"Wir müssen keine Bank besitzen"

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Die Furche: Herr Vorsitzender Klein, ist mit dem Rücktritt von Präsident Fritz Verzetnitsch die bawag-Krise des ögb gelöst?

Karl Klein: Mit dem Rücktritt von Präsident Verzetnitsch und von Finanzreferent Weninger alleine ist noch nichts gelöst. Der ögb muss vielmehr jetzt die Möglichkeit nutzen, die durch den Rücktritt der beiden geboten wurde und sich neu strukturieren.

Die Furche: Das heißt konkret?

Klein: Es braucht noch andere Veränderungen: Der ögb muss sich wieder deutlich für seine Kernaufgaben formieren. Das ist die berufliche Interessenvertretung und der Schutz der Mitglieder. Darauf muss sich der ögb konzentrieren und alle Dinge, die ihn davon ablenken, müssen in Frage gestellt werden.

Die Furche: Hat es mit den beiden "Schuldigen" die richtigen erwischt?

Klein: Eine schwierige Frage: In Wirklichkeit haben beide versucht, ein schwieriges Problem zu lösen - das ist ihnen gut gelungen, nur haben sie dabei zu untauglichen Mitteln gegriffen. Das ist der Grund, warum sie zurücktreten mussten. Der Hintergrund des Problems ist eine große Vertrauenskrise in die Führung des ögb. Die Ursachen dafür liegen länger zurück und haben sehr viel damit zu tun, dass es unterschiedliche Vorstellungen darüber gibt, was wichtiger ist: die Zentrale des ögb, die Einzelgewerkschaften, die Arbeit vor Ort...

Die Furche: Was war das Verwerfliche am Vorgehen von Verzetnitsch und Weninger - dass sie es alleine gemacht haben?

Klein: Das wirkliche Problem ist diese Vertrauenkrise, die Kreise gezogen und vernünftige Vorgangsweisen verhindert hat. Wir hätten uns die ganze Refco-Affäre erspart, wenn wir informiert gewesen wären.

Die Furche: Haben Sie, hat das ögb-Präsidium wirklich nichts gewusst; es scheint ja fast unmöglich, dass da nie Gerüchte oder Andeutungen durchgesickert sind.

Klein: Es war ein absolutes Geheimnis. Wir waren der Auffassung, dass diese sogenannten Karibik-Geschäfte 1995 rückgeführt wurden und erledigt sind. Dass man sie 1999 wieder aufgenommen hat, haben wir nicht gewusst - und wir haben nicht gewusst, dass daraus ein Schaden entstanden ist.Wir glaubten, es läuft alles gerade, es läuft alles in Ordnung, wir waren nicht informiert.

Die Furche: Soll der ögb weiterhin eine Bank besitzen?

Klein: Der ögb braucht aufgrund seines Vermögens eine gute Beziehung zu einer Bank. Die Frage ist nur, ob der ögb wirklich Alleineigentümer einer Bank sein muss oder ob nicht die Beteiligung an einer Bank ausreicht? Wir sind mittlerweile alle der Meinung, es genügt, wenn wir an einer Bank hervorragend beteiligt sind. Wir müssen keine Bank als Alleineigentümer besitzen, vor allem deswegen, weil eine Gewerkschaft andere Aufgaben hat, als eine Bank zu führen.

Die Furche: Der Nutzen einer eigenen Bank für den ögb hängt ja auch mit dem Streikfonds zusammen - wie wichtig ist dieser Streikfonds?

Klein: Den halte ich für strategisch sinnvoll. Als Gewerkschaftsbewegung sind wir heute wichtiger als noch vor 20 Jahren. Wir müssen uns wieder engagieren, damit Arbeitnehmer ihre Rechte behalten, weil es eine sehr eigenartige Entwicklung des Rechtsverständnisses gibt. Daher müssen die Gewerkschaften wieder kämpfen und dazu brauchen sie auch Geld.

Die Furche: Und die finanzielle Ausstattung dieses Streikfonds soll weiterhin das bestgehütetste Geheimnis der Republik bleiben?

Klein: Ja, davon soll möglichst nur das Präsidium wissen. Es wäre nicht gut, die Höhe dieses Streikfonds auf dem Markt zu handeln, denn dann würde er seinen strategischen Wert schnell verlieren.

Die Furche: Hat der ögb jetzt nicht damit ein Glaubwürdigkeitsproblem, dass er sich bei seinen Bankgeschäften mit den "neoliberalen Heuschrecken" auf ein Packl gehaut hat?

Klein: Das ist die wirkliche Tragik an dieser Entwicklung. Es ist nicht gelungen, Manager in die bawag zu setzen, auf die man sich hundertprozentig verlassen kann und die den ethischen Ansprüchen einer Gewerkschaft genügen.

Die Furche: Hat es mit dem Wechsel der Bankführung zu Ewald Nowotny diesbezüglich eine Wende gegeben?

Klein: Ich traue ihm zu, dass er jene ethischen Ansprüche, die wir als Gewerkschaftsbewegung an eine Bank stellen, erfüllt - und ich hoffe, dass alles gut geht.

Die Furche: Kann man mit Ihrer Ethik im Bankengeschäft überleben - darf eine Bank so anständig sein?

Klein: Diesen Spruch kennen wir - ich glaub nicht daran. Es gibt jede Menge Banken, die ordentlich und ethisch agieren und trotzdem ein Geschäft machen.

Die Furche: Apropos Geschäft - was ist dran an den Gerüchten um das angeblich enorme Familiensilber des ögb?

Klein: All das, was man uns vorwirft und dessen man uns verdächtigt, gibt es wirklich nicht. Von Familiensilber kann keine Rede sein, was wir noch haben sind alles Zuschussbetriebe.

Die Furche: Und die kolportierten horrend hohen Sonderpensionen?

Klein: Auch die gibt es überhaupt nicht. Was wir haben, sind Altverträge, bei denen der Dienstgeber die asvg-Pension auf 80 Prozent des Letztbezuges auffüllt.

Die Furche: Wie ist das bei Ihnen als einzigem Schwarzen im ögb-Präsidium: Leiden Sie jetzt mit oder putzen Sie sich an den Roten ab?

Klein: Es nutzt mir nichts: Der ögb leidet immer, wenn Kolleginnen und Kollegen falsche Wege gehen. Da leiden die Schwarzen genauso wie die Roten. Wir hängen mit drinnen, und es muss auch uns ein großes Anliegen sein, dass der ögb ein starker unabhängiger Bund bleibt.

Das Gespräch führte aWolfgang Machreich.

"Nicht Sklaven, nicht Maschinen seid ihr..."

Fünf Stockwerke hoch wird der Besucher des ögb-Hauses am Wiener Schottenring mit "Guten Tag!" begrüßt, aber auf der sechsten Etage heißt es auf einmal: "Grüß Gott!". Im sechsten Stock ist das Büro vom Vorsitzenden der Fraktion Christlicher Gewerkschafter und ögb-Vizepräsidenten Karl Klein - eine schwarze Insel im roten Gewerkschaftsmeer. Doch Parteifarben spielen bei Klein keine herausragende Bedeutung - er ist vor allem eines: Gewerkschafter; und als solcher hat er in früheren Furche-Gesprächen auch vor vehementer Kritik an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nicht zurückgeschreckt - wenn er überzeugt war, dass "der Kanzler schlecht beraten ist".

An der Wand hinter Kleins Schreibtisch hängt ein großes Ölbild von einem anderen unerschrockenen christlich-sozialen Gewerkschafter: Lois Weinberger, 1945 einer der Mitbegründer des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Neben dem Weinberger-Bild steht auch noch ein Spruch: "Nicht Sklaven, nicht Maschinen, nicht Lasttiere seid ihr - ihr seid Söhne und Töchter Gottes".

Und bei Karl Klein hat der Gast, nicht nur wegen dem "Grüß Gott!", das kann auch Gewohnheit sein, das Gefühl, der will sein Christsein wirklich in seine Arbeit einbringen. Und in einem früheren Gespräch hat er ja auch diesbezüglich einmal gesagt: "Ich bin Gewerkschafter geworden in Alternative zu einem Beruf, den ich noch lieber gemacht hätte: Ich wollte Priester werden."

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