Wenn Wohnen zum Luxus wird

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Für immer mehr Menschen in den Städten werden die Wohnkosten zur untragbaren Last. Was die Politik verabsäumt hat, dass es zu solch einer Preisexplosion am Wohnungsmarkt kommen konnte.

Für Clara M. (Name von der Red. geändert) ist das Wohnen in Wien unleistbar geworden. Vor drei Jahren kam die Steirerin des Jobs wegen in die Hauptstadt. Von einem Monat auf den nächsten musste eine leistbare und halbwegs passable Wohnung her. Die damals 28-Jährige hatte nicht das Geld für Provision, Kaution und Einrichtung, also hat sie über einen Bekannten eine Wohnung vermittelt bekommen. Ohne schriftlichen Mietvertrag und per Handschlag. Die zeitlich begrenzte Abmachung ist nun ausgelaufen - und der Vermieter mit dem Preis um 200 Euro nach oben gegangen. "Rechtliche Schritte einleiten will ich wegen meines Bekannten nicht. Und damals war es ja praktisch, so schnell und günstig einzuziehen“, erklärt sie.

Mieten belasten die Mittelschicht

Neben ihrer Vollzeit-Berufstätigkeit ist Clara M. nun fieberhaft auf Wohnungssuche. Die Alleinstehende kann sich nicht leisten, noch länger 800 Euro - mehr als die Hälfte ihres Nettogehalts - für die Miete auszugeben. Genauso wenig leistbar ist ein Umzug samt Provision und Kaution. "Da ist man schnell bei 4000 Euro. Oft kommt noch eine Ablöse für Möbel hinzu“, klagt sie. Dabei scheint Clara M. in keiner Statistik als arm oder "armutsgefährdet“ auf. Die Geisteswissenschafterin verdient 2300 Euro brutto und ist kinderlos.

"Das Problem überteuerter Mieten und undurchschaubarer Zuschläge hat längst die Mittelschicht erreicht“, sagt Michael Landau, Caritas-Direktor der Erzdiözese Wien. Während die mittleren Einkommen im letzten Jahrzehnt inflationsbereinigt um nur ein Prozent gestiegen sind, beträgt die Steigerung der Mieten 13 Prozent. Die Österreicher wenden laut Statistik Austria im Schnitt 42 Prozent ihres Einkommens für Mieten und Energie auf. Als "enorm belastend“ empfinden vier von zehn Österreichern ihre Wohnungskosten. Besonders hart trifft es die unter 30-Jährigen. "Die Hilfesuchenden werden immer jünger“, berichtet Landau. Deshalb fordert die Caritas mehr sozialen Wohnbau, mehr Gemeindewohnungen, ein klares Gesetz zu den oft undurchschaubaren Zu- und Abschlägen sowie eine Wiedereinführung der Zweckwidmung bei der Wohnbauförderung.

Doch seit 2004 wurde in Wien keine Gemeindewohnung mehr gebaut - dabei sind die rund 220.000 Gemeindewohnungen ein wichtiger Faktor im Kampf gegen Preiswucher. Die Wirtschaftskrise wirkt sich massiv auf den Immobilienmarkt aus: Immer mehr Leute wollen ihr Erspartes in Immobilien anlegen. So ist der Preis für gebrauchte Eigentumswohnungen in Wien laut Immobilienindex allein in den letzen vier Jahren um fast 50 Prozent gestiegen. Die Stadt Wien bietet einen online-Rechner an, wo Mieter überprüfen können, ob die Höhe der Miete gerechtfertigt ist. Der Ansturm auf Genossenschaftswohnungen ist riesig. Besonders prekär ist die Wohnungsmarkt-Lage nicht nur in der Bundeshauptstadt, sondern auch in den Touristenzentren Salzburg und Innsbruck oder in der Universitätsstadt Graz.

In den letzen Jahren hat sich der Zuzug in die Ballungszentren erhöht, doch die Wohnbauleistung verringert. Die Grünen kritisieren, SPÖ und ÖVP hätten die steigenden Wohnkosten jahrelang verschlafen. "Seit Einführung des Mietrechtsgesetzes vor 30 Jahren wurde der Mieterschutz immer wieder geschwächt. Nicht einmal unter der Kanzlerschaft Faymanns, der als ehemaliger Chef der Wiener Mietervereinigung und Wohnbaustadtrat fachlich interessiert sein sollte, gab es entscheidende Fortschritte“, kritisiert der Wiener Grüne-Klubobmann David Ellensohn.

Mietgesetz muss transparenter werden

Weder die SPÖ noch die ÖVP wollen sich derzeit zu ihren vor der Wahl angekündigten Plänen für leistbares Wohnen äußern. "Eine Wohnreform ist Teil der aktuellen Koalitionsverhandlungen. Über die Ergebnisse der zuständigen Arbeitsgruppe können wir noch nichts verraten“, sagt SPÖ-Kommunikationschef Stefan Hirsch.

Die Grünen fordern indesssen eine rasche Reform des veralteten Mietrechts. "Wir brauchen klare Kriterien für transparente Zu- und Abschläge - dann muss vom jeweiligen Richtwert ausgehend die Miethöhe auch eingehalten werden, damit Qualität und Preis zusammen passen“, betont Gabriela Moser, die Grüne-Sprecherin für Bauten. Derzeit gebe es je nach Baujahr des Hauses für Altbau und Neubau völlig ungleiche Rechtslagen. "Das Mietgesetz muss transparenter werden“, so Moser. Einerseits müsse das vorhandene Wohnangebot günstiger gestaltet werden, andererseits neuer erschwinglicher Wohnraum "nach ökologischen Kriterien und modernsten urbanen Gesichtspunkten“ geschaffen werden.

Eine Mietreform könne "von heute auf morgen“ umgesetzt werden, betont Moser: Das Expertenwissen liege seit einer Enquete im Jahr 1999 unter dem damaligen Justizminister Michalek im Justizministerium vor. Wie lange es noch dauern wird, bis die Mieter eine Entlastung spüren werden? "Wenn man heute Projekte bewilligt und Geld in den Neubau pumpt, dauert die Umsetzung wieder mindestens 5 Jahre“, betont Moser.

Indessen ist für Clara M. das tägliche Sondieren von Anzeigen zum Frustakt geworden. "Entweder die Wohnungen sind zu teuer oder sie weisen gröbere Mängel auf“, klagt sie. Die Wohnungsbesichtigung selbst ist in Wien mittlerweile eine höchst kompetitive Angelegenheit: "Meist steigen sich bei der Besichtigung mehrere Interessenten über die Füße. Viele Vermieter verlangen einen Einkommensnachweis.“ Da wird der Besichtigungstermin zum Bewerbungsgespräch. "Ich mache mich für Besichtigungen extra fein, um einen liquiden Eindruck zu machen“, räumt die 31-Jährige ein.

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