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Durch intelligente grüne Technologien sollen Städte ressourcenschonender und klimafreundlicher werden. Wien ist internationaler Spitzenreiter.

Auf den ersten Blick scheint das südenglische Poundbury ein gewachsenes Dorf mit traditioneller Architektur zu sein. Bei näherer Betrachtung bekommt dieses idyllische Bild Risse: Poundbury ist ein neu erbauter Ort, der den alten Baustil der Gegend imitiert. Das von Prinz Charles initiierte Architekturprojekt hat schon viel Unmut der Bevölkerung auf sich gezogen: Die aus Stein und Schiefer gebauten Häuser seien zwar hübsch, aber nicht praktisch, mehr Freilichtmuseum als echtes Zuhause. Die öffentlichen Plätze sind menschenleer, die alte Architektur entspricht nicht den modernen Bedürfnissen der Menschen. Eine Smart City sieht anders aus.

Die Stadt der Zukunft setzt auf Gebäude, die keine Energie von außen benötigen, auf klimafreundliche Mobilität und auf ausreichend grüne Stadtflächen. Zudem sollen smarte Städte auf das Nutzerverhalten ihrer Bewohner und deren zunehmende Diversität eingehen. Künftig werden Städte nachhaltiger und ressourcenschonender wirtschaften müssen. Denn schon heute verbrauchen Städte weltweit 75 Prozent der Energie und sind für 80 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.

Smart Citys in Kinderschuhen

Seit dem Vorjahr fördert der zum Verkehrsministerium gehörige Klima- und Energiefonds 19 österreichische Städte und Regionen, die sich zu einem smarten Ort ohne CO2-Emissionen entwickeln sollen. "Durch den Einsatz grüner Technologien, die von der Bevölkerung angenommen werden, können die Städte die Herausforderungen Verkehr, Infrastruktur und Energie anpacken“, sagt Geschäftsführerin Theresia Vogel.

Im ersten weltweiten Smart City Ranking 2012 landete Wien prompt auf Platz eins. "Wir haben trotz der High-Tech-Konkurrenz aus Städten wie Dubai oder Singapur gesiegt, weil smarte Städte auch mit sozialer Nachhaltigkeit punkten müssen“, so Thomas Madreiter von der Wiener Magistratsabteilung 18 für Stadtentwicklung.

Bis 2050 hat sich Wien hohe Ziele gesteckt: Gebäude sollen nicht mehr Energie verbrauchen, als sie erzeugen. Der Anteil an erneuerbaren Energien soll von zehn Prozent auf über 50 Prozent gesteigert werden. Der Energieverbrauch pro Kopf soll seit 2005 mehr als halbiert worden sein. Nur mehr 15 Prozent der Wege sollen mit dem Auto zurückgelegt werden. An diesen Zielen arbeiten seit dem Vorjahr Gruppen aus Forschung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Ein wesentlicher Teil des Smart City-Konzeptes betrifft die Sensibilisierung der Bevölkerung: "Den Leuten muss klar werden, dass es nicht vordergründig um Komfortverzicht geht, sondern um ein Ende der unnötigen Energieverschwendung“, so Madreiter.

Die Zukunft Wiens

Noch beträgt der Anteil an Autofahrern in Wien 29 Prozent, eine Reduktion auf 25 Prozent ist für die nächsten Jahre angepeilt: "Einerseits wollen wir das durch ein gutes öffentliches Verkehrssystem und Angebote an Radfahrer und Fußgänger schaffen“, erklärt Madreiter. "Andererseits muss das Parken in der Stadt weiterhin unattraktiver gemacht werden.“

In den nächsten 30 Jahren wird Wien um 300.000 Einwohner wachsen. "Wir planen die Flächenreserven im Stadtinneren zu nutzen, um eine möglichst kompakte Stadt zu bleiben“, sagt Madreiter. Die Gebäude werden sich radikal wandeln: "Ab 2025 werden alle Gebäude nach dem Plusenergiestandard gebaut und smarte Netze zur Energieeinspeisung hergestellt“, weiß Brigitte Bach vom Austrian Institute of Technology (AIT). Eine große Herausforderung besteht darin, den Stromverbrauch der Stadt an das Angebot von erneuerbaren Energien anzupassen: "Bei Einfamilienhäusern am Land ist es einfacher, eine Fotovoltaik-Anlage zu installieren als bei städtischen Miethäusern mit vielen Wohnparteien“, berichtet Bernd Vogl von der MA 20 für Energieplanung.

Fragwürdige EU-Förderungen

Die EU-Kommission definiert mit dem SET-Plan Maßnahmen zur Erreichung der europäischen Ziele für 2020 und 2050: Am dringlichsten sind die Bekämpfung des Klimawandels, die Sicherung der Energieversorgung sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. Doch der Ausbau neuer Energien stößt auf Hindernisse: Dazu gehören ein chronisches Investitionsdefizit, lange Vorlaufzeiten für die Vermarktung neuer Produkte sowie administrative Hürden.

Zudem setzt die EU ihren Energieschwerpunkt nicht nur auf Smart Citys: Tatsächlich fließen nur 40 Prozent der EU-Fördermittel in erneuerbare Energien und 60 Prozent in die umweltschädliche CO2-Abscheidung und -Speicherung . "Davon profitieren vor allem Großbritannien, Deutschland und Polen, die auf Energieerzeugung durch Kohle setzen“, berichtet Elvira Lutter vom Klima- und Energiefonds.

Österreich hingegen rangiert in punkto Nachhaltigkeit im europäischen Spitzenfeld: Jeder dritte Sonnenkollektor in der EU wird hierzulande produziert. Ein Drittel der Passivhaus-Fläche der EU befindet sich in Österreich.

Auch der Technologiekonzern IBM unterhält einen eigenen "Smarter Citys“-Bereich in Wien, der etwa an Verkehrsleitsystemen zur CO2-Reduktion forscht. Gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology hat IBM ein System zur Staufrüherkennung entwickelt. "So wissen wir 25 Minuten vorher, wo es zu einem Stau kommen wird“, berichtet Michael Schramm von IBM Smarter Cities.

Die ländlichen Regionen benötigen dringend zukunftsfähige Strategien für die Bereiche Mobilität, Energie und Infrastruktur. "Synergieeffekte lassen sich am Land nicht so leicht nutzen wie in der Stadt“, sagt der Münchner Architekt Peter Haimerl (siehe S. 4). Ländliche Gebiete werden sich spezialisieren müssen, um überlebensfähig zu bleiben, prophezeit Haimerl: "Krems beispielsweise könnte sich mit dem Thema Klöster beschäftigen.“ Jeder Ort wird ein einzigartiges Profil benötigen, um einem Schicksal wie dem von Poundbury zu entgehen.

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