Wir sind hier nicht in Kinshasa

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Der Teint, der Name, der Akzent: Wer als "anders“ wahrgenommen wird, hat es in keinem europäischen Land so schwer, wie in Österreich.

Ende November des letzten Jahres. Eine junge Frau mit schwarzer Hautfarbe steht in einer Bankfiliale in Wien und möchte Geld überweisen. Sie hat aber nicht den passenden Ausweis mit. Die Bankangestellte am Schalter erklärt ihr ruhig, dass sie später mit dem Dokument wieder kommen soll. Doch ihr Kollege mischt sich in die Beratung ein und beschwert sich über die Kundin. Mit "Wir sind hier nicht in Kinshasa!“, verscheucht er die junge Frau aus der Bank. Als sie schon draußen ist, schimpft er weiter.

706 dokumentierte Diskriminierungen

März vor einem Jahr: Herr M., ein Wiener mit türkischstämmigen Eltern, geht mit seiner Schwester und seinem Neffen einkaufen. In einem Lokal im Einkaufszentrum möchten sie einen Kaffee trinken. Doch die Kellner ignorieren sie. Auf der Terrasse sitzen schon einige Gäste, aber es sind noch nicht alle Tische aufgestellt. Herr M. ergreift selbst Initiative und klappt am Rand stehende Stühle und einen Tisch auf. Die Familie nimmt Platz und wartet auf Bedienung - eine halbe Stunde lang und umsonst. Frustriert verlassen sie das Lokal. "Danke für‘s Tisch aufstellen!“, sagt ein Kellner zum Abschied: "Fahren‘S dort hin zurück, wo sie herkommen, in den Süden.“

Bedauerliche Einzelfälle? Leider nicht. 706 diskriminierende Vorfälle wurden im Vorjahr dem Anti-Rassismus-Verein ZARA gemeldet. 99 davon sind im "Rassismus Report“ akribisch dokumentiert. Einen Anstieg bemerken die ZARA-Berater vor allem beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen. Sie machen fast ein Fünftel aller Fälle aus, genau so viel wie Diskriminierungen im Internet (die häufig anonym geschehen.) "Ausse, ausse, jüdisches Gesindel“, hört man in Geschäften. "Nur Inländer“, liest man in Wohnungsinseraten. "People like you cannot have an account here“, sagen Bankangestellte. "Menschen, die als ‚anders‘ wahrgenommen werden, sind oft nicht einmal als zahlende Kunden erwünscht“, meint ZARA-Geschäftsführerin Claudia Schäfer.

Dass Herr und Frau Österreicher erhebliche Ressentiments gegen Zuwanderer haben, belegt auch die aktuelle Europäische Wertestudie. Die Politikwissenschaftler Sieglinde Rosenberger und Gilg Seeber haben die Ablehnung von Migranten in westeuropäischen Ländern verglichen und kamen zu einem düsteren Ergebnis: Österreicher haben europaweit die höchste Antipathie gegenüber Zuwanderern, ausländischen Arbeitern, Muslimen und Menschen mit anderer Hautfarbe. Das Resümee der Forscher: Das aktuelle Klima in Österreich muss als fremdenfeindlich eingestuft werden.

Auch im letzten Länderbericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) kann man über Österreich lesen: "Schwarze und Muslime sind besonders der Gefahr ausgesetzt, Opfer von Rassismus zu sein“ .

Was ECRI weiter kritisiert: "Den auf die Bekämpfung von Diskriminierung spezialisierten Organen fehlt es an jener strukturellen Unabhängigkeit, die für das Vertrauen der Öffentlichkeit unabdingbar ist. Besonders die Gleichbehandlungsanwaltschaft verfügt nicht über die für die Umsetzung ihrer Aufgaben erforderlichen Ressourcen.“ Die ist, seit die ethnische Diskriminierung 2005 ins Gleichbehandlungsgesetz aufgenommen wurde, für die Beratung von Betroffenen zuständig. Mit rund 2.000 Diskriminierungs-Fällen beim Zugang zu Gütern oder Dienstleistungen waren sie seitdem betraut. "Viele Betroffene haben schon öfter Fremdenfeindlichkeit erlebt, irgendwann ist ihre Toleranzgrenze überschritten. Oft geht es ihnen nur um ein Statement von einer offiziellen Stelle“, sagt Gleichbehandlungsanwältin Ulrike Salinger.

Sehr viel mehr kann die Behörde, die dem Bundeskanzleramt unterstellt ist, auch nicht tun. Die Anwälte fordern beschuldigte Institutionen zu Stellungnahmen auf, im besten Fall kommt es zu Entschuldigungen oder zu einem Vergleich. Einmal hat eine Diskothek, die einem dunkelhäutigen Mann nur deshalb den Einlass verwehrt hat, nach der Intervention der Anwälte eine Spende an ein Sozialprojekt in Nicaragua überwiesen - zum Ausgleich für den ideellen Schaden.

Wenn es zu keiner Einigung kommt, kann die Gleichbehandlungsanwaltschaft einen Fall an die Kommission weiterleiten. Die erstellt dann ein Gutachten mit Empfehlungen. Rechtlich verbindlich ist das freilich nicht. Wer für Diskriminierungen tatsächlich entschädigt werden will, wie es ihm vom Gesetz her zusteht, muss vor Gericht gehen. Rechtsschutz gibt es dafür keinen. Die Gleichbehandlungsanwälte haben keine Möglichkeit, das Gericht anzurufen. Auch das kritisiert ECRI.

Bei Interessensvertretern kein Thema

Nicht nur die Durchsetzung der Rechtsansprüche wird dadurch schwierig, auch im Gleichbehandlungsgesetz selbst gibt es eine Lücke: Während in der Arbeitswelt auch ein Schutz vor Diskriminierung auf Grund von Alter, Religion, sexueller Orientierung oder Weltanschauung besteht, gilt das beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen nicht. Dort verstößt nur gegen das Gesetz, wer auf Grund der ethnischen Herkunft diskriminiert. Das heißt: Man darf niemandem ein Bankkonto verwehren, weil er Türke ist. Wohl aber, weil er homosexuell ist.

In Wirklichkeit passiere aber weder das eine noch das andere, meint Michael Ernegger vom Bankenverband: "Gerade unsere Mitgliedsbanken, die im Massengeschäft tätig sind, fahren eine gegenteilige Strategie, um Menschen mit Migrationshintergrund anzusprechen. Sie stellen mehrsprachige Mitarbeiter ein und geben Informationsmaterialien in verschiedenen Sprachen heraus.“ Das Problem der ethnischen Diskriminierung am Bankschalter sei deshalb auch noch nie an den Bankenverband herangetragen worden.

Auch im Fachverband für Immobilientreuhänder ist Diskriminierung zur Zeit kein Thema. Thomas Malloth, der oberste Makler, bezweifelt, dass Alltagsrassismus bei der Wohnungsvergabe stärker verbreitet ist, als in anderen Bereichen: "Seit 27 Jahren bin ich Makler, und meine Kanzlei ist im zehnten Bezirk in Wien. Aber mir ist noch nie angetragen worden, eine Wohnung nur in die eine oder andere Richtung zu vermitteln.“ Ähnlich sieht das Friedrich Noszek, der Präsident der Hausbesitzer. Diskriminierung ist im Verband kein Thema "vielleicht, weil andere, dringendere Themen am Tisch sind.“ Noszek könnte sich aber vorstellen, die Mitglieder mit einem Arteikel in der Fachverbandszeitung über das Diskriminierungsverbot aufzuklären.

Welche Konsequenz das haben wird, ist eine andere Frage. Seit letzten Mai ist es nämlich offiziell verboten, diskriminierende Immobilieninserate zu schalten. Beim ersten Mal gibt‘s allerdings nur eine Verwarnung. Erst wer wiederholt "Nur Inländer“ inseriert, muss eine Verwaltungsstrafe von maximal 360 Euro zahlen. "Ich bezweifle, dass das eine abschreckende Wirkung hat“, meint Gleichbehandlungsanwältin Salinger. Sie glaubt, es bräuchte mehr Gerichtsfälle, um das Gleichbehandlungsrecht zu judizieren. Vielleicht hilft das, in den Köpfen der Österreicher zu verankern, dass "Heute keine Ausländer“-Sager und rassistische Beschimpfungen nicht nur die Grenze des guten Geschmackes übertreten, sondern tatsächlich einen Rechtsbruch darstellen.

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