Werte, die den Wohlstand wahren

Werbung
Werbung
Werbung

Der Strategieberater manfred reichl befürchtet, dass vor allem die Europäer Verlierer der Globalisierung sein werden. Denn bestimmte Werte, denen große Bedeutung beigemessen wird, widersprächen der ökonomischen Realität.

Das Hauptthema, zu dem ich als Strategieberater die Unternehmen berate, ist, wie diese wettbewerbsfähig bleiben. Das ist im wesentlichen die Frage, wie Kosten optimierbar sind. Kühn gesagt: Wie optimiere ich meine Leistung mit möglichst wenigen Mitarbeitern.

Das zweite Betätigungsfeld, und das hat sich in letzter Zeit sehr ausgedehnt, ist die Unterstützung von Unternehmen bei der Verlagerung ihrer Wertschöpfung an billigere Standorte. Und drittens unterstützen wir Firmen aus billigeren Standorten, etwa China, dabei, weltweit, auch in Europa, wettbewerbsfähig sein können. Dieses Spannungsfeld betrifft individuelle Arbeitsplätze, das einzelne Unternehmen, aber auch die ganze Volkswirtschaft, und wir unterstützen mögliche Bedroher dieser Volkswirtschaft, nämlich die Chinesen.

Das ist ein enormes Spannungsfeld - auch der Werte. Werte basieren auf gesellschaftlichen Vorstellungen. Der Kündigungsschutz etwa: In China können Sie einen Mitarbeiter per SMS kündigen. In China arbeiten die Leute 50 Stunden pro Woche. Das ist in unseren Wertvorstellungen den Menschen nicht zumutbar. Wo ist hier eine gemeinsame Basis, um auch global tätige Unternehmen unter einen Hut zu bringen?

Wie ethisch ist es zum Beispiel bei uns, die Arbeitszeit von 38 Stunden in der Woche wieder auf 45 Stunden anzuheben? Ich glaube, in den Wertvorstellungen unserer bequem gewordenen Gesellschaft ist das eine ethische Frage. Und die wird sich uns in den nächsten fünf bis zehn Jahren stellen.

Im Rahmen einer globalisierten Gesellschaft müssen wir uns immer die Frage stellen, wodurch wir ein fünf bis zehnmal höheres Einkommen als unsere Nachbarländer China verdienen. Die Lösung, immer höher qualifiziertes Humankapital hervorzubringen, werden wir nicht mehr schaffen, weil die Wirtschaftsräume, die sich jetzt der Weltwirtschaft geöffnet haben, China, Indien, Russland, genauso qualifiziertes, aber leistungsfähigeres Humankapital als wir haben. Volkswirtschaftlich wird es Westeuropa nicht schaffen, durch Höherqualifizierung der Menschen seine Einkommensdifferenz zu diesen Weltregionen aufrecht zu erhalten. In den nächsten zehn Jahren werden wir zugunsten dieser Menschen einen Wohlstandsverlust hinnehmen müssen. Wir werden also weniger pro Stunde verdienen. Ist das ethisch? Wir werden künftig 40 oder 45 Stunden für das gleiche Einkommen arbeiten. Das wird unsere Arbeitsumwelt ganz wesentlich verändern.

Und dafür werden wir Rahmenbedingungen brauchen, die das ermöglichen. Denn es geht letztlich um ein Machtspiel der Gesellschaft und ihrer Organe mit den Unternehmen. In einer globalisierten Gesellschaft, die den freien Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital ermöglicht, sind heute die Unternehmen am längeren Hebel. Das heißt, sie können die Arbeit verlagern. Wir müssen in Westeuropa die Rahmenbedingungen so setzen, dass vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Gegebenheiten die Politik wieder effektiv Standortpolitik machen kann. Wenn Europa hier eine Chance haben will, dann muss es auch die zentralen Institutionen stärken, damit die Institutionen weltweit vergleichbar agieren können.

Ich sage nicht, dass es sonst unseren Unternehmen schlecht gehen wird. Sie sind gut, sie engagieren sich in China, verlagern die Wertschöpfungskette. Die Frage ist nur, was wird sich vor dem Hintergrund der Ethikdiskussion in Westeuropa abspielen wird.

Manfred Reichl ist Managing Partner Austria and CEE-Region bei Roland Berger Strategy Consultants.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung