Wie man sich's zu einem Burgenländer verbessert

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Gleich vorweg: Ich muss gestehen, ich bin kein gebürtiger Burgenländer, sondern 1980 aus Wien zugezogen. Freunde sagen, ich hab' mir's zu einem Burgenländer verbessert. Damit habe ich mir einen Kindheitstraum verwirklicht, am Land zu leben, in Loretto, der kleinsten Marktgemeinde Österreichs mit 450 Einwohnern im Nordburgenland. Nahe genug bei Wien, sodass ich als typischer Burgenländer lange Zeit zur Arbeit pendeln konnte, bevor ich mich als Psychotherapeut in meiner Heimatgemeinde freiberuflich niedergelassen habe. Bald nach meiner Übersiedlung bin ich in die Freiwillige Feuerwehr eingetreten, und das hat mir sehr schnellen Kontakt und viele Freundschaften eröffnet.

Die Burgenländer sind wahrscheinlich die Landsleute in Österreich, die es einen am ehesten ermöglichen, zugezogen heimisch zu werden. Möglichkeiten dazu bieten sich ausreichend, denn es gibt rund 5000 ehrenamtliche Vereine und Organisationen. Jeder zweite Burgenländer engagiert sich ehrenamtlich. Auch die christlichen Kirchen prägen als fester Bestandteil der Identität - 80 Prozent der Burgenländer sind katholisch, 13 Prozent evangelisch -die Kultur des dörflichen Lebens. Jedes neue Feuerwehrhaus wird eingeweiht, der Tag der Feuerwehr mit Florianimessen begangen.

Adel und Untertanenmentalität

Jahrhundertelang war der pannonische Raum von österreichischen und magyarischen Adelshäusern dominiert. Die fürstlichen Herren boten Ordnung und Schutz vor den immer wieder aus dem Osten anstürmenden Heeren. Durch die Vergabe von Lehen sicherten sich die großen Häuser langfristig Loyalität und Macht. Sie begründeten in Kleinstlehen die Basis für die typische burgenländische Kleinlandwirtschaft mit ihren Streckhöfen in Straßendörfern. Viele Burgenländer sind durch Pachtverträge, Wein-, Forstarbeit und Landwirtschaft immer noch etwa mit dem Haus Esterházy verbunden und in gewisser Weise auch abhängig. Deshalb wohl haben die Burgenländer immer noch einen großen Obrigkeitsrespekt - man könnte es auch "Untertanenmentalität" nennen. Die Familie Esterházy mit ihrem enormen Grundbesitz nimmt einen ganz speziellen Platz im Wirtschafts-und Kulturleben ein.

Diese stabile Ordnung, das fruchtbare Land, das milde angenehme Klima, das hervorragende Weine reifen lässt, hat die burgenländische Mentalität geprägt. Es ist eine gute Basis für seelische Gesundheit, Toleranz, Lebensfreude und Glück. Daraus stammt auch die Friedfertigkeit und Hilfsbereitschaft der Burgenländer, die gegen Radikalität und Verhetzung immunisiert. So ist auch die große Neigung der Burgenländer zu politischer Mitte, zu Konsens und Verhandlungslösungen zu erklären.

Als Psychotherapeut schaue ich natürlich auch auf eine besondere Zahl: Die Suizidrate, die im Burgenland mit knapp 12 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr die geringste in Österreich ist. Ich erkläre mir das so, dass in den kleinen ländlichen Gemeinden durch die vielen Vereine und Vernetzungen die Einsamkeit, das im 'Stich gelassen werden' sehr viel seltener vorkommt als anderswo. Es gibt sie noch, die Bankerln auf der Straße, wo die Menschen beisammensitzen. Nirgendwo gibt es so viele, gute und preiswerte Heurigenlokale wie im Burgenland, wo die Menschen tatsächlich miteinander reden. Auch die sechs Prozent Burgenlandkroaten, die zweieinhalb Prozent Ungarn und die deutlich weniger als ein Prozent Roma und Sinti reden miteinander. In vielen Gemeinden werden bei Festen kroatische Lieder gesungen -das ist für mich Heimat geworden, mit ganz starken positiven Gefühlen. Ich fühle, dass ich mir durch mein Ehrenamt beim Roten Kreuz und der Feuerwehr das Heimatrecht in diesem schönen Land erworben habe.

| Der Autor ist Präsident des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie |

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