Zu wenig aggressiv, zu wenig Poser

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Kommentar: Warum Alexander Van der Bellen gegen Polit-Talent Hofer und bei der Masse nur schwer ankommt.

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Kommentar: Warum Alexander Van der Bellen gegen Polit-Talent Hofer und bei der Masse nur schwer ankommt.

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Immer wieder wurde er von seinem Kontrahenten ein Kommunist, ein Freimaurer, ein Sozi, der nicht einmal seinen Mitgliedsbeitrag bezahlt, genannt. Ein Liebling der Hautevolée ("Hot" Volée nach Hofers Aussprache), ein EU-Bürokrat, der aus Österreich ein Bundesland machen will, ein Teil des alten Polit-Establishments, an dem es sich zu rächen gilt, und nicht zuletzt ein "grüner faschistischer Diktator". Alexander Van der Bellen hatte all dem erstaunlich wenig entgegenzusetzen. Der Wirtschaftsprofessor kam wohl im gesamten Wahlkampf einen Tick zu trocken, zu behäbig, vielleicht gar zu seriös daher, um Volksnähe oder Enthusiasmus zu vermitteln, wie das Norbert Hofer scheinbar mühelos gelingt (siehe Kolumne rechts). Vor allem aber war er zu wenig Selbstdarsteller, zu wenig aggressiv und auch zu wenig defensiv, um gegen Hofer zu bestehen. Die Zurückhaltung, das Nachdenkliche, die Besonnenheit wären eigentlich positive Eigenschaften, gerade was die Eignung für das Bundespräsidentschaftsamt betrifft. Im Wahlkampf haben sich diese Attribute aber als eher hinderlich erwiesen, weil hier nicht mit gleichen Waffen gefochten wurde. Besonnen war nicht anzukommen gegen den Anwalt der besorgten Bürger, der mit reichlich mimischem Talent ausgestattet seinen Kontrahenten maßgenau und jovial klein machte. Dem kein Trick des Kommunikationstrainings und des NLP zu manipulativ und keine Anschuldigung zu perfide war.

Van der Bellens Dilemma war es indessen, sich möglichst präsidial geben zu müssen, auch dann die Conténance zu bewahren, wenn ihn Hofer provozierte und vorführte. Hofers Attacken hätte er weniger Angriffsfläche bieten dürfen, hätte sich weniger auf das Schlammschlacht-Niveau begeben dürfen, und hätte stattdessen noch stärker auf die inhaltlichen Kernpunkte eingehen sollen -freilich leichter gesagt als getan. Doch so ist Van der Bellen binnen weniger Wochen vom Favoriten zum Herausforderer abgestiegen. Das Problem liegt aber nicht nur in der Kommunikation zwischen den Kandidaten oder in der fragwürdigen medialen Inszenierung, die gerade beim unmoderierten ATV-Duell auf Eskalation und Quote ausgerichtet war. Wenn dem Gros der Wählerschaft die Verpackung wichtiger ist als der Inhalt, wenn die Jugendlichkeit, die flotten Sprüche, das Dauergrinsen den Ausschlag für das Kreuzerl am Stimmzettel geben, dann sieht Van der Bellen wirklich alt aus.

Gerade bei den vielen politisch Desillusionierten und von ihrer Arbeits-und Lebenssituation Frustrierten wie auch bei vielen (jungen) Männern kommen die Testosteron-Attacken Hofers besser an als Van der Bellens langatmig anmutende Erläuterungen. Der hat zwar die Unterstützung der Eliten, der Intellektuellen und Künstler, der ehemaligen Politiker der Mitte und der Wirtschaftstreibenden, der Studierenden und der Expatriates, aber das ergibt noch lange keine Mehrheit. Eventuell hat er sich zu stark deklariert mit seiner Ankündigung, FPÖ-Chef Strache nicht als Kanzler angeloben zu wollen. Eine Mehrheit erreicht er mit dieser Botschaft nicht, zu der sich nicht einmal mehr die Sozialdemokraten durchringen können.

Egal, wie die Wahl ausgehen wird: Angesichts der Umfragewerte, die Hofer noch immer knapp vorne sehen, sollten wir schleunigst darüber nachdenken, was bei der Vermittlung politischer Bildung schief läuft - sofern dies überhaupt geschieht - in der Schule, in den Medien wie im Privaten. Denn spätestens, wenn die Glückwünsche von Le Pen, Jobbik, der AfD und anderen rechtsradikalen Gruppierungen in der Hofburg eintrudeln, hat es auch das kleine Österreich wieder in die internationalen Schlagzeilen geschafft - wie anno dazumal mit Jörg Haider.

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