Wenn aus Wut Gewalt wird

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Männer neigen immer noch dazu, ihre Probleme totzuschweigen statt professionelle Hilfe zu suchen. Die furche hat sich bei den Männerberatungsstellen in Wien umgehört.

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Männer neigen immer noch dazu, ihre Probleme totzuschweigen statt professionelle Hilfe zu suchen. Die furche hat sich bei den Männerberatungsstellen in Wien umgehört.

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Meistens kommen Männer zur Beratung erst dann , wenn die Probleme schon sehr groß sind und die Situation, in der sie stecken, fast aussichtslos erscheint, heißt es in der einzigen Männerberatungsstelle in Wien im 10. Wiener Gemeindebezirk. Dazu müssen die Betroffenen meist noch Skepsis, Spott und Unverständnis aus der unmittelbaren Umgebung aushalten: "Was, du gehst zur Männerberatung? Du willst dich psychologisch beraten lassen? Brauchst das wirklich?"

"Männer sollten erkennen, da ist eine Stelle, wohin ich mich wenden kann. Die Leute dort sind für mich da, hören mir zu und nehmen meine Probleme ernst", sagt der Psychologe und Berater Jonni Brem.

Es ist ein sehr großer Bereich, den seine Beratungsstelle umfasst, angefangen von Sozialarbeit über medizinische und psychologische Betreuung bis hin zur juristischen Beratung. Gearbeitet wird mit Jugendlichen genauso wie mit erwachsenen Männern, die Themen reichen von Fragen der Sexualität und Gewalttätigkeit bis hin zu den verschiedensten (problematischen) Formen des männlichen Umganges untereinander. Sämtliche Gewalthandlungen, aber auch sexuelle Übergriffe von Männern - besonders innerhalb der Familie - seien ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt der Beratungsstelle, erzählt Jonni Brem. "Die Hälfte der Klientel, die sich an die Männerberatung wendet, hat partnerschaftliche Probleme, Homosexuelle eingeschlossen."

Eine Erstberatung ist in der Regel kostenlos, die Therapien sind hingegen kostenpflichtig. Im Jahr 2000 wandten sich rund 2.800 Männer an die Beratungsstelle in Wien, das sind bereits doppelt so viele wie im Jahr zuvor, Tendenz steigend. Schon jetzt sei man mit den 13 Mitarbeitern "völlig überlastet", die Termine seien auf Wochen hinaus ausgebucht. Brem: "Es ist eigentlich ein bedenklicher Zustand: Der Bedarf an Beratung ist sehr groß, aber niemand hält es für notwendig, die finanziellen Mittel auch entsprechend zu erhöhen."

Die Katholischen Männerbewegung Österreichs (KMBÖ) wiederum befasst sich schwerpunktmäßig mit der Frage der Entwicklung der männlichen Identität, der Lebens- und Beziehungsgestaltung sowie der männlichen Spiritualität. Der Generalsekretär der Katholischen Männerbewegung, Christian Reichart, erklärt sein Programm: "Was wir anbieten, sind selbstbezogene, aktivierende Abläufe, etwa in einem Workshop an einem Abend, in einem Seminar oder in kleinen Gruppen." Wichtig sei dabei die Selbstreflexion, das oft so mühsame "sich auf sich selbst einlassen", sagt Reichart. Die Resonanz: Von den etwa 40.000 Mitgliedern im ganzen Bundesgebiet nutzten im Vorjahr 20.000 Männer das Angebot der Katholischen Männerbewegung, hinzu kamen 5.000 Nichtmitglieder.

Geduld & zuhören "Prävention in der Unterstützung" ist die Maxime der Männerbewegung: "Wir wollen prophylaktisch agieren, bevor die Probleme zu groß und zu ernst werden." Meist kommen die Männer erst, wenn es schon brennt, sagt Reichart. "Männer müssen meist erst lernen, sich mit Problemen auseinandersetzen, wenn es ihnen gut geht, und nicht erst dann, wenn es ihnen schon wirklich schlecht geht."

Was bedrückt sie am häufigsten? "80 Prozent unserer Arbeit befasst sich mit dem Themenkreis Beziehungen", sagt Reichart. Immer noch überlassen die Männer die Gestaltung einer Beziehung lieber den Frauen oder dem lieben Gott als selbst dafür etwas zu tun. "Unser Ansatz bei der Beratung ist, wie wir die Männer überzeugen können, dass es im Leben mehr gibt als nur den Beruf und eventuell Sport. Wir wollen anregen, dass man auch als Mann Beziehungen aktiv und positiv gestalten kann". Die Berater versuchen, den Männern zu verstehen zu geben, dass zu einer Partnerschaft auch Geduld gehört und das Zuhören. Meist müssen die Männer erst lernen, sich auszudrücken und mitzuteilen. Ein Patentrezept für eine glückliche Beziehung könne man allerdings auch in den Beratungsstellen nicht anbieten, so Reichart.

Wie gehen Männer damit um, wenn Ehen zerbrechen? Das sei nicht so problematisch, wenn keine Kinder da sind. Anders sei das natürlich, wenn die Männer auf einmal vom Nachwuchs getrennt werden und die Kinder als Faustpfand herhalten müssen. "Da stellen sich natürlich viele Männer die Frage, ob sie sich sang- und klanglos zurückziehen sollen", so Reichart. "Wenn sie sich nicht zurückziehen, sind sie oft ganz ratlos, wie sie handeln sollen, damit die Frauen sich nicht bedrängt oder eingeengt fühlen."

Warum gerade ich?

Und das Problem Gewalt? In seiner 50-jährigen Geschichte findet dieses Thema heuer erstmals auf die Tagesordnung der Katholischen Männerbewegung. "Es war nicht leicht", erzählt Reichart. "Dennoch haben meine Vorstände und die Vorstände in den Diözesen erkannt, dass viele Gewaltausbrüche schon weit vorher anfangen." Die Männer seien überrascht gewesen, dass man über so ein Thema auch "seriös" reden könne.

Ein Beispiel aus einem Workshop der Katholischen Männerbewegung: Diverse Tageszeitungen und Illustrierte wurden angeschaut und nach Gewalttaten abgeklopft. Wie viele wurden von Männern begangen, wie viele von Frauen? Welche Gründe wurden von den Männern angegeben, warum sie so agierten? "Dann wurde gefragt: Warum passiert das in erster Linie bei Männern? Warum schlägt Ohnmacht, Wut und Verzweiflung gerade ihnen so oft in Gewalt um?" erläutert der Theologe. "Dieser Ansatz führt Männer zumindest dazu, dass sie anfangen, auch über sich selbst nachzudenken ..."

Adressen www.maenner.at - Adressen der Männerberatung bundesweit www.kmb.or.at - Adressen der Katholischen Männerbewegung Österreichs, bundesweit.

Tipp: Am 20. Oktober 2001 findet der "4. Internationaler Tag des Mannes" in den österreichischen Landeshauptstädten statt.

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