7093515-1994_38_12.jpg
Digital In Arbeit

Wenn die Nächte lang werden

19451960198020002020

15 Prozent der heimischen Bevölkerung leiden unter echten Schlafstörungen, jeder fünfte Österreicher hat Probleme mit dem Einschlafen.

19451960198020002020

15 Prozent der heimischen Bevölkerung leiden unter echten Schlafstörungen, jeder fünfte Österreicher hat Probleme mit dem Einschlafen.

Werbung
Werbung
Werbung

Wer kennt nicht die langen, finsteren Nächte, in denen man sich ruhelos im Bett herumwälzt im

Bemühen, bedrohliche Gedanken abzuwehren, die dann im Tageslicht besehen, plötzlich die Angst und den Schrecken der einsamen, dunklen, ruhelosen Nacht vergessen lassen?

Passiert uns das nur ab und zu, ist das nicht weiter schlimm. Schlafen wir jedoch über Tage oder sogar Wochen hindurch schlecht, wirkt sich das auf unser Wohlbefinden aus. Das Leben wird zur Last. Es fehlt uns die Ruhe, in denen sich unser Organismus erholen kann, neue Kräfte schöpft und Energien auftankt. Wie wichtig diese Ruhepausen für uns sind, ersehen wir daran, daß wir etwa 25 Jahre — also rund ein Drittel unseres Lebens — verschlafen.

Schlafstörung ist nicht gleich Schlafstörung. Ihre Beurteilung ist sehr individuell. Während sich der eine nach vier Stunden Schlaf erholt und frisch fühlt, ist der andere abgeschlagen, müde und gereizt. Auch verlieren wir im Schlaf das Zeitgefühl und manche „Schlafmütze“ glaubt oft nur drei Stunden geschlafen zu haben, in Wirklichkeit aber waren es sechs. Wie lang ein Mensch schläft, ist demnach unbedeutend. Entscheidend ist die Qualität des Schlafes und wie das Wohlbefinden am nächsten Morgen ist.

Jeder fünfte Österreicher leidet über längere Zeit an einer subjektiv empfundenen Schlafstörung. Mit zunehmendem Alter steigt diese Zahl noch weiter an. Frauen sind davon häufiger betroffen als Männer. Diese Ergebnisse einer aktuellen österreichischen Untersuchung entsprechen internationalen Erfahrungen. Richard Frey, Psychiater und Schlafforscher, Allgemeines Krankenhaus Wien, ortet echte Schlafstörungen bei 15 Prozent der österreichischen Bevölkerung.

Im Schlaflabor - Kopfelektroden zeichnen Muskel-, Augen- und Gehirnaktivitäten während der Schlafzeit der Patienten auf - fand man heraus, daß der Mensch fünf verschiedene Schlafstadien „durchschläft“:

Dämmerschlaf, mittelleichter Schlaf, mitteltiefer Schlaf, tiefer Schlaf und REM (Rapid Eye Move- ments)-Schlaf, auch „Traumschlaf“ genannt. Wird man in der REM- Phase geweckt, erinnert man sich relativ häufig der phantasievollen Bilder, die den Schlaf begleitet haben.

Ein gesunder junger Mensch schläft zu Beginn einer achtstündigen Nacht sehr tief. Fünf Stunden, etwa 60 Prozent, befindet er sich jedoch im Dämmer- und mittelleichten Schlaf, eineinhalb Stunden nur in einem tieferen Schlafstadium und Traumschlaf. Und auch Gesunde sind nächtens zwei- bis fünfmal kurzzeitig wach, obwohl sie sich morgens daran nicht mehr erinnern.

Menschen über 60 Jahre sind in der Nacht länger waqh. Ihre Gesamtschlafzeit beträgt durchschnittlich nur mehr sechs Stunden. Dies meinen zumindest die Normdaten der Universitätsklinik für Psychiatrie, Abteilung Schlaflabor. Diese Werte entsprechen auch einem gesunden Schlaf in diesem Alter. Außerdem wird im Vergleich zu jungen Menschen nur mehr zwei Prozent der Gesamtschlafzeit tief geschlafen.

JEDE SECHSTE DIAGNOSE

Nicht wegzuleugnen ist, daß bei den praktischen Ärzten und Internisten Schlafstörungen an sechster Stelle aller Diagnosen stehen und somit zum „täglichen Brot“ des niedergelassenen Arztes gehören.

Probleme mit dem Einschlafen, Durchschlafen, Genügend-Lang- Schlafen sind somit ernstzunehmende Beschwerden, mit denen sich ein Großteil der Menschen herumschlägt. Grund genug, den Ursachen für schlechten Schlaf nachzuspüren.

Verantwortlich für schlechten Schlaf sind zunächst einmal Probleme und unbewältigte Sorgen, wie etwa finanzielle Sorgen, Ärger mit den Nachbarn, ein Todesfall in der Familie oder im Freundeskreis.

Streß und Konfliktsituation im Alltag wirken sich ebenso störend auf den Schlaf aus wie Krankheiten. Grippe, Husten oder Schnupfen gehen schnell vorbei und damit auch die Schlafstörungen. Chronische Krankheiten dagegen können uns manchmal über Jahre den Schlaf rauben, genauso wie seelische Beschwerden, etwa depressive Erkrankungen.

Eine wichtige Rolle für erholsame nächtliche Ruhe spielt die Umgebung. Straßenlärm, laute Nachbarn, schnarchende Partner stören ebenso wie ein zu kaltes oder zu warmes Schlafzimmer, eine zu schwere Bettdecke, eine harte oder zu weiche Unterlage und das störende Licht einer Straßenlaterne oder des Mondes.

Kaffee, Alkohol und Nikotin am Abend putschen den Organismus auf, statt ihn zu beruhigen. Übermäßiges spätes Essen zwingt den Körper zu Verdauungsarbeit zu einer Zeit, die der Ruhe vorbehalten sein sollte. Vergleichbares muten wir unserem „Geist“ zu. Wie soll er „zur Ruhe kommen“, wenn er aufregende Fernsehsendungen, spannende Lektüre oder sogar Streitgespräche zu verarbeiten hat?

Neben den genannten erkennbaren Ursachen, die behandelt werden können, gibt es aber auch Schlafstörungen mit unbekanntem Hintergrund. Möglicherweise macht uns schon eine Krankheit zu schaffen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt ausbricht.

Rotraut Pemer, Psychotherapeutin, geht Schlafstörungen tiefenpsychologisch an: „Wer sich schon als Kind während des Schlafes hilf- und schutzlos erlebt hat, wird bis zur Erschöpfung wachen, nur um seine Kontrolle nicht aufzugeben.“ Der erste Schritt zur Beseitigung von Schlafstörungen wäre demnach zu erkennen, was eigentlich die Ursache ist, zum Beispiel Hunger und anderes körperliches Unbehagen, Sorgen, Negativerwartungen, auch Erwartungen unangenehmer Träume.

PERSÖNLICHE SCHLAFRITUALE

Suggestivtechniken, die unter Anleitung eines Therapeuten erlernbar sind, helfen uns, in Schlafstimmung zu kommen. „Jeder muß“, so die Psychotherapeutin weiter, „seine persönlichen Schlafrituale selbst finden.“ Denn, „es geht nicht darum, wann ,man’ in welchem Alter im Bett sein soll, wann ,man’ wie lange aufbleiben darf. Was wir erlernen sollten, ist die Wahrnehmung von Fitneß und Müdigkeit sowie den adäquaten Wechsel von Spannung und Entspannung, von Sinnnlichkeit und Genießen.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung