Ist die Koexistenz von Wölfen und Almwirtschaft möglich? - Am Geld für den Ausbau des Hirtenwesens, die Ausbildung von Herdenhunden und andere Schutzmaßnahmen für Almtiere scheitert es nicht. Allein das Land Tirol hat pro Jahr 500.000 Euro freigegeben. - © Wolfgang Machreich

Wolfspolitik im Schafspelz

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Zuwanderung ist generell ein Streitthema. Der umstrittenste Einwanderer Österreichs aber ist derzeit der Wolf. In der Schweiz entscheidet das Volk am Sonntag darüber, den Wolfsschutz zu lockern; hierzulande regieren noch Emotion und Eskalation.

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Zuwanderung ist generell ein Streitthema. Der umstrittenste Einwanderer Österreichs aber ist derzeit der Wolf. In der Schweiz entscheidet das Volk am Sonntag darüber, den Wolfsschutz zu lockern; hierzulande regieren noch Emotion und Eskalation.

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Wolf Haas passt immer, zur Beschreibung dieses Almsommers passt er aber besonders gut: „Jetzt ist schon wieder was passiert“ – der zum Sprichwort geadelte Anfang seiner legendären Brenner Krimis ist die treffende Zusammenfassung dieser Wolfssaison: Schafrisse da, Almkühe in Panik dort, Wolfsdebatten überall. Kaum eine Woche, in der nicht tatsächliche und angebliche Wolfsattacken für Schlagzeilen sorgten. Auch wenn später anhand von DNA-Analysen ein Goldschakal im Ötztal und ein Fuchs im Pitztal als Täter überführt wurden oder sich in Osttirol dutzende vom Wolf gerissen geglaubte Schafe auf einer anderen Alm wieder finden ließen – der Wolf ist zurück, von Vorarlberg bis Niederösterreich, und so wie in früheren Jahrhunderten ist er jetzt wieder in kürzester Zeit zum schwarzen Schaf unter den heimischen Wildtieren geworden.

Empörende Morddrohung

Allein in Tirol wurden laut Landesstatistik in diesem Almsommer 181 Schafe von Wölfen gerissen – mehr als in den letzten zehn Jahren zusammen. Als Täter überführen konnte man mittels ihrer DNA acht Wölfe aus drei Populationen. Wobei diese weit verbreitete Wortwahl aus der Kriminalistik nicht den Tatsachen entspricht, jedoch sehr gut das vom Wolf verbreitete Bild in der Öffentlichkeit beschreibt: Der Wolf ist kein Verbrecher, wenn er tut, was er tun muss: jagen und fressen. Dazu bräuchte es jedoch einen gesellschaftlichen Konsens über das Existenzrecht des Wolfs in Österreich. Davon kann keine Rede sein. Der Wolf polarisiert, die Fronten zwischen Wolfsbefürwortern und Wolfsgegnern sind verhärtet. „Die Diskussion ist so aufgeheizt, da gibt es kein Dazwischen“, klagt ein Schafhirte gegenüber der FURCHE. Die Situation eskalierte vorige Woche, als ein Landwirt dem Tiroler Wolfsbeauftragten in einem Videoclip damit drohte, er gehöre neben den Wölfen „als Erster geschossen“. Die Politik auf Landes- und Bundesebene reagierte empört und rief zur Mäßigung auf.

Dass ausgerechnet die EU auf einen strengen Wolfsschutz pocht, entschärft die Situation keineswegs, im Gegenteil: Für viele unterstützt hier nur ein Feindbild das andere. EU Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius bestätigte im August, dass regionale wolfsfreie Zonen aus mehreren rechtlichen Gründen nicht möglich seien. Hinzu kommt dass der Erhaltungszustand des Wolfs in Österreich mit „ungünstig- schlecht“ bewertet wurde. Heißt, um den Vorgaben des Wolfsschutzes aus der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtline zu entsprechen, muss Österreich zwar keine Willkommenskultur für Wölfe, jedoch eine Kultur des Miteinanders entwickeln.

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