Wir leben heute auf Kosten unserer Kinder streckt, wird attak

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Die Notwendigkeit der Angleichung des Pensionsantrittsalters ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial begründet.

Die von Experten entfachte Diskussion über die Anhebung des Pensionsantrittsalters der Frauen auf das für Männer geltende Niveau steht vor zwei Barrieren, die jeden sachlich geführten Dialog wesentlich erschweren.

Zum ersten eignet sich das Pensionsthema generell recht gut für bedenkenlosen Populismus, mit dem sich nach bewährtem Muster vielleicht auch die nächste Wahl gewinnen ließe. Die spät erkannte Benachteiligung der Frau in unserer Gesellschaft macht den Widerstand gegen jede Reform noch populärer, auch wenn die Zurücksetzung der Frau im Berufsleben durch neue Wege bekämpft werden könnte. Wer aber Politik abseits der Fakten und unter Missachtung notwendiger Maßnahmen betreibt, verliert mittelfristig an Glaubwürdigkeit und Zustimmung. Das zeigten die letzten Nationalratswahlen, die der SPÖ - nach der gegen besseres Wissen gegebenen "Pensionsgarantie" vier Jahre zuvor - eine deutliche Niederlage brachten. Wie klein der Halbzeitwert populistischer Rendite ist, dürfte auch die 1999 mit dieser Masche erfolgreiche FPÖ leidvoll erfahren.

Zum zweiten lässt sich die Frage der Angleichung vernünftigerweise weder mit einem lapidaren Nein noch mit einem bedingungslosen Ja beantworten. Denn in beiden Fällen werden die gegebenen Unterschiede der Geschlechter nicht zur Kenntnis genommen. Diese Verschiedenheiten werden einmal als Benachteiligung der Frau (wie schlechtere Berufschancen, geringere Bezahlung), ein andermal als Nachteil für den Mann (wie geringere Lebenserwartung) erfahren.

Es ist Aufgabe der Politik, diese Ungerechtigkeiten parallel - zwar stufenweise, jedoch mit deutlich erhöhtem Einsatz und größerer Geschwindigkeit - abzubauen. Das ungleiche Pensionsalter ist ein wichtiger Teil davon und muss zusammen mit begleitenden Maßnahmen angegangen werden.

Die Schwierigkeiten im Detail dürfen nicht dazu verleiten, gar nicht erst den Versuch zu unternehmen, Lösungsansätze vorzuschlagen. Bisher war es üblich, auf Ideen der jeweils anderen Seite zu warten. Wer dort auch nur vorsichtig den Kopf herausstreckt, wird erbarmungslos attackiert.

Trotz aller Beteuerungen von Politfunktionären, die sich weigern, über ihre Generation hinaus zu denken, ist die Altersvorsorge in Österreich keineswegs gesichert. Darauf verwies bereits vor Jahren der Wirtschaftsjournalist Ernst Swietly: "Bei gleichem Pensionsalter und gleichen Beträgen wie heute vermindert sich die Pension der heute (1995) ins Berufsleben eintretenden Männer und Frauen um 65 Prozent gegenüber den heutigen Renten. Oder aber der Pensionseintritt verschiebt sich auf das 72. Lebensjahr. Will man beides vermeiden, müssten die Pensionsbeiträge auf 55 Prozent des Gehaltes steigen." Es ist mehr als zweifelhaft, dass diese Diskrepanz durch den zu erhoffenden Produktivitätszuwachs auch nur annähernd ausgeglichen werden kann. Wir leben heute auf Kosten unserer Kinder.

Die soziale Ungerechtigkeit der derzeitigen Regelung ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die differenzierte Belastung der Frauen - etwa Kindererziehung ja oder nein - nicht oder nur ungenügend berücksichtigt wird. Abhilfe könnten verbesserte Anrechnungszeiten bei der Kindererziehung, flexiblere Arbeitszeit, verbesserte externe Kinderbetreuung durch Förderung privater Einrichtungen, steuerliche Absetzbarkeit dieser Betreuung nach dem Vorbild Frankreichs und Deutschlands und die freie Wahl des Zeitpunkts der Pensionierung schaffen.

Für jeden dieser Vorschläge gibt es sachliche Bedenken, die gegen die zu erwartenden Vorteile einer Reform abzuwägen sind. Polemisch-populis-tische, reflexbestimmte, stereotype Einwände bringen uns dagegen nicht weiter.

Der Autor ist freier Publizist.

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