl auch in ganz Europa einzigartig ist. Die Entscheidung dafür fiel unmittelbar nach der Großdemonstration vom 5. Juli. Damit ist schon jenes Argument, die Abstimmung würde nur von aktuellen Gehaltsdiskussionen ablenken, widerlegt. Wir betreten damit völliges Neuland und natürlich ist diese Entscheidung auch mit Risiken behaftet.

Von Beginn weg versuchten die Vertreter der Regierungsparteien diese Urabstimmung in ein schlechtes Licht zu rücken, und interessanterweise poltert gerade jene Partei am lautesten gegen die Urabstimmung, die bei allen möglichen Gelegenheiten nach den Mitteln der direkten Demokratie ruft. Der Kärntner Landeshauptmann witterte hinter der Urabstimmung sogar eine Verschwörung, die das Land ins Chaos stürzen und unregierbar machen sollte, und in die sogar der Bundespräsident eingeweiht sei.

Aktuell wird auch die mangelnde wissenschaftliche Präzision der Fragen kritisiert. Dazu ist zu sagen, dass diese Urabstimmung ein politisches Instrument ist und nichts mit den wissenschaftlichen Ansprüchen einer Meinungsumfrage zu tun hat. Begleitend zur Abstimmung wird eine inhaltliche Aufklärungskampagne gestartet, in der vor allem in den Betrieben eine inhaltliche Auseinandersetzung darüber stattfindet, auf welchen Ebenen die Angriffe der Bundesregierung gegen die Interessen der Arbeitnehmer gehen. Die Urabstimmung ist ein konkretes Mittel politischer Aufklärung und Mobilisierung. Genau deswegen hat insbesondere jene Partei, die den Arbeitnehmern vorgaukelt, sie vertrete ihre Interessen, so hysterisch reagiert. Auch denen, die meinen, es handle sich um "No-na-Fragen" muss widersprochen werden. Alle sechs inhaltlichen Fragen tangieren zentrale Angriffspunkte auf Arbeitnehmerinteressen.

Der erste Punkt betrifft die Zurückdrängung der Sozialpartnerschaft. Gerade die jüngste Neustrukturierung des Hauptverbandes hat gezeigt, wie rücksichtslos über eine reiflich überlegte und sinnvolle Sozialpartnereinigung drübergefahren wurde. Der Sozialpartner Wirtschaft verabschiedete sich leichtfertig vom gemeinsamen Papier. Eine Partnerschaft kann nur dauerhaft funktionieren, wenn alle Beteiligten gleichwertig sind, wenn alle stark sind. ÖGB und Arbeiterkammer werden jedoch in der derzeitigen politischen Konstellation ständig übergangen. Das kann auf Dauer nicht gutgehen.

Stichwort Kollektivverträge: Natürlich gibt es Bestrebungen, kollektive Rechtsnormen auf betriebliche Ebene zu verlagern und somit die überbetriebliche Interessenvertretung zu schwächen. Minister Bartenstein hat nicht erst einen Vorstoß in diese Richtung unternommen.

Stichwort Abfertigung: Im Zuge der Neuordnung des Abfertigungssytems drohen den Arbeitnehmern empfindliche Verluste, wenn sich eine starke Interessenvertretung nicht dagegen verwehrt.

Stichwort Pflichtversicherung: Natürlich stehen die privaten Versicherer schon längst bereit, um in den heute öffentlich verwalteten Gesundheits- und Pensionsmarkt einzudringen und Geld zu lukrieren. Und natürlich ist diese Regierung als diesen Unternehmern gesonnen zu bezeichnen.

Nun soll im Rahmen der Urabstimmung in den Betrieben, diskutiert aufgeklärt und gegebenenfalls mobilisiert werden. Und davor haben die Regierungsparteien Angst. Sie haben Angst vor einem Politikwechsel der Gewerkschaften, weg von einer reinen Verhandlungskultur hin zu Bewegung und Mobilisierung. Diese Betonung der Aktivierung bedeutet keineswegs die Aufkündigung des Verhandlungsweges und der Partnerschaft. Sie ist nur die längst überfällige Reaktion auf eine Politik, die auf eine totale Entmachtung der Gewerkschaftsbewegung hinauslaufen würde. Die aufgeregte Diskussion über angebliche Privilegien in der Gewerkschaft sollte man stärker im Lichte dieser Angst der Regierenden sehen. Ich denke, dass dies auch mehr Arbeitnehmer durchschauen, als manche hoffen.

Der Autor ist GPA-Vorsitzender.

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