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Auch wenn sich Geschichte nicht wiederholt: Österreichs oberste Sportfunktionäre haben aus der Vergangenheit wenig gelernt. Nachbemerkungen zu den olympischen Doping-Turbulenzen.

Letztes Jahr lief im Kino Kurt Mayers Dokumentarfilm "Erik(A)", der den Fall der österreichischen Abfahrtsweltmeisterin von 1966, Erika Schinegger, neu aufs Tapet brachte: Weil Erika genetisch männlich war, entschloss sie sich zur Operation, wurde zu Erik und lebt seither als Mann. Der Film rührt neben der persönlichen Dramatik auch an sportpolitische Unbill: Bis heute sei die Rolle des Schiverbandes nicht klar, es waren auch kaum Sportfunktionäre von damals bereit, vor der Kamera zu reden. Der Film und die ihn begleitende Berichterstattung zeigten auf: Sobald ihre/seine "Geschlechtsprobleme" öffentlich waren (wie lange hatte man davon intern schon gewusst?), wurde Schinegger fallen-und alleingelassen. Mit skurril-traurigen Begleiterscheinungen: Schineggers Kärntner Heimatgemeinde hatte der Weltmeisterin fürs Abfahrtsgold ein Grundstück geschenkt, das man Erik wieder wegnahm, weil es ja für Erika bestimmt gewesen war. Als dann auch Erik für den ÖSV Rennen fuhr (unter anderem gegen den jungen Franz Klammer) und gewann, schloss ihn der Verband aus, die ganze Angelegenheit war zu degoutant...

Den angedeuteten Vorgängen der sechziger Jahre haften viele Elemente an, die auch in der gegenwärtigen Sportaffäre Nummer eins immer noch nicht überwunden sind: (Scheinbare) Blauäugigkeit der Funktionäre, die Mentalität, solange zuzuschauen wie es geht, kein starkes Krisenmanagement - und wenn alle Stricke zu reißen beginnen, die Personifizierung der Affäre. Ohne aus der Ferne beurteilen zu wollen, was tatsächlich passiert ist, fällt auf, dass Langlauftrainer Walter Mayer einen idealen Sündenbock abgibt. Und wenn dieser aus dem Verkehr gezogen wird, könnte doch alles bleiben, wie es ist. (Solch bittere Erkenntnis aus dem Fall Schinegger darf einem auch in gegenständlicher Causa einfallen.)

Man kann dann den nächsten Schisportskandal bemühen. Der Olympiaausschluss von Karl Schranz von den Sapporo-Spielen 1972 zeigte ebenfalls Facetten, die heute wenig anders sind: Auch damals inferiores Krisenmanagement der heimischen Sportfunktionäre. Auch damals eine national akzeptierte Verschwörungstheorie: Das IOC habe sich gegen Österreich verschworen, wir Davide seien unter die Räder Goliaths geraten. Keine Frage, 1972 war die nationale Aufwallung größer, aber gezündelt wird in diese Richtung auch anno 2006.

1972 war auch ein Lehrstück in medialer Aufheizung und für die beteiligten Medien, allen voran den ORF, kein Ruhmesblatt. (Teddy Podgorski, damals ORF-Sportchef, gab dies vor einigen Monaten im Furche-Interview auch zu: "Natürlich haben wir damals die Leute ... ,aufgehetzt' ..., um mitzuteilen, wie schlecht unser Karli Schranz behandelt wurde.") Bekanntlich gingen 1972 Tausende auf die Straße, als der gesperrte Schiläufer nach Wien zurückkehrte.

Auch wenn sich die Geschichte nicht wiederholt, so bleibt nach Turin der bittere Nachgeschmack, wie wenig die für den Sport "politisch" Tätigen - nicht die Aktiven! - aus dieser Geschichte gelernt haben: hemdsärmeliges bis naturburschikoses Krisenmanagement, streitende Funktionäre vor der Kamera, ein ORF-Sportchef, der seine Parteilichkeit in der entsprechenden Diskussionsendung nicht verbirgt, und Resistenz gegen beherzigenswerte Ratschläge von außen - ob vom ehemaligen Schweizer Bundespräsidenten und jetzigen UN-Sportbeauftragten Adolf Ogi (in der ORF-"Sport-am-Sonntag"-Diskussion) oder vom deutschen Doping-Papst Werner Franke in einer weiteren inferioren Ausgabe von "Offen gesagt" am selben Sonntag.

Nochmals: Abseits davon, was bei der olympischen Doping-Affäre wirklich herauskommt: Gäbe es Olympiamedaillen dafür, was man hier falsch machen konnte, so wäre Österreich der Anwärter dafür. Der Spott der Weltpresse war da beileibe nicht unberechtigt (nur als Beispiel: Sogar die seriöse FAZ schrieb vom "fast schon trottelhaft wirkenden österreichischen Kolportagebubenstück").

Und die Sportler?! Die haben "uns" doch den tollsten Medaillenregen aller Zeiten beschert! Gott sei Dank. Damit wir das nicht vergessen, hat es uns die Bundesregierung, von unseren Steuergeldern bezahlt, in ganzseitigen Zeitungsanzeigen mitgeteilt. Aber das ist wieder eine andere Affäre.

otto.friedrich@furche.at

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