Wo bleibt da jetzt die "Familienpartei"?

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Soll jemand, der "zwei, drei oder mehr Mäuler zu stopfen hat", gleich viel Steuern zahlen, wie jemand ohne Sorgepflichten? Für die Finanzwissenschaft ist die Antwort klar: Es geht um das Leistungsfähigkeitsprinzip. Jeder soll nach Maßgabe seiner individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung staatlicher Leistungen beitragen. Wer sein Einkommen auf mehrere Personen aufteilen muss, weil er für Kinder zu sorgen hat, ist weniger leistungsfähig, als jemand ohne Sorgepflichten. Dieses Leistungsfähigkeitsprinzip befasst sich primär mit horizontaler Steuergerechtigkeit -für Bezieher gleich hoher Einkommen -und baut auf dem in einer Demokratie zentralen Gleichheitsgrundsatz auf.

Der Verfassungsgerichtshof weiß das und hat die Sorgepflichten im Steuerrecht bei seinen Entscheidungen 1991 und 1997 berücksichtigt. Da sich der Finanzminister diese Berücksichtigung aber nicht leisten konnte -oder wollte -, musste der Verfassungsgerichtshof die Familienbeihilfe schon vor Jahren "umdeuten". Und so hat er die Kurve genommen: Die Familienbeihilfe, die ihrem Wesen nach absolut nichts mit der Steuer zu tun hat, sei ein Ausgleich für die von Eltern zu viel bezahlten Steuern. Somit gibt es in Österreich keine ausreichende steuerliche Berücksichtigung von Familien oder umgekehrt: steuerzahlende Familien bekommen nach dieser Argumentation keine Familienförderung.

Vier Euro pro Monat auf die Hand

Die fehlende Berücksichtigung von Familien im Steuerrecht belegt auch eine Studie der OECD aus dem Jahr 2011: Österreich liegt bei Maßnahmen der Familienförderung an 14. Stelle - definitiv kein Grund zum Jubeln. Direktleistungen -gut, Infrastruktur -ausbaufähig, steuerliche Berücksichtigung nicht existent, so der Befund der OECD-Studie. Tatsächlich benötigt man ein Vergrößerungsglas, um in der Grafik die österreichische Steuerberücksichtigung zu erkennen.

Kinder und Kinderkosten werden seit 2009 mittels Kinderfreibetrag und steuerlicher Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten berücksichtigt. Der Kinderfreibetrag von 132 Euro pro Elternteil (ein Freibetrag verringert das zu versteuernde Einkommen) bedeutet etwa vier Euro pro Kind und Monat.

Mehr als ein erster Ansatz war das nicht: Der Kinderfreibetrag ist ein "Micky-Maus-Betrag". Ebenso können seit 2009 Kinderbetreuungskosten in der Höhe von 2300 Euro pro Jahr und Kind bis zum zehnten Lebensjahr steuerlich geltend gemacht werden.

Die erstmalige steuerliche Absetzbarkeit von Betreuungskosten 2009 war eine Innovation! Diese nur bis zum zehnten Lebensjahr zu ermöglichen, ist etwas realitätsfern: Kinder müssen auch nach der Volksschulzeit betreut werden, und die wirklich hohen Kosten fangen mit dem zehnten Lebensjahr erst an. Dazu kommt, dass dafür ein Steuerausgleich gemacht und die entsprechenden Belege gesammelt werden müssen. Dieser bürokratische Aufwand schreckt viele Familien ab und führt dazu, dass die tatsächliche Inanspruchnahme hinter den Möglichkeiten zurück bleibt. Von den im Budget für Familien reservierten Steuergeldern wird nur ein Teil abgeholt. Der Familienverband hat dazu vorgeschlagen, diese Kosten "automatisch" zu berücksichtigen und eine Negativsteuer für Niedrigverdiener einzuführen.

Vor diesem Hintergrund kündigten zuerst Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) und dann ÖVP-Obmann Michael Spindelegger im Sommer 2013 eine bessere steuerliche Berücksichtigung der Kinder an. Mit der Ansage, 7000 Euro als steuerlichen Kinderfreibetrag einführen zu wollen -ähnlich wie in Deutschland -, bestritt die ÖVP im Herbst den Nationalratswahlkampf. Fachleuten war schon damals klar, dass diese Forderung nicht leicht zu finanzieren sein wird.

Foul an Mehrkindfamilien

Lobbyorganisationen wie die Industriellenvereinigung sind stets darum bemüht, mittels Studien darauf hinzuweisen, dass das derzeitige Steuersystem verfassungskonform sei. Die fehlende Familienförderung von steuerzahlenden Eltern wird dabei nobel verschwiegen. In punkto Steuerreformdebatte kommen auch von der ÖVP keine beruhigenden Informationen. Da wird beispielsweise die Abschaffung des Alleinverdienerabsetzbetrages kolportiert; dieser beträgt 494 Euro pro Jahr für das erste Kind und wird für Kinder gewährt, wenn der zweite Elternteil weniger als 6000 Euro pro Jahr verdient. Allein die Diskussion darüber ist ein arges Foul - insbesondere an Mehrkindfamilien. Fast jede Familie ist -wenn die Kinder klein sind - zumindest ein bis zwei Jahre eine Alleinverdienerfamilie. Darüber hinaus wirkt der Alleinverdienerabsetzbetrag armutsvermeidend, da man ihn auch ohne Erwerbseinkommen(!) erhält.

Leistungsträger der Gesellschaft

Ganz anders hörte es sich noch vor einem Jahr bei der Bildung der Bundesregierung an: Im "Arbeitsprogramm der Österreichischen Bundesregierung 2013-2018" wurde auf Seite 104 versprochen: Im Rahmen der Steuerreform sollen die Familien besonders berücksichtigt werden. Umso unverständlicher, dass die SPÖ im darauffolgenden Herbst bei ihrem Parteitag das ÖGB/AK-Steuerreformmodell ohne Wenn und Aber übernommen hat. Darin kommt das Wort Familie nicht ein einziges Mal vor.

Die aktuelle Steuerreformdebatte verwundert umso mehr, weil sich die ÖVP selbst als "Familienpartei" bezeichnet. Dass sie es ist, hat sie in der Vergangenheit mehrfach bewiesen: gemeinsame Obsorge, pensionsbegründende Kindererziehungszeiten, Kinderbetreuungsgeld für alle, Anspruch auf Elternteilzeit -familienpolitische Meilensteine, die in den Nuller-Jahren eingeführt wurden. Eine Partei, die vor einer Wahl einen Steuerfreibetrag von 7000 Euro pro Kind und Jahr verspricht und bei der Steuerreform dann Peanuts davon übrig lässt, würde als Familienpartei unglaubwürdig.

Familien sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft. Wenn die Koalition am 17. März ihr Ergebnis zur Steuerreform präsentiert, ist es eine Frage der Gerechtigkeit, Sorgepflichten im Steuerrecht zu berücksichtigen und damit Familien spürbar zu entlasten. Wenn die Entlastung schon nicht aus Fairness geschieht, dann wenigstens aus volkswirtschaftlichen Gründen: Der Selbstfinanzierungsgrad einer Steuerreform ist nirgendwo höher als bei einer Steuerentlastung der Eltern: Jeder Euro, den sie mehr in der Tasche haben, wird wieder ausgegeben und kurbelt damit die Wirtschaft an.

Der Autor ist Präsident des Katholischen Familienverbandes (www.familie.at) und leitet eine Steuerberatungskanzlei in Wien

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