Wem nützen Rauchverbote?

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Nicht der Gastronomie, aber der Pharmaindustrie, und nicht unbedingt Nichtrauchern, meint Klaus Faißner.

Am 29. März 2004 startete Irland in eine neue Ära: Als erstes europäisches Land wurde ein totales Rauchverbot für alle öffentlichen Einrichtungen verhängt. Keine verrauchten Pubs mehr? Für die meisten Einwohner der grünen Insel und Irland-Anhänger vom Ausland eine schier unglaubliche Vorstellung. Nach knapp vier Jahren haben sich die Iren mit dem Zustand mehrheitlich angefreundet, wie Umfragen zeigen.

Doch speziell in ländlichen Regionen scheint die Infrastruktur an sozialen Treffpunkten zusammenzubrechen: Weit mehr als 1000 der landesweit rund 6000 Pubs mussten zusperren. Geschätzte 5000 Arbeitsplätze gingen im Gastronomiebereich verloren, tausende weitere in den Zulieferbetrieben.

Geschlossene Pubs

2006 - die Zahlen für das Vorjahr liegen noch nicht vor - erreichte die Zahl der Schließungen mit 440 den höchsten Wert aller Zeiten, wie offizielle Statistiken zeigen. "Pub-Schließungen können für ländliche Regionen eine Katastrophe sein", erklärt Michael O'Keeffe, Pressesprecher der Vintners' Federation of Ireland. Diese Vereinigung von Weinhändlern vertritt die Anliegen der kleinen Gaststätten. "Pubs waren traditionell ein Platz, wo Menschen gesungen, getanzt und eine gute Unterhaltung genossen haben. Führende Mediziner haben darauf hingewiesen, dass die Schließung von Pubs zu Vereinsamung geführt hat, was Menschen depressiv machen und sogar zu Selbstmord treiben kann", führt O'Keeffe weiter aus.

Auch in zwei Nachbarländern, die bereits Anfang August den blauen Dunst aus den Lokalen verbannten, sind ähnliche Folgen zu erwarten: In Slowenien verzeichneten 70 Prozent der Gastgewerbebetriebe zwei Monate nach Inkrafttreten des Rauchverbotes Umsatzeinbußen, wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Standesvertretung ergab. Demnach verlor jeder sechste Gastwirt mehr als die Hälfte seines Geschäfts, während lediglich zwei Prozent der Betriebe Umsatzsteigerungen verbuchen konnten. Ebenfalls ein Sechstel der Betriebe denkt bereits ans Zusperren, wobei sich kleine Lokale am stärksten betroffen zeigen. In den deutschen Bundesländern Niedersachsen und Baden-Württemberg wies eine ebenfalls von der Standesvertretung in Auftrag gegebene Studie 43 Prozent der Betriebe als Verlierer und nur sechs Prozent als Gewinner aus.

In Österreich tobt derzeit ein Streit zwischen den Regierungsparteien, wie es in der Gastronomie weitergehen soll: Die SPÖ will das totale Rauchverbot, die ÖVP will Wahlfreiheit für Lokale bis 75 m2 und danach eine Trennung in Raucher- und Nichtrauchereinheiten. Aufgrund der Differenzen wurde bis Juni dieses Jahres ein "Waffenstillstand" vereinbart. Laut einer jüngst präsentierten Studie des Market-Instituts befürchten 61 Prozent der Gastronomieangestellten Einkommenseinbußen. "Wenn man die Zahlen aus Irland auf Österreich hochrechnet, würden innerhalb von knapp drei Jahren 4900 Betriebe mit 12.000 Arbeitnehmern schließen müssen", warnt Thomas Wolf, Geschäftsführer des Fachverbandes Gastronomie der Wirtschaftskammer. "Wir sind gegen Zwangsmaßnahmen, wo vor allem kleine Betriebe massive Einbrüche haben werden. Diese haben es ohnehin schon jetzt aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen sehr schwer. Ein generelles Rauchverbot wäre ein Anschlag auf unsere gewachsene Wirtshaus- und Kaffeehauskultur."

Gefahr Passivrauchen?

Doch die EU ist fest entschlossen, über den Umweg des Arbeitnehmerschutzes bereits 2009 alle Gaststätten rauchfrei zu machen. Hauptargument sind die Gefahren des Passivrauchens für das Personal. Vergangene Woche zitierten die Nachrichtenagenturen die italienische Gesundheitsbehörde, wonach schon im Jahr der Verhängung des Rauchverbotes in Italien die Zahl der Herzinfarkte - je nach Altersgruppe - um acht bis elf Prozent zurückgegangen sei. Laut einem (älteren) Bericht des renommierten Fachmagazins Nature (28.6.07) kann aus solchen Daten jedoch nicht auf einen Trend geschlossen werden: Bei Herzinfarkten seien Schwankungen im Jahresvergleich von bis zu 50 Prozent nach unten oder oben möglich, erklärt beispielsweise der Epidemiologe Michael Siegel von der Boston University School of Public Health. Ein Rauchverbot für kurzfristige Schwankungen verantwortlich zu machen, sei "unmöglich". Auch die allgemein verwendete Zahl eines um 25 Prozent erhöhten Risikos, als Passivraucher an Lungenkrebs zu erkranken, sei nicht plausibel, erklärt etwa der auf diese Fragen spezialisierte Statistiker John Bailar von der National Academy of Sciences in Washington. Eine 1998 von der WHO veröffentlichte ausführliche Studie kommt sogar zum Ergebnis, dass Erwachsene durch Passivrauch keinem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an Lungenkrebs zu erkranken.

Wie locker mit Zahlen umgegangen wird, zeigt das Beispiel der "Initiative österreichischer Ärzte gegen Raucherschäden". Deutlich mehr als 1000 Menschen würden in Österreich an den Folgen des Passivrauchens sterben, heißt es auf deren Homepage. Im zehnmal so großen Deutschland spricht die Ärzteschaft von 3300 Opfern. "Das wird meist übertrieben dargestellt", relativiert Michael Kunze, Professor am Institut für Sozialmedizin und selbst stellvertretender Vorsitzender der Initiative, auf Anfrage die eigenen Zahlen. Abseits aller Diskussionen um die tatsächlichen Gefahren des Passivrauchens für Erwachsene, werde "ein Rauchverbot auf EU-Ebene kommen wie das Amen im Gebet". Warum? "Weil es ein gesellschaftlicher Trend ist", so Kunze. Bis zu einem Verbot solle der Markt entscheiden, ob die Menschen in "normale" oder in bereits geschaffene Nichtraucher-Lokale gehen. Es gebe zwar einige Studien, die kaum schädigende Wirkungen des Passivrauchens auf Erwachsene feststellen, "aber wir vertrauen der WHO", so Kunze.

Große Pharmagewinne

Die Weltgesundheitsorganisation brachte 1999 - also nur ein Jahr nach der eigenen Studie, die dem Passivrauchen keine Lungenkrebsgefahr bescheinigte - die Antiraucherkampagne ins Rollen. Doch während die einst so mächtige Tabaklobby am Boden liegt, hat eine scheinbar noch mächtigere Lobby offensichtlich nun das Heft in der Hand. So investieren Pharmakonzerne wie Johnson und Johnson hunderte Millionen Euro in Aktionen rund um Rauchverbote. Auch die österreichische Ärzteinitiative erhält Sponsorgelder von Eli Lilly, GlaxoSmithKline, Novartis, Pfizer und Merck gesponsert. Allein in Deutschland sollen laut dem Darmstädter IMS Health Institute die Umsätze für Nikotinpflaster, -kaugummis und andere Entwöhnungspräparate um mehr als 20 Prozent auf über 40 Mio. Euro anwachsen. Neue Produkte sind am Markt, die Riesengewinne versprechen. So setzte Pfizer mit dem neuen Raucherentwöhnungsmedikament Champix im dritten Quartal 2007 241 Mio. Dollar um. Doch die Nebenwirkungen können groß sein: Aufgrund vermehrter Berichte über Suizide bei der Champix-Behandlung, musste Pfizer die Liste der Nebenwirkungen auf US-Beipackzettel um depressive Stimmung, Erregung, verändertes Verhalten, Selbstmordgedanken und Selbstmord erweitern.

Der Autor ist freier Journalist.

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