Zivildienst in der Wundertüte

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Jan Mayrhofer sammelt als Zivildiener Erfahrungen im Sozialbereich, die er nicht mehr missen möchte. Dennoch liege dabei einiges im Argen, klagt der Student.

Das Flüchtlingswohnheim ist wie eine Wundertüte", sagt Jan Mayrhofer. "Man weiß nie, was auf einen zukommt, immer wieder gibt es Überraschungen." Der Oberösterreicher hat schon verstopfte Toiletten repariert, Wände gestrichen, Babywindeln verteilt und auf Kinder aufgepasst. Essen auszugeben und den Gehsteig zu kehren gehört ebenso zu seinen Aufgaben wie Kleider zu sortieren und sich Gedanken über die kindgerechte Gestaltung des kleinen Innenhofes zu machen. Eine strenge Aufgabenverteilung gibt es nicht. Mayrhofer: "Jeder sieht ja selber, was zu tun ist, dann packt man eben mit an."

Seit Juni leistet er in dem Haus der Volkshilfe Österreich im 21. Wiener Gemeindebezirk seinen Zivildienst und ist damit einer von insgesamt fünf "Zivis" der gemeinnützigen Organisation. "Ich habe keinen Sinn darin gesehen, zum Bundesheer zu gehen", erklärt er. Auf dem Formular für die Anmeldung zum Wehrersatzdienst hat er als bevorzugte Einsatzgebiete Umweltschutz und Flüchtlingsbetreuung angegeben. "Bei der Polizei Radarbilder auszuwerten oder als Schülerlotse zu arbeiten, hätte ich mir nicht vorstellen können."

Pflicht oder nicht?

Grundsätzlich "kann ich gut damit leben", zu dem Engagement staatlich verpflichtet worden zu sein. Ob ihm eine Abschaffung des Zivildienstes nicht trotzdem lieber wäre? "Na ja, irgendwie schon. Aber auf der anderen Seite würden sich dann viele Organisationen sehr schwer tun", glaubt er. Denn dass sich im Falle der Abschaffung 59 Prozent der Jugendlichen freiwillig engagieren würden, wie eine Studie des Institutes für Jugendforschung ergab (siehe Seite zwei), kann sich der 26-Jährige nicht vorstellen. "Man rückt sich in einer Umfrage ja gern in ein besseres Licht, aber wenn es dann darauf ankommt zu handeln, sieht es wahrscheinlich wieder anders aus." Auch er selbst hätte sich vermutlich nicht für einen freiwilligen sozialen Dienst entschieden, gibt er zu. Und ist doch froh, dass er nun Erfahrungen mit sozialer Arbeit sammeln kann.

Schlechtes Timing, guter Job

In dem Wohnheim, in dem der Ökologie-Student arbeitet, sind rund 130 Asylwerber in Bundesbetreuung untergebracht. "Wenn ein positiver Asylbescheid kommt, müssen sie raus", erzählt Mayrhofer. Viele von ihnen sieht er dann in der "Wohndrehscheibe" wieder, wo er zusätzlich noch eingesetzt wird. Die Einrichtung bietet Hilfe bei der Wohnungssuche vor allem für Migranten. 350 Wohnungen werden hier jedes Jahr vermittelt, der Zivildiener ist vor allem für den Empfang der Ratsuchenden, die Dateneingabe und Telefondienst zuständig.

Dass er es kurz vor dem Abschluss der Diplomarbeit sein Studium unterbrechen musste, "ist mir anfangs schon auf die Nerven gegangen. Aber die Erfahrungen, die ich hier mache, sind es wert." Trotzdem wünscht er sich von der Zivildienst-Reformkommission jedenfalls Veränderungen der Rahmenbedingungen, falls es nicht zur Abschaffung des Pflichtdienstes kommt. Und ist damit völlig einer Meinung mit Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger: "Der Zivildienst muss jedenfalls dem Grundwehrdienst gleichgestellt werden", fordern beide. Und zwar hinsichtlich der Vergütung als auch der Dauer. Derzeit sind Mayrhofer und seine Kollegen nicht nur vier Monate länger zum Dienst verpflichtet als die Präsenzdiener, sie bekommen dafür auch kaum Geld. Mayrhofer muss momentan mit insgesamt 560 Euro monatlich auskommen. "Das geht sich immer nur ganz knapp aus." Dabei hat er noch Glück, denn er bezieht Wohnbeihilfe, auf die viele andere verzichten müssen. Wer in diesen Genuss nicht kommt, weil er beispielsweise in einer Wohngemeinschaft lebt, hat 190 Euro weniger im Monat. Fenninger: "Vergütung und Dauer des Zivildienstes sind nach dem derzeitigen Konzept eine absichtliche Verschlechterung gegenüber dem Grundwehrdienst. Diese Situation muss endlich bereinigt werden." Werde der Wehrdienst abgeschafft, sei auch eine Abschaffung des Ersatzdienstes unabdingbar. "Ob die sozialen Organisationen das aushalten, hängt von den Rahmenbedingungen ab." Man müsse jungen Menschen den freiwillige Einsatz ermöglichen, indem ihr Lebensunterhalt gesichert und eine Ausbildung angeboten werde, die dann auch auf eine weitere Berufsausbildung in dem jeweiligen Bereich anrechenbar ist. Denn "soziales Engagement hilft ja vielen, sich für einen Beruf zu entscheiden", betont Fenninger.

Mirza Biscic ist so ein Fall. Er war vor Jan Mayrhofer Zivi bei der Wohndrehscheibe. Sein Beruf als Buchhalter hat ihm nicht mehr gefallen, vom Zivildienst erhoffte er sich damals die Orientierung. Inzwischen ist er bei der Volkshilfe fix angestellt. "Ich habe meinen Traumjob gefunden", sagt er zufrieden. Und auch Mayrhofer ist "mittlerweile offen für einen Beruf im sozialen Bereich."

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